Liegt die Zukunft in der Online-Zeitung?
Diese Frage stellt sich der Journalist und der Leser heute. Beschreibung eines eigenen Projektes.Zur Online-Chefredakteurin wie die Jungfrau zum Kind?
Ganz ehrlich: Welcher Journalist träumt nicht davon, eines Tages sein eigenes Medium zu machen? Sein eigener Chef, in dem Fall Chefredakteur, aber auch Herausgeber zu sein? Unabhängig sein von (Achtung, subjektiver Eindruck – es soll auch andere geben!) beispielsweise geldgieriger Geschäftsführung, laienhaften Aufsichtsräten, strengen, unkreativen Finanzverwaltern, kurz, alles selbst in der Hand zu haben. Mit all den Problemen.
Links: Bald nur noch museumsreif?
Als mir eine Kollegin überraschend und kurzfristig das Angebot machte, ihre deutschsprachige Onlinezeitung für Residenten in Spanien zu übernehmen, musste ich nicht lange überlegen. Sie selbst hatte schon 2008 diesen Residentenkurier ins Leben gerufen, gibt außerdem ein vierfarbiges Reise- und Tourismusmagazin heraus, das "Al Paraiso". Nun aber ging sie aus privaten Gründen zurück nach Deutschland, die Arbeit für Al Paraiso und Residentenkurier zugleich wurde ihr auch zu viel, vor allem, um von Deutschland aus alles zu managen. In ihrem Sinne, ebenfalls professionelle Journalistin, sollte es auch weiterhin ein journalistisches Magazin bleiben.
Ich bin nun also die neue Verantwortliche für den Residentenkurier. Ich hatte dabei schon jahrelang mitgemacht und mindestens immer zwei Berichte geliefert. So konnten wir den Übergang nahtlos gestalten.
Umfassende Infos für Hispanophile (Bild: Gabriele Hefele)
Neue Besen
Natürlich brachte ich auch gleich einen Sack neuer Ideen mit, die Struktur des Residentenkuriers bleibt jedoch erhalten. Der Vorteil einer vorhandenen Struktur mit bereits treuer Leserschaft und guten Klickzahlen sowie attraktiven Positionierungen in den Suchmaschinen ist unschätzbar wertvoll. Deshalb wird auch, auf absehbare Zeit zumindest, der mir, unter uns, heute etwas dröge erscheinende Name beibehalten! Jeder Blattmacher weiß, dass man es sich zigmal überlegt, bevor man einen eingeführten Namen, auch und gerade im Internet, ändert.
Meine Vorgängerin hatte die Informationen auch schwerpunktmäßig sehr auf die Costa de la Luz zugeschnitten. Kein Wunder, war ja ihr Zweitwohnsitz. Aber hier gibt es bereits und auch neu mehrere Online-Seiten. Die Folge: persönliche Gespräche mit deren Herausgebern und gegenseitige Links sowie Informationsaustausch, das hatte mit persönlichen Gesprächen unter uns auch noch die Vorgängerin vorbildlich eingefädelt.
Der erste Relaunch
Was haben wir nun geändert? Mit wir meine ich natürlich vor allem die treuen Helfer, was die Software angeht, im Hintergrund!
- Die Header Fotos, die der Saison angepasst werden,
- den Schrifttyp und die Schriftgröße: keine Serifenschrift mehr und der Griff zu einer mindestens zwei Punkt größeren, besser lesbaren Schrift. Serifenschrift finde ich nach wie vor besser geeignet für den Druck, aber die schnörkellosen Schriften besser zu lesen direkt am Bildschirm.
- Ich habe auch den BLOG ausgedehnt - er soll auch Berichte und Reportagen beinhalten, auf die man nicht bis zum Residentenkuriermagazin (siehe unten) warten will, das nach wie vor alle Vierteljahre erscheinen soll.
- Aufwertung der Rubriken. Die Nutzer sollen auch mal öfters Aktuelles und Veranstaltungen anklicken, dort gibt es nicht nur Termine und Daten, sondern auch Hintergründe und Nachberichterstattungen.
- Erweiterung auf die fast gesamte iberische Halbinsel, das heißt Zusammenarbeit mit einem Team von der Algarve bis zur Costa Blanca und Mallorca.
Der Blick über den Zaun zu den Nachbarprovinzen, den anderen Küsten und ihrem Hinterland ist mir von Anfang an ein Anliegen. Hier wird es durch meine in den letzten 15 Jahren hier gewachsenen persönlichen Kontakte zu einem intensiven Networking kommen. In diesem Sinne verstehe ich mich als Brückenbauerin.
Das macht journalistisch enorm Spaß. Ich halte es dabei mit ausführlicheren Geschichten und Beiträgen, kurz einer fast "klassischen" Magazin-Mischung. Die Reaktionen nach den ersten beiden Ausgaben: Komplimente, die gut tun und meinen eingeschlagenen Weg bestärken.
Verraten sei auch, dass ich da den Untertitel weg vom Wort "Residenten", also Ansässigen in Spanien in "Deutschsprachige Onlinezeitung in und für Spanien" änderte und dabei immer mehr auf Hispanophile allgemein und auch auf Urlauber schiele. Die Statistik von Google Analytics zeigt nämlich, dass wir mindestens so viele Leser im deutschsprachigen Raum wie in Spanien gewinnen.
Bisschen Einnahmen und Werbung sollten auch sein
Im Moment sind die Werbe-Konzepte hierbei in Arbeit, auch auf der Vorarbeit fußend. Aber die damaligen Preise kann man heute nicht mehr erzielen, beziehungsweise wurden auch nicht erzielt im Internet. Hier müssen wir kleinere Brötchen backen. Wollen aber auch dahin kommen, den freien Mitarbeitern zumindest ein Anerkennungshonorar zahlen zu können.
Wir betonen dabei, dass wir uns nicht von Google oder Amazon abhängig machen wollen mit den Allerweltswerbeeinschaltungen, auf die wir dann keinen Einfluss haben und bei denen vor allem nur jene verdienen. Wir wollen den regionalen Bereich bedienen. Dazu gehört zu unseren Mitarbeiterinnen auch eine erfahrene Vertriebsmitarbeiterin, eine Spanierin, die spanische Firmen akquirieren soll.
Kooperationen mit anderen Medien können wir uns auch gut vorstellen, nicht nur was verbundene Anzeigenpakete angeht. Viele der entsprechenden gedruckten Erzeugnisse hier in Andalusien haben nämlich noch gar keinen Internetaufritt.
Zugriffe Deutschland (Bild: Google Analytics)
Die Geschichte vom Traum der eigenen Zeitung
Schon vor unserem Umzug nach Spanien trug ich mich nach etlicher Marktbeobachtung mit dem Gedanken, ein eigenes Monatsmagazin in deutscher Sprache für die vielen so genannten Residenten hier herauszugeben. Allein an der südspanischen Küste, also Andalusien, ergaben sich für hier wohnende deutschsprachige Residenten eine Zahl von etwa 100.000, doch wird mit einer Dunkelziffer des Dreifachen gerechnet, weil viele ihren Hauptwohnsitz in Deutschland belassen. Natürlich sollte es damals, vor 15 Jahren, noch ein richtiges gedrucktes Magazin sein. Wir waren ein Team von Journalisten und Layoutern in Köln, München und Marbella und wir erstellten eine sogenannte Null-Nummer. Ziemlich dick, mit 100 Seiten. Das Objekt nannten wir "Spanienwoche".
Leider erblickte es nie das Licht der Medienwelt, denn unsere Suche nach Investoren für den Start des Blattes war nicht erfolgreich! Man weiß ja: das Teure an einem durchgehenden Vierfarb-Magazin ist der Druck! Was nützt da die schönste Idee, wenn das Geld fehlt.
Es war das Jahr 2000, als eine Kollegin und ich bei Muhamad Al Sahdi im Büro saßen, der zu den Marbella-Größen gehörte, die dieser Stadt ihren Stempel aufgedrückt hatten, und der uns ins Gesicht sagte: "Ich investiere in Spanien nur in Immobilien und bei Medien nur in die Neuen Medien."
Später wurde mir die Übernahme des "Blickpunkt" (noch so ein 50erJahre-Name!) angeboten, eines monatliches Printmagazins, herausgegeben wie so viele in der Zeit dieses Booms, von einem Immobilienmakler. Zum Glück hatten mein Mann und ich vor dieser Übernahme zurückgeschreckt, als eben mein Mann mit spitzem Bleistift die Druckkosten gegen die Anzeigenpreise aufrechnete und auf plus minus Null kam! Das Blatt gibt es seit Beginn der Wirtschaftskrise auch nicht mehr.
Aller guten Dinge sind drei
Nun also wagte ich den Sprung mit dem Residentenkurier online. Wobei es in 2015 noch einmal eine Umwandlung gab mithilfe von Jimdo zum Onlinemagazin Spanien auch der Server wurde gewechselt. Es hat jetzt wirklich einen zeitgenössischen modernen Anstrich für Online, aber der alte Name funktioniert noch mit der Überleitung zum neuen, wie man oben feststellen kann.
Ich finde es sehr attraktiv, einerseits mein klassisches Journalistenmagazin zu veröffentlichen mit Liebe zu Hintergründen, auch abseitigeren Themen, und andererseits über die Rubriken der Webseiten sofort auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können.
Vielleicht hatte jener Al Sahdi mit seiner Meinung schon damals den richtigen Riecher und vor 15 Jahren nicht unrecht mit seinem Zukunftsblick in die Neuen Medien: Immer mehr Zeitungen gibt es über das Internet. Wobei ich der Meinung bin, es hat wie bei gedruckten Büchern und E-Books beides hat seine Berechtigung: Die schnelle Information über Computerclicks und das Erlebnis, eine gut gemachte Zeitschrift in Händen zu halten.
Bildquelle:
W. Zeckai
(Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)
G.Hefele
(Facebook macht depressiv und Smartphone einsam? Konträres zu Social...)