Mit nepalesischen Schamanen auf Pilgerfahrt

Nepaltrecking

 

Es ist wohl eine sehr ungewöhnliche Konstellation, in der wir im April 2010 zu den heiligen Bergen der Schamanen wanderten.
Gemeinsam mit der Anthropologin Gabriele Tautscher aus Wien, dem Schamanen Myingmar Sherpa und seinem Helfer und uns, einer Gruppe von 9 interessierten Menschen aus Österreich und Deutschland.

 

Ungewöhnlich, weil uns die 2 Schamanen auf einem 7 tägigen Trek zum heiligen Berg  Kalinchok und zum Götterfelsen Deodunga begleiteten.
Auf 3850 Metern Höhe zelebrierten sie die Anrufung und die Opferung für ihre Göttinnen und Götter und wir waren Teil der Zeremonien und des gemeinsamen Trekkings.

Für mich persönlich hat es das Verständnis für den Schamanismus wesentlich erweitert und in vielen Bereichen auch korrigiert.

Das blinde Land

Im Westen Nepals liegt in einer abgelegenen Bergregion das Land der Magar. Sie leben (noch) in einer alten Tradition mit schamanischen Wurzeln.

Sie selbst nennen ihr Land das Blinde Land.

 

Michael Opitz hat über sie und mit ihnen einen unglaublichen Dokumentarfilm gedreht, den sie sich unbedingt einmal anschauen sollten, so sie Gelegenheit dazu haben!

Hier ein Interview mit Michael Opitz

 

 

Pilgern im Blinden Land
Pilgern im Blinden Land

Pilgern im Blinden Land

Der Schamanentempel

Bevor wir mit "unseren" Schamanen auf Pilgerreise gingen, haben wir uns über den nepalesischen Schamanismus informiert.
Eine 2 tägige Begegnung mit Mohan Rai, dem bekanntesten Schamanen Nepals, eröffnete uns die Götter und Geisterwelt des Schamanismus in Nepal.

Unser Trek sollte uns zu den heiligen Plätzen der Schamanen bringen.
Einer davon ist der Schamanentempel in Patan.

Es gibt 3 wichtige Pilgerorte für die Schamanen aus Nepal.
Der wichtigste ist der Kailash, seine Umrundung ist sozusagen die Nummer 1

Dann kommt schon der Kalinchok. Dort versammeln sich Schamanen zum Augustvollmond, um ihr wichtigstes Ritual zu zelebrieren.

Wer aus welchen Gründen auch immer, es nicht dorthin schafft, kommt zumindest einmal im Jahr zum Schamanentempel!

Schamanentempel

Schamanentempel

Der Dorfschamane

In der Nähe von Dhulikel besuchten wir einen Dorfschamanen.

Kennen sie den Film "Schamanen im blinden Land"?
Wenn nein, dann sollten sie sich diesen Film unbedingt einmal anschauen. Er ist eine 4 stündige Dokumentation über den nepalesischen Schamanismus.
Das "blinde Land" liegt ca. 100 km westlich unserer Reiseroute.

Ich hab den Film vor 20 Jahren das erste mal gesehen und der Besuch beim Dorfschamanen war wie ein eintauchen in diesen Film!

Der Schamane lebt unter äußerst ärmlichen Bedingungen, auch für nepalesische Verhältnisse.
Da ist nichts von romantisierender Einfachheit.
Es ist ein knochenharter Job, den der Schamane für sein Dorf leistet.
Mit seiner kleinen Landwirtschaft hält er sich und seine Familie über Wasser, allerdings nur, wenn alle mithelfen, auch die Kinder.

Das Nachts erledigt er seinen Hauptberuf, die Seelenrückholung von kranken Personen aus dem Dorf oder der Umgebung.
Für eine Handvoll Reis oder ein paar Rupien leistet er Schwerstarbeit.

Mit der Trommel geht er in Trance, viele Stunden lang, geht in die Sphäre der Götter und Geister und jagt die verlorene Seele, wenn er sie erreicht, zurück in den Körper des Kranken.
Wenn die Kranken ihn rufen, dann muss er kommen und er kommt!

Seine Klienten können mitlerweile sehr genau unterscheiden, wofür ein Schamane "gut" ist und wofür die westliche Medizin.
Diese ist allerdings für die meisten kaum leistbar.
Der Schamane schon!

Dank sei ihm dafür.

Dorfschamane

Dorfschamane

Auf den Kalinchok

Am ersten Tag unseres gemeinsamen Trekkings mit den Schamanen gingen wir ca. 1000 Höhenmeter auf eine Alm am Fuße des Kalinchok. In der Früh hatte es 5 grad Minus und wir mußten uns auch an die ungewohnte Höhe gewöhnen, da wir schon über 3000 Meter waren.

Kurz nach Sonnenaufgang bereiten wir uns auf den Aufstieg zum Kalinchok vor.
Die Schamanen beginnen den Tag mit der Anrufung und der Vorbereitung zur Zeremonie auf dem heiligen Berg.

Sie zünden Räucherwerk an und trommeln, rufen die Geister und bitten um den Segen für den Aufstieg auf den heiligen Berg.

Ritualvorbereitung

Ritualvorbereitung

Trommelnd auf den Berg

Myingmar Sherpa trommelnd beim Aufstieg zum Kalinchok.

Über 800! Höhenmeter


Das Trommeln während des Gehens war ihre Form der Annäherung an den heiligen Berg und die Göttin Kali und war damit Teil der gesamten Zeremonie!

Wenn im August zu Vollmond hunderte Pilger und Schamanen gemeinsam den Berg besteigen, um ihr größtes Fest zu feiern, dann ist das mit Sicherheit eine beeindruckendes Ereignis für alle Beteiligten.

Michael Opitz über Schamanismus
Ritualtrommel

Ritualtrommel

Am Heiligtum

Auf dem Berg sind um das Heiligtum, eine Quelle mitten auf dem Berg, tausende Glocken und Dreizacke aufgehäuft, die Pilger auf den Berg gebracht haben.
Hier vollzieht der Schamane das Ritual mit Räucherwerk und Trommel.
Dabei dürfen die weltlichen Pilger durchaus mittrommeln, tanzen und singen.

Schamanen am Kalinchock

Schamanen am Kalinchock

Im Hintergrund die 8000der.

Das Opfer

Das Opfer für Kali Mai, die Göttin, ist ein Blutopfer.
Der Ziegenbock wurde mit viel Mühe über zwei Tage auf den Berg getragen und hier an dieser Stelle geopfert.

Aus Sicht der nepalesischen Schamanen ist das absolut wichtig, da, wer nichts gibt, auch nichts bekommt!
Das Ritual hätte keine Kraft ohne das Opfer.
Am Abend in unserem neuen Zeltlager haben wir das Opfertier dann gemeinsam feierlich verspeist.

Na gut, nicht alle!

Diese archaische Form des Schamanismus hat nichts zu tun mit den Seminar-Schamanen der westlichen Welt.
Leben und Tod sind in Nepal noch viel enger verbunden und überall sichtbar.
Der Schamane macht keine Selbsterfahrungsausbildung sondern ist ein Berufener, der nur zu oft, am Anfang, aus dieser Berufung flüchten möchte, doch seine Geister sind stärker.

Die Göttin Kali ist die Mächtigste und sie können es mir glauben, die Energie war wie ein Wirbel um mich!

Opfer

Opfer

Die Segnung

Die Segnung ist der Höhepunkt des Rituals.
Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhalten vom Schamanen das Zeichen auf die Stirn.

Ein wirklich würdevoller und konzentrierter Augenblick in einer unglaublichen Szenerie.

Segnung

Segnung

Zum Deodunga

Vom Kalinchok sind wir über den Bergkamm entlang zum Pass Tingsangla gegangen (2 Tage)
Weiter ging der Trek bergab zum Nonnenkloster Bigu Gompa.
Dort in der Gompa gab es eine große 2 stündige Zeremonie für den Erfolg unserer Pilgerreise.

Wir wollten dann an einem Tag hinauf zum Götterfelsen Deodunga, aber da hatten wir uns wohl überschätzt.
Wir übernachteten auf einer wasserlosen Alm inmitten der blühenden Rhododendron Urwälder.

Hier ein Link dorthin! Unglaublich schön! Blühende Rhododendron Wälder

Von unserem nächtlichen Zeltlager geht es nochmal 800 Meter hinauf zum Götterfelsen.
Wir sind um 7.00 Uhr losmaschiert, um nicht in die Mittagshitze zu kommen, die auch auf knapp 4000 Metern noch heftig und schweißtreibend ist.

Die Schamanen haben eine kleine Zeremonie gemacht, ihre Ritualgewänder angelegt und werden jetzt die gesamte Wegstrecke trommeln!!

Zum Deodunga

Zum Deodunga

Altar und Trommel

Na ja, mein Ego ist wohl noch nicht so weit, aber es war mir ein Bedürfniss, gemeinsam mit dem Schamanen zu trommeln.
Wir sind direkt vor dem Altar am Deodunga, der Schamane ist dabei, sein Ritual zu gestalten und wie immer ist er konzentriert und freundlich.
Ich bin ihnen für ihre unglaublich offene Art, Rituale zu gestalten und alles und jeden einzubeziehen, sehr dankbar.
Bei vielen anderen Schamanen, die ich kennenlernen durfte, wäre das unmöglich gewesen

Altar und Trommel

Altar und Trommel

Der Lebensbaum

Die Pilger tragen oft einen Lebensbaum auf die heiligen Berge und befestigen an ihm die Gebetsfahnen.
Ich hab mir auf der Alm einen Stock aus dem Holz des roten Rhododendron geschnitzt und auf den Berg getragen.

Es ist meine Art Danke zu sagen an die Mutter Erde.

Im Hintergrund sieht man die schneebedeckten Berge des Himalaya, obwohl wir schon über 4000 Meter hoch sind, direkt an der Grenze zu Tibet.

Lebensbaum

Lebensbaum

Nepal Links

Rhododendron in Nepal

Der Rhododendron Urwald

Rhododendron in Nepal

Ahnengalerie

Auf unserem Weg zurück vom Deodunga in die Zivilisation sind wir am Haus der Schamanen vorbeigekommen.
Wir haben sie sozusagen nach Hause begleitet und waren kurze Zeit ihre Gäste.

Sie leben in einem typischen nepalesischen Haus mit ihren Frauen und Kindern.
Für mich war es sehr schön, die beiden auch in ihrer alltäglichen Umgebung zu sehen.

Am Eingang hängt die Ahnengalerie mit den berühmten schamanischen Vorfahren.
Alle Teilnehmer/Innen der Pilgerreise bekamen dort noch ein persönlich gestaltetes Kraftgeschenk.

Vielen Dank nochmal!

Ahnengalerie

Ahnengalerie

Der Altar des Schamanen

Dieser Altar befindet sich im Haus vom Myingmar Sherpa.
Er hat das Fotografieren ausdrücklich erlaubt!

Hausaltar

Hausaltar

Die Reisegruppe

Hier die Reisegruppe mit den Sherpas, den Schamanen, Gabriele Tautscher und "uns"!

An dieser Stelle nochmals vielen Dank an ALLE Teilnehmer und Teilnehnerinnen, Sherpas, Träger und Schamanen für diese ungewöhliche und eindrucksvolle Reise.

Die Welt ist im Wandel, höre ich die Stimme aus dem Herrn der Ringe!

Noch nie ist mir das so deutlich geworden, wie bei dieser Reise
Die Globalisierung wird in kürzester Zeit viel von dem, was ich gesehen habe verändern. Zum Guten oder zum Schlechten.

Noch gibt es ca. 17000 Schamanen/innen in Nepal, aber die Jugend ist schon auf einem anderen Tripp. Wieviele werden in die Fußstapfen ihre Vorfahren treten und die Welt der Schamanen erhalten?

Einige haben den Zug der Zeit schon bestiegen und bieten schamanische Seminare an, es bleibt zu hoffen, das der nepalesische Schamanismus genügend Kraft hat, um den "Segnungen " der Seminarkultur die Lebendigkeit eines gelebten Schamanismus entgegenzusetzen.

Reisegruppe

Reisegruppe

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"cultures-connect" bietet Reisen mit speziellen Schwerpunkten an.

Wir wollen interessierten Menschen die Möglichkeit bieten, unterschiedliche Lebenswelten, Projekte und Personen mit besonderem lokalem Wissen kennenzulernen. Austausch ist für uns dabei wesentlich. Es geht nicht darum "exotische" Kulturen zu konsumieren.

Wir wollen verantwortungsvolles Reisen fördern und die Menschen der bereisten Regionen direkt teilhaben lassen, indem wir auch unterschiedliche Projekte unterstützen."

Kontaktadresse:   Cultures Connect

bernd49, am 12.11.2012
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Bildquelle:
Reisefieber (Die heilige Kuh in Indien)

Autor seit 15 Jahren
136 Seiten
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