Mädchenfänger: Nichts für schwache Nerven!

Psychothriller mit realistischem Hintergrund

Bestsellerautorin Jilliane Hoffman widmet sich einem zeitgemäßen Thema: Dem Internet als teilweiser oder gar gänzlicher Ersatz für reale Kontakte. Ihr fiktiver Killer, der sich den Tarnnamen "El Capitan" verpasst, sucht seine Opfer gezielt auf Sozialen-Netzwerk-Seiten. Der ausgelegte Köder ist freilich nicht er selbst, sondern das Bild eines attraktiven Schuljungen, dem er eine falsche Identität verleiht. Sehr glaubhaft vermittelt er den auserwählten jungen Mädchen das Gefühl, mit einem begehrenswerten Teenager ihrer Altersgruppe zu plaudern, der ihre Sorgen und Ängste, aber auch Freuden und heimlichen Wünsche teilt und sie im Gegensatz zu ihrer eigenen Familie versteht und respektiert.

Kein Wunder also, dass die in ein Trugbild verliebten Mädchen "El Capitans" Drängen auf ein persönliches Treffen nachgeben. Dabei, so schildert Jilliane Hoffman im kalt-nüchternen Plauderton, kennt der vorgebliche "Junge" seine späteren Opfer bereits längst. Dank heimlich installierter Trojaner übernimmt er die Kontrolle über die Webcams ihrer Notebooks und beobachtet sie auf diese Weise, ohne dass sie es überhaupt bemerken. Die nötigen oder gewünschten Informationen bezieht er via ausgefüllter Profile und geschickter Fragetechniken in Chats. Gerade Teenager-Eltern könnten beim Lesen des Psychothrillers unangenehm berührt und verunsichert werden.

 

Ohne erhobenen Zeigefinger

Dankenswerterweise verzichtet die US-Autorin auf den erhobenen Zeigefinger oder gar die Dämonisierung des Internet. Auch wenn sie das Thema plakativ zuspitzt, verliert sie nie den Thrilleraspekt aus dem Auge und zeichnet das Bild einer Technologie, die wie jede andere auch sowohl zum Guten, als auch zum Bösen hin verwendet werden kann. Verantwortungsbewusster Umgang muss vor allem von den Eltern gelehrt werden.

Bereits auf den ersten Seiten schildert Hoffman sehr glaubwürdig und nachvollziehbar die innerliche Zerrissenheit des späteren Entführungsopfers Lainey, die einerseits ein gutes Mädchen sein möchte, andererseits innerhalb der festen Konventionen der Familie zu ersticken glaubt, ihren Stiefvater hasst und von ihrem kleinen Bruder ständig geärgert wird. Anstatt die 13-jährige als dummes, naives Gör eindimensional zu charakterisieren, gesteht ihr die Autorin eine komplexe Persönlichkeit zu, die das liebenswerte Mädchen zum idealen Opfer macht.

 

Klischeehaft, aber spannend

Weitaus klischeehafter werden die weiteren Protagonisten abgehandelt, allen voran FBI-Agent Bobby Dee, der durch einen Schicksalsschlag persönliches Interesse an dem Fall hegt. Auch der Entführer und Serienkiller wird mit dem groben Pinsel gezeichnet. Seine Motive bleiben im Dunkeln verborgen, was spätestens seit Thomas Harris' "Hannibal Lecter"-Serie zumindest ungewöhnlich ist.

Dem insbesondere zu Beginn enorm spannenden Psychothriller geht gegen Ende hin ein wenig die Puste aus, womit er in einem vorhersehbaren und wenig aufregenden Showdown mündet. Die ganz große Überraschung will sich nicht einstellen, auch wenn noch ein paar Plotwendungen aus dem Ärmel geschüttelt werden. Ein konsequent fieses Ende war für die Bestsellerautorin wohl undenkbar. Schade eigentlich, fehlt doch damit dem Pageturner die richtige Würze, um ihn weit übers Mittelmaß hinauszuheben.

Spannend geschrieben ist "Mädchenfänger" aber allemal, sodass sich der Thriller als ideale Urlaubslektüre empfiehlt.

 

Daten & Fakten

Originaltitel: "Pretty Little Things"

Autor: Jilliane Hoffman

Veröffentlichungsjahr: 2010

Seitenanzahl: 464 Seiten

Verlag: Wunderlich

Offizielle Website:www.jillianehoffman.com

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