„Mambo Girl“

Die Eröffnungsszene von "Mambo Girl", in der Grace Chang in hell-dunkel karierter Hose auf einem Fußboden mit hell-dunklen Quadraten im Kreis von Mitschülern tanzt, ist ein Klassiker. Und die Handlung ist einfach: Chang spielt die 20-jährige äußerst musikalische Schülerin Kailing, die mit ihrem Singen und Tanzen (daher nennt man sie in der Schule "Mambo Girl") die ungekrönte Königin der Schule ist und in einer glücklichen Familie lebt, aber in eine Krise stürzt, weil sie erfährt, dass sie adoptiert ist. Auf ihrer Geburtstagsparty lässt ein eifersüchtiges Mädchen das hässliche Wort "Bastard" fallen. Und über ihren Sing- und Tanzfähigkeiten liegt plötzlich etwas Zweideutiges, ein Gedanke, der aber nur von ihr ausgeht. Ihre Umgebung bleibt freundlich und solidarisch. Es stört niemanden. Schließlich findet Kailing ihre leibliche Mutter in einem Nachtclub als Toilettenfrau. Die aber lügt sie an, um Kailings harmonisches Leben nicht zu gefährden. Am Schluss sind alle wieder glücklich und tanzen ausgiebig und ausgelassen zu Swing im Spielzeuggeschäft der Familie. Und die Nachbarin, die sich schon am Anfang über den Lärm beschwert hat, wird einfach vom Vater zum Mittanzen genötigt.

Die wilden 50er

Die wilden 50er waren in Hongkong im Kino also gar nicht so wild. Es geht hauptsächlich um junge Leute, die ihren Spaß haben und feiern und tanzen, aber gleichzeitig fleißig in der Schule sind und schon gar nicht gegen die Eltern rebellieren. Das ist allerdings in "Mambo Girl" auch nicht nötig. Die Eltern des Films sind absolut vorbildlich und sogar stolz auf Kailings Singen und Tanzen und haben es immer gefördert.

Da ist es natürlich dramaturgisch schwer, einen interessanten Konflikt zu schaffen, der dann aber durch die plötzliche Entdeckung ihrer Adoption herbeigeführt wird. Diese kurze, aber heftige Identitätskrise wird sehr schön visualisiert, wenn Kailing sich plötzlich gleichzeitig in drei Spiegeln sieht und die Augen zusammenkneift, als würde sie halluzinieren. Nachts, oben auf dem Dach des Wohnhauses erträumt sie sich plötzlich eine ihr nachtrauernde Mutter, die ihr im Himmel erscheint und ein trauriges chinesisches Volkslied singt, was von einer bewundernswerten naiven Eleganz ist.

Grace Chang singt und tanzt Cha Cha in "Mambo Girl".

Nachtleben

Außerdem enthält der Film durch Kailings Suche nach ihrer Mutter und dem damit verbundenen Streifzug durch das Nachtleben Hongkongs auch zwei authentische Nachtclub-Nummern. Die eine davon ist eine interessante Burlesque-Nummer der äußerst beweglichen "Margo the Z-Bomb". Da geht es dann doch mal etwas "wilder", aber eben auch anrüchiger zu.

Grace Chang singt einen Calypso

„Spring Song“

"Spring Song" (1959) ist der erste Collegefilm Hongkongs, eine sympathische Komödie. Grace Chang spielt eine Studienanfängerin, die im Mädchenwohnheim auf dem Campus ein Zimmer mit drei anderen Mädchen bewohnt. Dabei freundet sie sich besonders mit einem äußerst sportlichen reichen Mädchen an. Im Laufe des Films kommt es dann zu den filmtypischen Streitigkeiten, Eifersüchteleien und natürlich gibt es viele Musikeinlagen.

Was übrigens nicht nur "Mambo Girl", sondern vor allem auch den Campusfilm "Spring Song" auszeichnet, ist die Bandbreite der Musik. Als Grace Chang am Anfang als Aufnahmeritual ein Lied singt, beginnt sie volksliedartig, geht dann über zu "The Great Pretender" auf Chinesisch und endet mit westlicher Oper. Bei einer Geburtstagsfeier wird zu "Que sera sera" auf Chinesisch getanzt, was dann auch der Elterngeneration gefällt. Aber im Club bewegt man sich zu Bill Haley "Rock around the Clock", ein Lied, das dann auch abends im Wohnheim noch weitergesummt wird. Dann gibt es sogar ein bisschen chinesische Oper.

Auch hier hält sich die Wildheit also in Grenzen. Alles ist auf Harmonie und Ausgleich bedacht. Die älteren Autoritäten werden nicht in Frage gestellt, man macht höchstens mal einen harmlosen Spaß mit ihnen, aber selbst das wird nicht gerne gesehen. Die politische Theorie vom "balanced development" wird hier ins Persönliche übertragen. Das sportliche Mädchen singt am Schluss mit auf der Bühne und Grace Chang treibt tatsächlich Sport und wirft beim Basketball sogar aus Versehen einen Korb.

Grace Chang singt ein Medley in "Spring Song".

Hauptdarstellerin Grace Chang

Grace Chang (*1933) beherrschte sowohl tänzerisch als auch gesanglich und schauspielerisch die gesamte Skala. Ob bei klassischer chinesischer Oper, beim Singen eines Cha Cha oder beim Tanzen eines Rock'n'Roll, sie überzeugte immer. Sie spielte nicht nur Schülerinnen oder Studentinnen, sie war auch eine Femme fatale à la Carmen in "The wild, wild Rose" (1964) oder trat auf in gesangsfreien Melodramen wie "Forever yours" (1960). Aber immer wieder drehte sie angesichts ihres Talents natürlich Musicals wie "Because of her", der bei knapp 100 min Länge 20 Lieder enthält.

Sie kam 1949 von Shanghai nach Hongkong und besuchte ab 1952 die Schauspielklasse eines Filmstudios, wo sie unterrichtet wurde in Singen, Tanzen und Peking-Oper. Zwischen 1953 und 1964 drehte sie 33 Filme. 1964, drei Jahre nach ihrer Heirat beendete Grace Chang trotz ihrer großen Berühmtheit ihre Filmkarriere. Der Bühne und der Peking-Oper blieb sie allerdings treu.

Grace Chang in "The wild, wild Rose"

„Our Sister Hedy“ – Eine weitere MP&GI-Produktion fürs junge Zielpublikum

In dem Film "Our Sister Hedy" (ohne Grace Chang) geht es um vier heiratsfähige Schwestern und ihren geplagten, alleinerziehenden Vater. Der Film hat einen äußerst gelungenen Vorspann, bei dem auch das MP&GI-Logo zu sehen ist.

Der einfallsreiche Vorspann von "Our Sister Hedy"
Enthält ausführliche Beschreibung des alten Hongkong-Kinos:
Hong Kong Cinema: A Cross-Cultural View
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