Leben zwischen zwei Sprachen
Ich bin vor 20 Jahren ausgewandert nach Spanien und lebe seitdem zwischen und mit zwei KulturenKommunikation ist lebenswichtig
Sprache, Sprache, Sprache, unser wichtigstes menschliches Kommunikationsmittel. Mein Mann und ich lernten schon vor unserer Auswanderung nach Spanien zuhause in der alten Heimat mit Privatlehrern, so genannten native speakers, das Castellano, wie es korrekt heißen muss. Und nach fast 20 Jahren Leben und auch arbeiten im anderen Land konnten wir uns gut in Spanisch verständigen. Aber ein eigenes Buch in dieser Sprache, also in Spanisch, schreiben, das traute ich mich bis jetzt nicht!
Über unsere dichtende Postfrau, Carmen Sanchez Melgar, kam ich in den Kreis der einheimischen Poeten unserer Gegend, ja, auf unserer Finca wurde sogar die andalusische Kulturzeitschrift "Hercules" gegründet mit der Schriftstellerin Nuria Ruiz Fernández als Chefredakteurin. Ich war als deren "Fan" dann bei vielen ihrer Veranstaltungen dabei. Ich sah dabei auch immer die Werbung von Nuria Ruiz zu ihren Workshops zum kreativen Schreiben von "relatos cortos", also Kurzgeschichten. Ich wollte immer schon mal daran teilnehmen, aber erst kamen dann doch wieder meine deutschen Bücherveröffentlichungen dazwischen, dann Covid oder andere Ausreden halt. Aber im September letzten Jahres bot sie einen Online-Workshop an, einmal die Woche, mittwochs eineinhalb Stunden mit Zoom. Da musste ich nicht aus dem Haus, und da meldete ich mich an. Unter uns: Ich dachte, da lerne ich dann, meine Anekdoten ins Spanische zu übersetzen.
Präsentation meines Buches in Spanisch in Estepona beim Kulturmittwoch (Bild: Reinhard Hefele)
Raus aus der Komfortzone
Es war ganz anders konzipiert, nämlich als Workshop für Kurzgeschichten in Castellano aufgrund von vorgegebenen Themen in vielen verschiedenen Genres! Ehrlich gesagt: Nach den ersten beiden Lektionen wollte ich schon wieder alles hinschmeissen und mich abmelden! Ich war verzweifelt, auch in meiner Eitelkeit gekränkt als doch längst erfolgreiche Autorin, denn die Tutorin Nuria übte viel Kritik an meinen Geschichten, die ihr zu kurz waren, zu typisch journalistisch mit verpönten Zusammenfassungen und vor allem zu emotionslos, zu faktisch. Ganz zu schweigen von meinem "Castellano", das ihr von der Wortstellung im Satz zu typisch deutsch erschien, die Apostrophe vernachlässigte, und ausserdem fand sie darin auch typische Umgangssprache meiner Gegend.
Ich verdanke es meinem Mann, der mir half, nicht aufzugeben, ich vermute, weil auch er, der ja sonst durch sein Fachgebiet des Ingenieurwesens fließend Spanisch spricht, ein bisschen von den Grammatiklektionen profitieren wollte, indem er mir am Bildschirm über die Schulter guckte. Seinem Ansporn verdankte ich, dass ich doch die neun Monate und insgesamt 72 Unterrichtsstunden durchhielt. Eine zusätzliche Motivation erhielt ich durch die Einladung zu einem intensiven Ganztagesworkshops allerdings der nächsthöheren ieau-Gruppe. Das war überhaupt nicht einfach für mich, gleich auf Secundärebene mitzumachen. Aber eine der Übungen lautete, zu dem berühmten Bild von Raffael mit den zwei kleinen Engeln einen Dialog zu erfinden und man stelle sich vor: Alles lachte ob meiner ironischen Schlusspointe. Das war mein erstes Erfolgserlebnis und ich wusste nun, ich durfte meinen humorvollen persönlichen Stil behalten. Später erteilte Nuria Ruiz in ihrem Prolog zu meinem Büchlein das Kompliment, dass es einfacher sei, Leute zum Weinen als zum Lachen zu bringen.
Online-Lernen in Covid-Zeiten (Bild: Gabriele Hefele)
Eine gute Geschichte in Spanisch
Nuria Ruiz war eine geniale Lehrerin, streng, aber mit professioneller Didaktik und viel Geduld. Sie brachte mich dazu, meine Komfortzone geschilderter Erlebnisse zu verlassen und zum ersten Mal in meinem Leben Liebes-, Kriminal-, Abenteuergeschichten zu erfinden, ausserdem mich in Fantasy und Historiendramoletten zu üben. Sogar Gedichte, die ich seit meiner Pubertät nicht mehr schrieb, musste ich wieder verfassen, und siehe da: Es ging! Im Büchlein gefallen mir selbst meine Zeilen über den Herbst an der Küste und über die Fantasie, wenn ich eine Seifenblase wäre! Ja, ganz ungewohnt, mussten wir drei Zöglinge – ausser mir noch eine junge Verwaltungsbeamtin und ein Student der Medienwissenschaft, aber beide Muttersprachler -, uns in ein Objekt im Ich-Erzählstil versetzen. Heute ist es eine meiner Lieblingsstorys: "Die Reise eines Regenschirms" (der ich also darin bin). Man könnte also unken, dass doch auch Sachen eine Seele hätten, wer schimpft nicht schon mal mit seinem Computer oder der Waschmaschine!
Unsere Tutorin hatte als Lektorin besonders am Anfang viel Arbeit mit meinem Castellano. Aber mehr und mehr lernte ich dazu, ließ auch meiner Fantasie ungeniert ihren Lauf, bis eines Tages Nuria Ruiz unter meine Kurzgeschichte schreiben konnte: "¡un buen relato!"
Mein Entschluss zu einem mediterran besser geeignetem Pseudonym, (Bild: Gabriele Hefele (Selfie))
Inzwischen Versand nicht nur in Spanien, auch nach Deutschland, Italien, Argentinien!
Nun gibt es als Pläne, dass ich das Buch auch als zweisprachige Lektüre gestalte für die Sprachakademien und auf Anregung für eine Zusammenarbeit in der Germanistikabteilung der Universität Sevilla. Meiner Tutorin verschaffte ich dadurch gleich noch einen ähnlichen Online-Kursauftrag demnächst für die Costa Blanca. Nun kommen auch schon die Fragen, was ich als nächstes in Castellano schreibe!
Übrigens kann man im Moment das Büchlein nur über die Autorin bestellen für 5,00 Euro + 2 Euro Portokosten unter:[email protected]
Bildquelle:
W. Zeckai
(Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)