(Bild: Sixteenfilms)

Eric Bishop fährt im Kreis

Eric Bishop fährt im Kreis. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er steigt in seinen ziemlich alten grauen Peugeot 405 Break und dreht verzweifelt seine Runden in einem Kreisverkehr seiner Heimatstadt. Der Unfall auf der Gegenfahrspur bringt das Auto auf den Schrottplatz und ihn ins Krankenhaus. Da liegt Eric nun und hat viel Zeit, über sein Leben nachzudenken.

Der Inhalt von "Looking for Eric"

Der schon etwas ältere Postbote aus Manchester (gespielt von Steve Evets) hat eigentlich den ganzen Tag damit zu tun, die Briefe und Päckchen zu den Bürgern zu bringen. In der freien Zeit kümmert er sich um seine beiden Stiefsöhne, die seine zweite Ehefrau bei ihm gelassen hat, als sie ihn verließ. Er versucht, die beiden Teenager unter Kontrolle zu behalten. Das jedoch gelingt ihm täglich weniger. Im Vorgarten seines kleinen Reihenhauses steht plötzlich ein riesengroßer Betonmischer, doch die beiden Jungs sind mehr auf ihren Fernseher und ihre Geschäfte fixiert als auf die Fragen ihres hoffnungslos überforderten Stiefvaters.

Den täglichen Anforderungen immer weniger gewachsen

Natürlich versuchen seine Freunde, ihn nach seinem Unfall wieder aufzumuntern. Doch als sie ihn zu Hause besuchen, fallen Hunderte von Briefen aus dem Kleiderschrank. Schon seit geraumer Zeit hatte er die Post dort versteckt, anstatt sie auszuliefern. Eric rutscht immer mehr in eine Depression hinein und findet von alleine anscheinend keinen Ausweg mehr. Die Freunde versprechen, seine verspätete Post auszutragen, damit niemand etwas bemerkt. Doch auf der Arbeit sehen es nun auch die anderen, dass Eric neben sich steht und den täglichen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist.

Immer öfter denkt er darüber nach, dass er das meiste in seinem Leben falsch gemacht hat. Vor allem mit seiner ersten Frau Lily (Stephanie Bishop). Der kann er nicht mal mehr in die Augen sehen, denn er hatte die damals 20jährige und ihre gemeinsame Tochter von einem Tag auf den anderen verlassen, ohne ihr jemals zu erklären, warum. Nur der Kontakt zur Tochter besteht noch, auch die hat inzwischen ein Kind, auf das Eric ab und zu aufpasst. Doch den Kontakt zu Lily vermied er bisher vehement. Einmal sieht er sie bei der Übergabe des Enkelkindes und stellt fest, dass er sich gerne mit ihr verabreden würde, traut sich aber mal wieder nicht.

Suizidgedanken am Abend und ein Joint zuviel bringen die Lösung

Alles in allem eine sehr verfahrene Situation. Ein Abend zu Hause, Suizidgedanken und ein Joint zuviel bringen eine unerwartete Hilfestellung. Eric ist wie alle in Manchester fanatischer Fan des Fußballvereins Manchester United. An der Zimmerwand hängt das Foto seines Idols Eric Cantona in Lebensgröße. War es nun der Joint oder die Verzweiflung, sein Idol manifestiert sich in seinem Zimmer und sagt, dass er ihm helfen möchte, sein ungeordnetes Leben wieder in die Bahn zu bringen. Der Franzose Eric Cantona sagt: "Wer Angst hat, die Würfel zu werfen, wird nie eine sechs bekommen!".

Nun wird plötzlich ein Treffen mit Lily gewagt und so kommt endlich zur Sprache, was der wahre Grund für seine Trennung von ihr war: Eric litt und leidet unter heftigen Panikattacken, die seither sein Leben bestimmen. In der Zwischenzeit läuft die Situation zu Hause aus dem Ruder. Erics Stiefsohn Ryan (Gerard Kearns) hat die Schusswaffe eines berüchtigten Drogendealers in seinem Zimmer versteckt und wird erpresst, damit er sie nicht der Polizei übergibt. Die Situation erscheint ausweglos, doch Cantona fällt eine Lösung ein.

"Nicht einfach alles hinnehmen, sich wehren", so lautet die Botschaft, die in unseren Tagen gar nicht oft genug wiederholt werden kann. Oder aber auch "Man muss nein sagen können, um ein ja zu bekommen." Der Film enthält Originalszenen mit den echten Toren von Eric Cantona. Vor allem der – so Cantona – größte Moment in seinem Leben, ein genialer Pass in einem Spiel gegen Tottenham Hotspurs, wird den Zuschauern nicht vorenthalten.

Naturalistischer Regiestil und der Schwerpunkt auf dem Sozialen Drama

Ken Loach ist der Sohn eines Elektrikers. In Oxford studierte er Jura, doch dann begann er als Schauspieler zu arbeiten und wechselte 1964 zum britischen Fernsehen BBC. Er wurde bekannt durch einen naturalistischen Regiestil, seine fast immer unbekannten Schauspieler und durch seinen Schwerpunkt auf dem Sozialen Drama. Dahinter stehen seit dieser Zeit auch seine sozialistischen Überzeugungen. Als bekennender Trotzkist hatte er in den 70er Jahren besonders in der Thatcher-Ära mit Sendeverboten für seine Filme und mit Zensur zu kämpfen. Erst sehr spät wurde er einer der angesehensten europäischen Filmemacher und sammelt heute diverse Preise ein. Begonnen hat er 1966 mit "Cathy Come Home", dann drehte er neben vielen anderen Filmen "Poor Cow”, "Family Life", "Carlas Song", "Bread and Roses", "My Name is Joe" oder 2002 "Sweet Sixteen” und 2004 "Just A Kiss".

Erst spät wurde er einer der angesehensten europäischen Filmemacher

2009 bekam Ken Loach für den Film "Looking for Eric" eine Einladung nach Cannes zu den Filmfestspielen. Der Regisseur lebt jetzt in London, wo auch seine eigene Produktionsfirma "Sixteen Films" zu Hause ist. Gearbeitet hat er häufig mit dem Kameramann Barry Accroyd und dem Drehbuchautoren Paul Laverty, fast alle seine Werke werden seit der Zusammenarbeit im Jahre 1990 (im Thriller "Geheimprotokoll") von Rebecca O'Brien produziert, die selber 1995 mit dem europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde. Mit den Spielfilmen "The Wind That Shakes the Barley" (2006) und "I, Daniel Blake" (2016) gewann Ken Loach jeweils die Goldene Palme der Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Ein sehr schönes, vorgezogenes Geschenk nun so kurze Zeit vor seinem 80.Geburtstag. 

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