Was tut ein Mülltaucher?

Nun, das liegt schon im Namen. Er taucht nach Müll.

Tauchen, ein Verb, das man normalerweise nur im Zusammenhang mit Schwimmbecken kennt, wenn man in eine große Menge Wasser springt, von welchem so reichlich vorhanden ist, dass es einen völlig umhüllt.

Ein ähnliches Bild entsteht, wenn man sich das Mülltauchen vorstellt. Ein Mensch springt, in welcher Ausrüstung auch immer, in einen großen Haufen Müll, indem er versinkt.

 

Und dort findet er Dinge, die ihm zum Leben reichen. Dinge, die auf dem Müll landen, weil sie woanders nicht mehr verwendet werden.

Die Bewegung der Mülltaucher entstand in den USA und stellt eine Rebellion gegen ein bestehendes System dar. Auch bei uns, wo etwa die Hälfte aller Lebensmittel weggeworfen werden, hat diese Lebensart Fuß gefasst. Die Menschen protestieren dagegen, dass in Europa eine solche Menge an Lebensmitteln auf dem Müll landen, mit der man alle hungernden Menschen dieser Welt versorgen könnte und dennoch etwas übrig bliebe.

Bei den Lebensmitteln in den Mülltonnen von Discountern handelt es sich keineswegs nur um Ware, dessen Verfallsdatum abgelaufen ist. Vielmehr ist es einfach zeit-, personal- und letztendlich auch kostensparender, ganze Paletten wegzuwerfen, wenn sie beispielsweise nicht mehr ins Sortiment passen, wenn eine neue Lieferung kommt oder wenn einzelne Teile davon nicht mehr schön anzuschauen sind. Die Mühe, Gutes auszusortieren und weiterzuverwenden, macht sich keiner. Tonne auf und weg damit! Die neue Lieferung steht schon im Lager. Besser zuviel eingekauft und die Hälfte weggeworfen als unzufriedene mäkelnde Kunden, die kurz vor Ladenschluss sonst nichts mehr bekommen würden.

Haben die es so nötig?

Wir haben das Glück, in einem Land zu leben, in welchem eine Grundversorgung an Nahrungsmitteln gesichert ist. Kaum jemand muss tagelang hungern.

Trotzdem sind gestiegene Preise dafür verantwortlich, dass so manch einer den Gürtel enger schnallen muss und auf günstigere Produkte zurückgreift. Aber Müll? Gibt es wirklich Leute, die es nötig haben, Dinge zu essen, die andere wegwerfen?

Nun, das ist eine Einstellungssache. Die wenigsten Mülltaucher leben mit ihrem Gehalt am Existenzminimum oder beziehen soziale Leistungen. Sie könnten sich den normalen Einkauf ihrer Lebensmittel durchaus leisten. Es ist ihnen vielmehr ein Anliegen, mit ihrem Verhalten auf die Missstände aufmerksam zu machen. Das Wissen, dass in den Abfallcontainern gute Ware liegt und die Welt gleichzeitig ein Hungerproblem hat, lässt sie täglich in die Müllcontainer steigen.

Ja, täglich: Denn sie nehmen kaum Vorräte mit, immer nur soviel, wie sie auch gerade verbrauchen können. Das unterstreicht ihre Handlung zusätzlich: Schließlich demonstrieren sie gegen das gedankenlose Verhalten in einer Überfluss- und Wegwerfgesellschaft und horten gerade deshalb selber nicht.

Verwandte Geisteshaltungen sind auch bei Aussteigern zu finden, die so "aus dem Geld" kommen wollen, das heißt, ihren Lebensunterhalt ohne Geld bestreiten wollen, um der kapitalistischen Gesellschaft zu entfliehen.

Auch Freeganer machen ihrer Kritik an der Wegwerfgesellschaft auf ähnliche Art und Weise Luft. Sie beteiligen sich so wenig wie möglich am Wirtschaftskreislauf. Dazu gehört für sie auch das Mülltauchen ebenso wie der Eigenanbau verschiedener Lebensmittel, die man bei der klassischen Selbstversorgung findet.

Mülltauchen - Eine Alternative für jedermann?

Theoretisch könnten viel mehr Menschen zu Mülltauchern werden. Es wird genug weggeworfen, dass jeder trotzdem noch etwas findet.

Die Container vieler Lebensmitteldiscounter sind voll mit Waren, die noch essbar und auch noch haltbar sind. Da die Läden die Lebensmittel weggeworfen haben, liegt der Schluss nahe, dass man sich da ruhig bedienen kann, denn es wird ja anscheinend sowieso nicht mehr gebraucht und bereits für die Müllabfuhr und das Müllheizkraftwerk beiseite gelegt.

Aber so einfach ist es nicht. Auch wenn für die Lebensmittel keine weitere Verwendung mehr vorgesehen ist, gehören sie dennoch dem Entsorger. Das heißt, Mülltauchen ist Diebstahl und somit strafbar.

Viele Mülltaucher machen sich daher erst nach Einbruch der Dunkelheit und mit Taschenlampen auf den Weg und versuchen natürlich, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen.

Resteverwertung ist das eine, kochen mit Müll das andere

Klar essen wir auch schon mal die Reste vom Vortag. Und natürlich kommt in den Eintopf alles rein, was schnellstens verbraucht werden muss. Allerdings handelt es sich dabei um Lebensmittel, die wir ganz normal im Laden gekauft haben und nicht um welche, die wir aus dem Container gefischt haben.

Zur leckeren Resteverwertung gibt es eine Vielzahl an Büchern und Ratgebern. Selbstverständlich geben diese keine Anleitung zum Mülltauchen (zur Straftat anstiften), sondern geben Tipps und Tricks weiter, wie man aus Resten noch sehr leckere Kreationen zaubern kann. Diese treffen aber auf alle Lebensmittelreste zu, egal ob sie in der eigenen Küche oder im Supermarkt anfallen.

Sonja, am 22.02.2013
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