Machiavelli – der Philosoph der Skrupellosigkeit

Niccolò di Bernardo dei Machiavelli (1469 bis 1527) aus Florenz war vieles:Philosoph, Politiker, Diplomat, Geschichtsschreiber und Dichter. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Machiavellismus als Synonym für Skrupellosigkeit, wenn es darum geht, Macht über jeden Preis – auch jenseits von Moral und Recht – zu erlangen. Der englische Originaltitel des amerikanischen Buches lautet etwas harmloser "Merchants of Doubt", Händler des Zweifels. Der pragmatische Untertitel: "How a Handful of Scientistis obscured the Truth on Issues from Tobacco Smoke to Global Warming" – wie eine Handvoll Wissenschaftler die Wahrheit über Probleme des Tabakrauchens und der Klimaerwärmung vernebelten.

Sie taten dies, weil sie die Macht der Märkte erhalten wollten, also offensichtlich schlichtweg des schnöden Mammons wegen.

Was steht in dem Buch?

Rund 350 Seiten in neun Kapiteln erwarten den Leser. Es beginnt mit dem Produkt Zweifel, schließt mit einem Fazit zur freien Rede und freien Märkten und endet mit einem Epilog über eine neue Sicht auf die Wissenschaft. Dazwischen finden sich Kapitel zu folgenden Themenbereichen:

  • SDI "Krieg der Sterne", die strategische Verteidigungsinitiative
  • Saurer Regen und Waldschädigung
  • Ozonloch und FCKW
  • Gefahren des Passivrauchens
  • Klimaerwärmung und ihre Folgen
  • Rachel Carsons "Stummer Frühling"

Die beiden Autoren zeigen mit einer Fülle von Belegen, wie die öffentliche Meinung manipuliert wurde und wird, damit kein politischer Handlungsbedarf erwächst, beziehungsweise ein solcher suggeriert wird. Es ist eine Methode Wissenschaft mit Wissenschaft zu bekämpfen. Wir kennen das: Zu jedem "Experten" findet sich eine passende "Expertin" mit der gegenteilgen "Expertise" und fertig ist die Aufreger-Talkshow.

Naomi Oreskes und Erik M. Conway beschreiben, wie "Pressebeauftragte" und "Lobbyarbeiter" gefügige Wissenschaftler an – in den U.S.A. üblich – privat finanzierten Universitäten fanden. Wissenschaftliche Studien wurden manipuliert oder Wissenschaftler desavouiert. Gezielte Desinformation wird in seriösen Medien ebenso transportiert wie im Internet. Der unaufgeklärte Bürger schaut den Politiker, den er gewählt hat fragend an und dieser "Volksvertreter" macht das, was ein Vertreter macht: Er verkauft – in diesem Fall sein Volk für dumm. Wen wunderts, wenn auch die Autorin und der Autor einen Shitstorm über sich ergehen lassen müssen.

Muss ich das alles lesen?

Für einen guten Historiker gehört es sich, dass es belegt, was er für seine Geschichtsschreibung braucht. Deshalb sind die Kernkapitel mit zahlreichen Quellenhinweisen gespickt. Geübte Leser solcher Texte haben damit sicherlich keine Schwierigkeit.

Ein Tipp: Wer sich einen schnellen Überblick verschaffen will oder muss, lese jeweils den Anfang und das Ende des Buches, sowie der jeweiligen Kernkapitel. Details kann man sich bei Bedarf erarbeiten. Für Interessierte am Wissenschaftsbetrieb sei das Fazit ziehende Kapitel der Autoren empfohlen: Von freier Rede und freien Märkten ist es ironisch überschrieben.

Was dem Rezensenten nicht gefällt und warum Sie das Buch auf jeden Fall lesen sollten

Leider ist in dem Buch mehrfach von wissenschaftlichen Beweisen die Rede. Die heutige Wissenschaftstheorie geht davon aus, dass es in den Naturwissenschaften jenseits der Mathematik keine Beweise gibt. Der Satz "Die Wissenschaft hat festgestellt ..." kann nur meinen: Die derzeitig anerkannte wissenschaftliche Auffassung, der Stand der Dinge sind so und so. Klar, genau darum geht es in dem Buch: Wie wird eine wissenschaftliche Studie oder eine wissenschaftlich arbeitende Person so desavouiert, dass sie keine Leser und kein Gehör mehr findet.

Das sollte man selbst lesen. Interessant und spannend ist dass Buch auf jeden Fall. Und machen wir uns nichts vor: Die Händler der Falschinformation und die Machiavellis innerhalb und außerhalb wissenschaftlicher Elfenbeintürme machen trotz der Enthüllungen des Autorenpaares weiter. Ob es um die Ukraine, den IS oder die Taliban geht oder um – Fußball (Stichwort FIFA). Auch die Gutmenschen der Ökofraktion sind davon nicht frei.

Schöne neue Welt, die den nicht aufgeklärten Bürger grüßen und in unserem Bildungs- und Konsumsystem systematisch verblöden lässt. Geschieht das alles mit Absicht?

Bibliografische Angaben

Oreskes, Naomi & Conway, Erik M. (2014):

Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens.

Wiley-VCH, Weinheim, Bergstr, XX, 280 S. Hardcover.

ISBN-13: 978-3-52741-211-2 . 24,90 €

Autor seit 11 Jahren
24 Seiten
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