Ist der Mohr im Hemd rassistisch ungehemmt?

Die Interessensvereinigung "SOS Mitmensch" brachte den Ball - oder vielmehr Kuchen, wie im Falle der Süßspeise "Mohr im Hemd" - ins Rollen und erklärt ihre lauteren Absichten in Hinblick auf angeblich rassistische Speisen unter anderem wie folgt:

Diskriminierend sind Gruppenbezeichnung, die von den betroffenen Menschen abgelehnt werden.

Hierbei ergibt sich bereits das erste Problem: Wieviele "betroffene" Menschen müssen sich beleidigt fühlen, damit es sich um Diskriminierung, wie angeblich bei der Süßspeise "Mohr im Hemd" handelt? So gut wie jede Äußerung, jeder Gegenstand, jede Handlung kann als diskriminierend, beleidigend oder zumindest kränkend ausgelegt werden.

 

Sexismus allenorts?

Nehmen wir exemplarische ein beliebiges Werbesujet her, auf dem eine hübsche junge Frau irgendein Produkt anpreist. Ob diese Werbung als frauenfeindlich und sexistisch, erotisch oder ärgerlich klischeehaft eingeschätzt wird, liegt im Auge des Betrachters. Aus der persönlichen Empfindung "Ich finde dieses Plakat frauenfeindlich!" die Schlussfolgerung "Ich spreche für alle Frauen, wenn ich es frauenfeindlich finde!" zu treffen, ist natürlich absurd.

Nicht nur deshalb, weil es sich um subjektives Empfinden handelt, sondern auch, weil sich die Betrachterin zur Sprecherin einer ganzen Menschengruppe aufschwingt, wie es insbesondere beim radikalen Feminismus Usus ist. Leider leben wir in einem System, das es mittels Lobbyismus ermöglicht, die eigenen Ansichten allen anderen aufzudrücken, selbst wenn man gegen den ausdrücklichen Wunsch einer Mehrheit agiert, etwa im Falle des Verbots von Glühbirnen.

Aus Bebilderungen oder Bezeichnungen mag Geringschätzung, Sexismus oder eben Rassismus sprechen. Die Konnotation entsteht hierbei stets beim Rezipienten, wie auch "SOS Mitmensch" folgerichtig erkennt:

Viele ÖsterreicherInnen verbinden nichts Negatives mit Begriffen wie "Mohr" oder "Zigeuner" oder "Indianer". Allerdings sind alle diese Begriffe zu einer Zeit eingebürgert worden, als die Menschen, die mit diesen Begriffen bedacht wurden, nicht als vollwertige und manchmal sogar als gar keine Menschen anerkannt waren.

Gewollte "Missverständnisse"

Jede lebende Sprache ist ständigen Veränderungen unterworfen. Entsprechend können sich auch Bedeutungen verändern, wofür gerade der Mohr ein wunderbares Beispiel ist. Das Logo der berühmten Kaffeerösterei Meinl etwa ziert ein stilisierter Mohr. ganze Generationen wuchsen mit dem Mohrenkopf (die österreichische Variante heißt übrigens ganz martialisch "Schwedenbombe") heran, der inzwischen Schokokuss heißt, und der österreichische Mohr im Hemd ist eine klassische Süßspeise.

 

Zigeunerschnitzel rassistisch?

Ebenso erfreuen sich das Zigeunerschnitzel oder der Indianer mit Schlag großer kulinarischer Beliebtheit. Ist nicht die positive Besetzung dieser Begriffe im Gegenteil erfreulich und zeugt von Respekt? Die Kritik wäre nachvollziehbar, würde man im modernen Sprachgebrauch die Begriffe Mohr oder Indianer pejorativ besetzen, also etwa in Zusammenhang mit Unrat, was aber nicht der Fall ist.

 

Die Sache mit der "Menschenwürde"

Wiederholt wird auf besagter Website mit der "Menschenwürde" und dem "Respekt" argumentiert; beides wiederum dehnbare Begriffe, was die Auseinandersetzung mit ihnen umso schwieriger macht. Denn seit jeher ist die Sprache ein mächtiges Instrument, deren Deutungshoheit Macht bedeutet und als Gradmesser individueller Freiheit dienen kann. Wenn von Amts wegen geschlechtsneutrale Sprache vorgeschrieben wird, was zur absurden Situation führt, dass in Stelleninseraten geschlechtsneutral formuliert werden muss, selbst wenn ausdrücklich ein Mann oder eine Frau gesucht wird, wenn das liebevolle "Fräulein" von FeministInnen bekämpft wird, wenn anstelle klarer Sprache schwammige Ausdrücke wie "soziale Gerechtigkeit" verwendet werden, dann ist die sprachliche Entmündigung voll im Gange.

Längst geht es nicht mehr darum, was das Gegenüber meint, sondern darum, was es meinen könnte. Schwärmt ein Fußballfan nun davon, wie der Stürmer seiner Lieblingsmannschaft ein Tor geschossen hat, so könnte man dies natürlich als Bekenntnis auffassen, dass sich besagter Fan unterschwellig als Leser eines Nazi-Hetzblattes und latent militaristisch outet.

Wer Faschist ist, bestimmt der Gutmensch!

Es nimmt deshalb wenig Wunder, wenn sich Politiker in ihren Reden winden, um nur ja kein missverständlich auszulegendes Wort auszuspucken. Dabei stellt die Sprache nicht einfach bloß irgendeine Kommunikationsform dar, sondern den Grundstein jeglicher Zivilisation. Es ist die Sprache, die uns Menschen vom Tier abhebt; es ist die Sprache, die unsere Auffassung von der Welt definiert; es ist die Sprache, die der Welt erst Form, Farbe und Ausdruck verleiht. Gerade deshalb sollte man sich sprachlichen Einschränkungen verweigern, wenn sie sich im Mäntelchen der Gerechtigkeit tarnt.

 

Totschlagkeule Faschismusvorwurf

In schönster paternalistischer Manier wird die einzige noch vorhandene Festung des Individuums sturmreif geschossen: Die Gedanken. Wer seinen Gedanken nicht frei Ausdruck verleihen darf, lebt in einer unfreien Gesellschaft. Daran gibt es nichts zu rütteln oder zu relativieren, wie es im Zuge der entlarvenden Parole: "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" geschieht. Denn: Was Faschismus ist, lässt sich fast beliebig definieren. Es nimmt deshalb wenig Wunder, wenn der Faschismusvorwurf in nahezu jeder politischen oder gesellschaftlichen Debatte unweigerlich auf dem Tapet landet.

 

"Ich spreche für eine gesamte Gruppe!"

Weitaus ärgerlicher ist freilich die Unart, sich selbst wie eingangs erwähnt zum Sprecher einer Menschengruppe zu erklären. Zu Recht wird kritisiert, wenn alle Menschen muslimischen Glaubens als "die Moslems" über einen Kamm geschert werden. Gleichzeitig wird kein Problem darin gesehen, "als Frau" im Sinne "der Frauen" zu sprechen. Oder für "die Schwarzen". Oder "die Österreicher", wiewohl ich keinen Parlamentarier oder den Herrn Bundespräsidenten damit beauftragte, für mich zu sprechen. Offenbar ist es mit dem "mündigen Bürger" nicht weit her, wenn dieser seine Stimme höchstens in Form eines Kreuzes auf einem vorab ausgefüllten Zettel abgeben darf.

Lächerliche Diskussion: Mohr im Hemd

Oder anders gefragt: Wie vorurteilsbehaftet und anmaßend muss man eigentlich sein, um etwa den Mohr im Hemd als Ausdruck von Rassismus erkennen zu wollen? Rassismus und Verletzung der Menschenwürde findet nicht in einer Süßspeise oder einem Firmenlogo Ausdruck, sondern dort, wo Menschen an Leib und Leben bedroht werden.

Nur: Sich für diese tatsächlich Bedrohten, Unterdrückten, Verfolgten oder Versklavten einzusetzen, ist weniger bequem und weitaus gefährlicher, als sich im Europa der Gegenwart mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Speisebezeichnung rassistisch sei. Das erfordert schließlich nicht den geringsten Mut, ganz im Gegensatz dazu, wahrhaftig menschenverachtenden Ideologien Einhalt zu gebieten, die nicht vor 70 Jahren wüteten und längst Geschichte sind, sondern im Hier und Jetzt Tod, Verderben und Elend über ganze Landstriche bringen.

Darf man das eigentlich noch schreiben oder ist das schon rechtsfaschosexistisch?

Autor seit 13 Jahren
815 Seiten
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