Immer wieder liest oder hört man von Gewaltexzessen in Familien. Kinder werden gequält oder in solch extremer Form vernachlässigt, dass sie an den Folgen einer solchen Behandlung sterben. Tausende von Frauen flüchten jedes Jahr in sogenannte "Frauenhäuser", weil sie die Gewaltausbrüche ihrer Ehemänner nicht mehr ertragen oder gar um ihr Leben fürchten. Leider werden in den letzten Jahren immer öfter Fälle aufgedeckt, in denen Gewalt gegen ältere Angehörige das Thema ist. Die Erfahrung zeigt, dass die in Statistiken genannten Zahlen solcher Vorkommnisse nicht annähernd stimmen und die Dunkelziffer solcher Gewalttaten um ein Vielfaches höher liegt. Was kann einen Menschen dazu bewegen, gegen die, die er doch am meisten lieben, respektieren und beschützen sollte, mit Gewalt vorzugehen?

Misshandlung von Ehepartnern/Ehepartnerinnen

Zu Gewalt in der Ehe (hierzu zählt auch die Vergewaltigung der Partnerin bzw. des Partners) kann es in allen Gesellschaftsschichten kommen.

Dennoch hat sich gezeigt, dass solche Exzesse häufiger in sozial schwachen und isolierten Familien vorkommen, weil ihre Mitglieder aufgrund der nicht vorhandenen finanziellen Mittel weniger Freundschaften pflegen und ihre Freizeit nur sehr selten mit anderen Menschen verbringen, da ihnen das Geld für gemeinsame Unternehmungen fehlt. Dies führt zu einer Abkapselung nach außen. Dadurch erfahren diese Familien in Krisensituationen nur sehr wenig Unterstützung aus dem Freundes- und Bekanntenkreis.

In sehr vielen Fällen resultiert die Gewaltanwendung aus Konflikten zwischen den Ehepartnern. Ein hohes Gewaltrisiko ist vorhanden, wenn zumindest einer der Partner in seiner Entwicklung unreif ist, über eine niedrige Frustrationstoleranz verfügt und keine oder nur wenig Kontrolle über seine Gefühle hat. Zudem kommt es häufig zu Gewaltausbrüchen, wenn ein Partner durch starke Gefühlsschwankungen in seinem Verhalten labil ist, hypersensibel auf Kritik reagiert oder bei verbalen Auseinandersetzungen seinem Gegenüber aufgrund schwächerer Kommunikationsfähigkeiten nicht gewachsen ist.

"Erlernte" Gewalt sät nur wieder Gewalt

Worauf Verhaltensforscher immer wieder hinweisen, ist die Tatsache, dass vor allem Menschen zu Gewalt in Ehe und Familie neigen, die in ihrer Kindheit Gewalt in der eigenen Familie erlebt oder sogar selbst erlitten haben. Viele der heute gewalttätigen Partner sind in ihrer Kindheit selbst misshandelt worden oder mussten miterleben, wie einem Elternteil Gewalt zugefügt wurde. Aufgrund dieses "Vorbildes" ist Gewalt in der Familie für sie zu einer "Normalität" geworden und leider wird dem Beispiel solcher Eltern nur allzu oft nachgeeifert.

Gewalt aufgrund überholter, gesellschaftlicher Rollenbilder

In anderen Fällen kann es geschehen, dass die Autorität und Dominanz eines Partners über allen Bereichen des Familienlebens wie ein Damoklesschwert hängt. Leider wird von vielen Männern auch heute noch die Auffassung vertreten, dass ausschließlich sie in der Familie das Sagen haben. Deshalb greifen sie zu rigorosen Mitteln, sobald die Frau zu widersprechen wagt oder die männliche Autorität infrage stellt. Dieses Verhalten kann soweit gehen, dass der Mann davon ausgeht, die Frau sei sein Besitz. Aus diesem Grund sehen solche Männer keinerlei Problem in ihrer Gewalttätigkeit und Reue spielt für sie keine Rolle. Die Schuld für ihr eigenes Verhalten projizieren sie auf ihre Frauen und rechtfertigen sich auf diese Weise. Werden sie unter Alkoholeinfluss gewalttätig, ziehen sie den Alkohol für ihre mangelnde Selbstbeherrschung als Rechtfertigungsgrund heran. Ein gesellschaftliches Tabuthema ist es nach wie vor, wenn Frauen gegenüber ihrem Ehemann gewalttätig werden. Diese Fälle häuslicher Gewalt werden selten publik, weil die Opfer sich oft schämen. Ein Grund dafür ist wiederum das gesellschaftlich verankerte Bild, dass doch der Mann das starke Geschlecht ist und die Tatsache, dass der vermeintlich starke Mann von seiner Frau misshandelt wird, würde diese Rollenverteilung zunichte machen und das Opfer als schwach bloßstellen. Gewaltanwendung von Seiten der Frau kann Ausdruck von Selbstverteidigung sein oder ihre Ursache in bereits erwähnten Gewalterfahrungen in der eigenen Kindheit haben.

Gewalt gegenüber älteren Familienmitgliedern

Erst seit einigen Jahren ist öffentlich bekannt geworden, dass es in Familien immer wieder auch zur Gewalt gegenüber älteren und/oder pflegebedürftigen Angehörigen kommt. In solchen Fällen ist erkennbar, dass die Täter häufig unter Persönlichkeitsstörungen leiden, unreif sind und über wenig Selbstkontrolle verfügen. Personen, die gegen ältere Familienangehörige gewalttätig werden, sind sehr häufig unsicher, wenig belastbar, impulsiv, leicht erregbar und nicht selten intolerant. Pflegende sind zwar oft guten Willens, sind allerdings nicht vertraut mit Vorgängen während des Alterungsprozesses und halten deshalb störende oder auffällige Verhaltensweisen, die aus altersbedingten psychischen Störungen wie Demenz oder Depressionen resultieren, für absichtliche Provokation oder Schikane. Aufgrund von Missverständnissen und ihrer eigenen Unkenntnis reagieren sie dann sehr oft gewalttätig.

Sexueller Missbrauch oder Inzest gegen Kinder

Ein immer noch zu oft tabuisierter Fall von familiärer Gewalt ist der Missbrauch von Kindern innerhalb der Familie. Fast immer sind Mädchen das Opfer sexueller Gewalt durch Angehörige. Über 90 Prozent der Täter sind männlichen Geschlechts. Mehr als erschreckend ist die Tatsache, dass in ca. 80 Prozent der Fälle die Opfer den Täter kennen, weil er zur eigenen Familie gehört oder mit ihr zumindest eng befreundet bzw. bekannt ist. Tatort solcher Übergriffe ist fast immer das Zuhause des Opfers oder die Wohnung des Täters. Leider haben Untersuchungen gezeigt, dass sehr oft die eigenen Väter oder Stiefväter ihre Kinder missbrauchen. Ursache solcher Übergriffe sind oft psychische Störungen der Täter, die sich auf den Geschlechtstrieb konzentrieren. Auch sexueller Missbrauch kommt quer durch alle Gesellschaftsschichten vor und erstreckt sich in den allermeisten Fällen über Monate oder gar Jahre.

Es gibt viele Hilfsangebote für Opfer familiärer Gewalt

Inzwischen können sich Opfer von familiärer Gewalt bei vielen Institutionen Hilfe holen. Sowohl Frauen als auch Kinder müssen nicht mehr alleine mit erlebter Gewalt klarkommen. So gibt es fast überall Frauenhäuser und der Kinderschutzbund oder die Kindernothilfe bieten ihre Unterstützung an. Trotz zahlreicher Anlaufstellen liegt es aber auch in der Verantwortung jedes einzelnen Bürgers, wachsam zu sein und im Notfall einzuschreiten, denn jeder Schlag und jede, durch sexuellen Missbrauch, geschundene Kinderseele ist zu viel.

Autor seit 13 Jahren
212 Seiten
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