Mit achzig Jahren den ersten Roman
Prof. Dr. Joseph Dehler hat uns schon öfter mit seinen Büchern überraschtFremdgelenkt (Bild: Edition Bodoni)
Schreiben mit Ladehemmung
So schreibt es Joseph Dehler, der uns bisher mit diversen Satireschriften über den Politikbetrieb amüsiert hat. Nun soll mit FREMDGELENKT ein weiteres Werk folgen. Doch der Autor hat, wie er selber zugibt, Ladehemmung, den bereits 2000 begonnenen Roman fortzuschreiben. – Er findet sprachlich den Anschluss nicht mehr. Abgesehen davon, dass in diesem Fall der Zeitabstand zum Fortschreiben des Romans sehr groß war, passiert das vielen Schreibenden und so gibt er uns auch einen Einblick in die nächtlichen Nöte dieser Zunft. "Gudrun Pausewang ließ jedoch nicht locker. Noch einmal, ein paar Monate vor ihrem Tod im Jahr 2020, versprach ich ihr, die Geschichte so bald als möglich zu vollenden und zu publizieren."
Unter dem Aspekt ‚Versprochen ist versprochen‘ startet er hernach neue, doch leider wiederum glücklose Versuche, weiterzuschreiben. Bis er die zündende Idee hat, den Roman in zwei Teilen zu veröffentlichen und damit einen sprachlichen Schnitt zu wagen. … Im ersten Teil des Romans erscheint nun das Manuskript so, wie es im Wesentlichen bereits im Jahr 2000 fertiggestellt war.
Nun, worum geht es denn in der Geschichte eigentlich?
"Urplötzlich war er wieder da. Ein bizarres Raunen ging durch den Saal. Köpfe reckten sich. Gläser wurden abgestellt. Bestecke fielen nieder. Freudenpfiffe rauschten durch Schloss Grabensee. Die Teilnehmer des Kongresses ‚Geltungssucht in Politik und Gesellschaft‘ waren außer sich. Die meisten von ihnen erhoben sich von ihren Plätzen und klatschten ihm ausgiebig entgegen. An diesem Abend hatte niemand mehr mit ihm gerechnet."
Aha, versteht der geneigte Leser, es geht also um den Herrn Paul Engelmann: "Paul Engelmann hatte den Roten Salon über den Notausgang seines Büros betreten. – Ihm zur Seite sein persönlicher Referent Hermann Knispel. Er starrte regungslos in die Weite des Raumes. Nichts, aber auch gar nichts erinnerte ihn in diesem Moment an die im Senatssaal seiner Akademie sonst so langweilige Stimmung an den mit Akten und Schreibwerkzeug beladenen Tischen. Wenn nicht die protzige Holzkassettendecke, die mit wuchtigen Fürstenporträts aus der Blütezeit der Barockarchitektur behangenen weinroten Wände und der majestätische Kronleuchter an seinen lädierten Augen vorbeigehuscht wären, hätte er genauso gut in seiner über alles geliebten Frankfurter Batchkapp sein können. Noch nie war Engelmann im konservativen Hamstein derart umjubelt worden."
"Geltungssucht in Politik und Gesellschaft", ein zündendes Thema
"Geltungssucht in Politik und Gesellschaft", ein wahrhaft zündendes Thema im von Eitelkeiten durchzogenen Politikbetrieb. Klar, dass Joseph Dehler da mitreden kann. So erfahren wir im Klappentext ein wenig von seiner unglaublich vielfältigen Laufbahn:
"Joseph Dehler war nach handwerklicher Berufsausbildung, dem 2. Bildungsweg und langer Zeit in Forschung und Lehre viele Jahre Rektor der Hochschule Fulda und Regierungsbeauftragter für Innovations- und Technologieentwicklung in Hessen. – In entsprechenden Funktionen war er später auch für die Bundesregierung und das Bundesland Sachsen-Anhalt tätig, hernach, bis heute, als unabhängiger Politikberater. Mit einem sozial-ökologisch orientierten Programm kandidierte er 1998 für die demokratische Opposition von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Christliche Wählereinheit CWE sowie mit Unterstützung der FDP zum Oberbürgermeister in der CDU-Hochburg Fulda.
Zudem engagiert er sich seit über 50 Jahren in der Umwelt-, Friedens- und Regionalbewegung.
Paul Engelmann ist auch so einer. Der doch im Grunde seines Herzens ein bisschen eitel ist und die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sehr genießt: "Als der Beifallssturm nicht enden wollte, applaudierte Engelmann den Anwesenden so lange entgegen, bis im Saal völlige Ruhe eingekehrt war. Gleichzeitig brach der Tontechniker den Song von Hans Hartz ‚Was bleibt, sind die Politiker‘ ab und drückte dem Präsidenten das drahtlose Mikrofon in die Hand."
Eine spannende Lektüre, die genau zum rechten Zeitpunkt erscheint
Die spannende Geschichte nimmt nach heftigen Auseinandersetzungen mit seinem Minister, einer Auszeit im Kloster und einigen Liebschaften ihren unvorhergesehenen Lauf. Und so bleibt nur ein Vorgriff auf den Ausblick auf den zweiten Band: "Die Hamsteiner Oppositionsparteien schließen sich zum Wahlbündnis ‚Gemeinsam für ein bürgernahes Hamstein‘ zusammen und küren Engelmann zu ihrem gemeinsamen Oberbürgermeister-Kandidaten. Daraufhin ist die Deutsche Barock Partei DBP fassungslos, weil damit die von ihr angedachten Koalitionspartner von der Schippe gesprungen sind. Der Wahlkampf läuft hernach sofort auf Hochtouren. Schon zu diesem Zeitpunkt ist Paul Engelmann nicht mehr zu bremsen. Er fühlt sich provoziert und will einen unerbittlichen Wahlkampf führen. Jegliche Bedenken seiner Freunde, aber auch seine eigenen Restzweifel, schlägt er in den Wind."
Und natürlich kann der geneigte Leser aus dem vorher angesprochenen Lebenslauf von Joseph Dehler erahnen, dass der dort auch seine eigenen Erfahrungen mit einbringt. Eine spannende Lektüre, die genau zum rechten Zeitpunkt erscheint.
Joseph Dehler
Fremdgelenkt – Im Strudel von Macht und Liebe
ISBN 978-3-947913-49-7
228 Seiten, 24,00 Euro
edition-bodoni.de