Nordkoreanischer Film
Das nordkoreanische Kino liegt als Propagandainstrument fest in den Händen des Staates.Nordkoreanisches Kino: Eine Geschichte
Es ist nicht leicht, ohne Zugang zu allen Filmen, den entsprechenden Archiven, Unterlagen und beteiligten Künstlern und Bürokraten eine Filmgeschichte zu schreiben. Schönherr hat genommen, was er kriegen konnte. Zu vielen Filmen musste er sich notgedrungen mit Inhaltsangaben zufriedengeben. Dazu kommen Gerüchte vor allem über die Produktionsumstände, bei denen immer wieder der Rat des Präsidentensohnes und späteren Nachfolgers Kim Jong-il bei den Dreharbeiten und sein untrüglicher cineastischer Sachverstand hervorgehoben werden.
North Korea Cinema: A History |
Das Herzstück von Schönherrs Buch ist eine chronologische Filmgeschichte. Eingerahmt wird diese durch drei Kapitel, die ergänzend das Bild abrunden: Eine Art erweiterte Einleitung bildet ein Kapitel über das Pyongyang Film Festival 2000. Dann gibt es ein Interview mit dem italienischen Regisseur Ferdinando Baldi, der 1988 unter abenteuerlichen Umständen die Actionfilm-Coproduktion "Ten Zan – The Ultimate Mission" in Nordkorea drehte. Abschließend wird durch Interviews mit in Südkorea ansässigen Flüchtlingen die Kinozuschauerperspektive geliefert, wo man erfährt, dass die staatliche Propaganda längst nicht mehr beim Publikum ankommt. Man erfährt aber auch, dass das Künstlerdasein gefährlich und nicht lukrativ ist in Nordkorea. So mancher Drehbuchautor ist schon vor dem Erschießungskommando gelandet. Und nichtverheiratete Schauspieler, die untereinander eine Liebesbeziehung anfangen, können für den Fall des Ertapptwerdens gleich schon mal einen Platz im Arbeitslager buchen.
Um es vorwegzunehmen: "North Korean Cinema. A History" ist eine informative und gut lesbare Einführung in das Titelthema. Gleichzeitig kann man es aber auch lesen als Buch über die geistigen Leitlinien eines Staates, der nicht nur von außen betrachtet etwas seltsam und schwer verständlich wirkt. Mit den Filmen und diesem Buch versteht man ihn besser. Manchmal gleitet der Ton des Autors ins Ironische oder Sarkastische ab. Das geht auf die Dauer auch nicht anders bei dem Thema, vor allem, wenn man sich, wie Schönherr, schon durch Unmengen von nordkoreanischen Filmen gequält hat.
Propaganda Poster, Wonsan City, Democratic People's Republic of Korea (DPRK), North Korea, Asia (Bild: Gavin Hellier)
Die Gründungsmythen
Schönherr zeigt in seinem Buch sehr schön, wie das Kino von Anfang an dazu benutzt wurde, den Gründungsmythos Nordkoreas zu schaffen und zu verbreiten. Danach waren es nicht die Russen und die USA, die die japanischen Kolonisatoren aus dem Land getrieben haben, sondern ganz allein Partisanenführer Kim Il-sung mit seinen treuen Kämpfern. In "My Home Village" (1949) wird diese Story zu nationaler Geschichte geformt, die natürlich die Machtlegitimation von Kim Il-sung darstellte.
Der zweite Mythos entstand durch den Koreakrieg (1950-1953), den der Norden angefangen und fast schon gewonnen hatte, wären nicht UNO-Truppen unter amerikanischer Führung eingeschritten und hätten die Truppen des Nordens bis an die chinesische Grenze zurückgedrängt. Das wiederum konnten die Chinesen verständlicherweise nicht dulden, entsendeten Hilfstruppen und der Krieg wurde da beendet, wo er angefangen hatte: am 38.Breitengrad. In Filmen über diesen Krieg, und davon gibt es einige, ist es natürlich Kim Il-sung, der den teuflischen imperialistischen Feind aus eigener Kraft besiegt hat. Ob 1957 in "Orang River" oder noch 1993 in "An Unattached Unit", Bild und Botschaft sind immer gleich.
Korean War: B-29 Bombers (Bild: 8766813)
Kim Jong-il: Der große Filmproduzent
Wird über Kim Jong-Il geschrieben, wird nie vergessen, seine Filmleidenschaft zu erwähnen sowie seine riesige DVD-Sammlung. 1973 erschien sogar sein theoretisches Werk "On the Art of Cinema", das die nordkoreanischen Filmschaffenden an die Grundlagen ihrer Arbeit erinnern sollte. Aber tatsächlich veränderte er etwas und sorgte dafür, dass zumindest einige auch im Ausland zeigenswerte Filme gedreht wurden. Das gilt zunächst für ein paar der natürlich gleich "unsterbliche Meisterwerke" getauften Filme ab Ende der 60er. Dazu gehören unter anderem "Sea of Blood" (1968) und vor allem "Flower Girl" (1972), ein großes, poetisches und emotionales Epos, das 1972 nicht zu Unrecht einen Spezialpreis auf dem tschechoslowakischen Filmfestival in Karlovy Vara erhielt. Und auch wenn Kim Jong-il nicht in den Credits auftaucht, so meint Schönherr, dass man ihn durchaus als Produzenten dieser Filme bezeichnen könne. Dann kann man "Flower Girl" vielleicht als sein "Vom Winde verweht" bezeichnen.
On the Art of the Cinema: April 11,1973 |
Painting of Kim Jong Il and Kim Il Sung, Pyongyang, Democratic People's Republic of Korea, N. Korea (Bild: Gavin Hellier)
Shin Sang-ok: Unterhaltungsfilme
In den 80ern bekamen die Zuschauer auf einmal andere Filme zu sehen. Der koreanische Meisterregisseur Shin Sang-ok, der in seinem eigenen Land große Probleme hatte und sein Studio verloren hatte, hatte jetzt plötzlich im Norden ein eigenes Studio. Wie freiwillig das Ganze war, darüber wird laut Schönherr durchaus noch spekuliert. Es gibt Ungereimtheiten, jedenfalls sagte der Regisseur selbst, es war eine Entführung. Auch seine Ex-Frau, der Star Choi Eun-Hee, war nach eigenen Aussagen entführt worden. Auf Druck von Kim Jong-il mussten beide ein zweites Mal heiraten.
Sowohl unter Shin Sang-oks Führung als Regisseur als auch als Produzent entstanden Filme, die dem Publikum wirklich gefielen und die auch im Ausland erfolgreich waren. Sie waren insgesamt gewagter, sogar etwas erotisch, zeigten ausländische Drehorte. Mit Werken wie "Love, Love, my Love" (1984) wurde also Entertainment geboten. Shin Sang-ok ist auch für die Godzilla-Variante "Pulgasari" (1985), den international berühmtesten nordkoreanischen Film überhaupt, verantwortlich. Dass er nicht im Vorspann als Regisseur steht, liegt daran, dass er und seine Frau zu dem Zeitpunkt schon einen Besuch in Wien zu einer abenteuerlichen Flucht in die US-Botschaft genutzt hatten.
Es gab auch von seinem Genre-Stil beeinflusste Produktionen wie die unterhaltsamen Action-Filme "Order No. 027" (1986) und "Hong Kil Dong" (1985). Letzterer beispielsweise war nicht nur in Nordkorea ein Renner, in Bulgarien beispielsweise war er so erfolgreich, dass es schwer war, Karten zu bekommen. Die begeisterte und sehr nostalgische IMDB-Rezension stammt bezeichnenderweise auch aus diesem Land.
Ab Ende der 80er war dann aber nach und nach Schluss mit Entertainment. Das lag nach Schönherrs Ansicht nicht so sehr an Shin Sang-oks Flucht, sondern am Tauwetter in Osteuropa. Nordkorea verlor nach und nach seine kommunistischen Freunde und Verbündete an den Westen. Außerdem lernte Kim Jong-Il dadurch, dass Dialog mit dem Feind auf lange Sicht zum eigenen Untergang führen kann. Statt Freiheiten zu gewähren, wurden die Reihen geschlossen und wurde die Isolation verstärkt. Und wenn Entspannungspolitik betrieben wurde, dann ließ man sich dafür fürstlich bezahlen. Solch ein Klima wirkte sich natürlich nicht positiv auf die Qualität der Filme aus. Streifen wie "A Bellflower" (1987) sollten wieder für ideologische Festigkeit und Treue zu Staat und dem angestammten Kollektiv sorgen.
Korean Film Directors: SHIN Sang-ok | Split Screen Korea: Shin Sang-ok and Postwar Ci... |
Propaganda mit wechselnden Vorzeichen
Nordkoreanische Filme ähneln sich im Allgemeinen, sie sind keine Fundgrube für Ästheten oder Freunde von persönlichen Regiestilen. Es sind sehr konventionell gefilmte Werke mit eindeutiger, leichtverständlicher Botschaft. Aufgelockert werden sie durch einen Hang zu traditionell instrumentierten Liedern mit hübschen Melodien sowie bildlicher Poesie, die in Bezug auf die Natur sehr schön sein kann. aber in Bezug auf den Führerkult reiner und schwer erträglicher Politkitsch ist.
Die sich dabei, je nach den politischen Gegebenheiten und Erfordernissen, wandelnden Propagandaschwerpunkte arbeitet Schönherr chronologisch gut heraus. In den 60ern wurden unter dem Motto "Filme über das Thema der sozialistischen Wirklichkeit" einige sozialistisch-realistische Lehrfilme wie "The Spinner" (1963) gedreht, die begannen, die nordkoreanische Version des Stalinismus, die Juche-Ideologie, zu propagieren.
Diese Alltagsfilme sind heute noch sehr verbreitet. Hier sieht man meistens lächelnde Menschen aus dem perfekten Juche-Paradies, wie es sein sollte, mit kleinen Alltagsschwierigkeiten, die sich aber mit dem richtigen Bewusstsein lösen lassen. Manchmal gibt es auch Filme über verirrte Schafe, die aber bei ausreichendem Willen wieder reintegriert werden können. Das können verwöhnte Privilegierten-Kinder sein oder Jugendkriminelle. Dahinter steckten in der Wirklichkeit die Waisen der verheerenden Hungersnöte. Ein anderer Schwerpunkt ist das Militär, das durch die "Militär zuerst"-Politik von Kim Jong-il nicht nur in Kriegsfilmen die Leinwand eroberte. Propagiert werden das harmonische Leben beim Militär und die Rolle, die die Streitkräfte für den Atomstaat Nordkorea auch im zivilen Leben spielen. Immerhin handelt es sich um die viertgrößte stehende Armee der Welt.
Large Mansudae Statue of Kim Il Sung, P'Yongyang, North Korea (Bild: Tony Wheeler)
Die neuesten Produktionen auf der Filmwoche
Wie erwähnt konnte man auf der Filmwoche drei Filme von 2012 sehen. Der Eröffnungsfilm "Comrade Kim goes flying", eine Co-Produktion, ist ein süß-humoristischer nordkoreanischer Unterhaltungs- und Alltagsfilm. Ein junges Mädchen aus der Provinz möchte in Pyöngyang Trapezkünstlerin werden. Zwar wird ihr anfänglich frecher und forsch-naiver Individualismus in das verantwortungsvollere Kollektiv kanalisiert, doch wird ihr Ehrgeiz nicht an sich verurteilt. Normalerweise nimmt es im nordkoreanischen Film kein gutes Ende, wenn man außerhalb seines angestammten Arbeiterkollektivs sein Glück versucht. Allerdings gelingt ihr erst alles, als dieses sie anfeuert. Purer Individualismus bringt niemals den erwünschten Erfolg, wird so vermittelt. Glück gibt es nur im Schoße des großen Ganzen. Die große Betonung auf die Arbeiterklasse gegenüber einer gewissen elitären Pyongyang-Arroganz dürfte den Gefühlen im Rest des Landes entgegenkommen.
"The Explosive Remover" ist ein durchaus spannender Minenen- und Bombenentschärfungsfilm über Männer, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die vielen von den USA abgeworfenen Bomben, die als Blindgänger noch in der Erde liegen, unschädlich zu machen. Zum einen werden Männer gezeigt, die etwas Gefährliches tun, einfach weil es getan werden muss. Gleichzeitig ist die Botschaft aber, dass Nordkorea sich immer noch im Krieg gegen die USA befindet.
Wohlweislich ganz am Schluss lief "Daisy Girl", ein unerträglich langweiliger Militärfilm über zwei Flughelferinnen, zu dem es weiter nichts zu sagen gibt.
Plakat: 2.Filmwoche Nordkorea in Kiel (Bild: Kommunales Kino Kiel)
Filmwoche Nordkorea: Zwischen Kulturaustausch und Propaganda
Im Vorfeld der Filmwoche (20.2.-25.2.2014) hatte es durch viele unangenehme Artikel über Nordkorea ein bisschen politischen Gegenwind gegeben. Das ging von einem UNO-Bericht über die grausamen und verbrecherischen Menschenrechtsverletzungen bis zu Artikeln über Erschießungen im Zusammenhang mit inneren Machtkämpfen. Da musste sich der Programmleiter des Kieler Kommunalen Kinos, Dr. Eckhard Pabst, in einem taz-Interview die Frage gefallen lassen, ob man da denn einfach ins nordkoreanische Kino gehen könne. Gegenwind gab es auch online in ein paar ungerechten Leserkommentaren. Dabei wäre niemandem geholfen, wenn diese Filme nicht gezeigt und gesehen würden. Und 2011 gab es in Kiel nach Abreise der offiziellen Delegation ja auch Vorträge zur nordkoreanischen Wirklichkeit. Und der Film "Camp 14" wurde 2012 ebenfalls gezeigt.
Aber Tatsache ist natürlich, dass solch eine offizielle Woche für die Nordkoreaner mehr ist als eine Veranstaltung im Rahmen eines bilateralen Kulturaustausches. Für Nordkorea ist alles Propaganda. Bei der Eröffnung der ersten Filmwoche (25.9.-16.10.2011) in Kiel hatte ein nordkoreanischer Botschaftsangehöriger sogar versucht, auf dem Rednerpult vor der Leinwand eine Büste vom Präsidenten aufzustellen, die aber vom Veranstalter eilig wieder entfernt wurde.
Es ist auf alle Fälle ein Balanceakt, vor allem, wenn sogenannte Dokumentarfilme gezeigt werden, in denen tendenziös geschnittene Bilder zu einem martialischen, dröhnendem und auf Dauer abstumpfenden Kommentar zu sehen sind. Auf jeden Fall wird man daran erinnert, dass Propaganda blöd macht. Soll sie ja auch, das ist ihr Zweck. Und wenn dann ein Mitglied der nordkoreanischen Delegation ins Publikum fragt, was denn die USA 60 Jahre nach dem Waffenstillstand noch in Südkorea wollen, dann ist man zu höflich, dem Vertreter eines unberechenbaren und durchmilitarisierten Atomstaats zu antworten. Dass Antiamerikanismus ein gemeinsamer Nenner ist, auf den sich viele einigen können, von Linken bis zu der von der taz als "kuriose, rechte Splittergruppe" bezeichneten AiP (Antiimperialistische Plattform),die in Berlin auf Einladung der nordkoreanischen Botschaft anwesend war, das weiß man in Nordkorea.
Camp 14: Total Control Zone |
Flucht aus Lager 14 |
VOLLSTÄNDIGE NORDKOREANISCHE FILME:
Wer mehr über nordkoreanischen Film wissen möchte, dem seien diese zwei Internetseiten empfholen: North Korean Films ist ein interessanter Blog und bei North Korea Books bekommt man viele seltene DVDs, leider zu hohen Preisen. Wer an allgemeinen Informationen interessiert ist, kann auf den Blog Nordkorea-Info gehen, wo es auch ein Angebot an Büchern und DVDs gibt.