Lawinenfeld

Lawinenfeld

Über mehrere Jahre war ich mit meiner Golden-Retriever-Hündin Happy Teilnehmer an den jährlichen Lawinenhundeausbildungs-Lehrgängen des ÖKD.

Vom Grundkurs über "Lawine I" und "Law.II" bis zum Einsatzkurs habe ich viel über die Verhaltensbiologie des Hundes gelernt, und vor allem: meinen Hund zu "lesen".

Österreichischer Katastrophenhilfsdienst - Suchhundeabteilung ÖKD

 

Mit dem Tod des ÖKD-Leiters Gerhard Dlapal ist leider die Suchhundeabteilung nicht mehr aktiv.

Seine neue Methode machte mit Rücksicht auf die natürlichen Triebe und Instinkte unserer Hunde ein sehr erfolgreiches ausdauerndes Suchen und Finden von Opfern in großen Verschüttungstiefen (bis zu 4 Meter tief waren die Übungshöhlen unter der Schneedecke) möglich.

 

Gerhard Dlapal überraschte uns beim Grundkurs mit seinem überragenden "Hundeverstand".

Wir lernten die neuesten Erkenntnisse über das Wesen unserer vierbeinigen Begleiter, angelehnt an die Beobachtungen der Trumler-Station und des Wolfsforschers Erik Zimen.

Im Grundkurs wurden wir mit militärischer Strenge ausgebildet. Viele Fehler bei der Lawinenopfersuche machten wir Hundeführer, - die wenigen Fehler, die unsere Hunde machten, waren unsere Schuld!

Ausgerechnet ein Bernhardiner war jedoch unfähig zur Suche: Langsam und träge schleppte er sich durch den Schnee, der zu tief für den massigen Körper war.

Die ursprünglichen Bernhardiner-Lawinenhunde waren sehr viel kleiner und drahtiger. Zuchtauswahl auf Größe hat die Hunde ungeeignet für ihre ursprüngliche Bestimmung gemacht.

Grundsätzlich ist aber jeder Hund mit natürlichem Jagdinstinkt zur Sucharbeit geeignet.

Ein Teilnehmer des Kurses versuchte, seinem Huskie Schmerzen zuzufügen, um beim Graben im Schnee die "Bell-Anzeige" zu erzwingen. Er war schon am selben Abend auf dem Heimweg.

Die ÖKD-Methode verlangt kein konditioniertes künstliches Bellen.

Wenn der Hund während des Grabens natürlich vor Aufregung bellt, ist das o.k. – aber die "Anzeige" des Hundes, dass er ein Opfer riecht, ist das wilde Graben, und vor allem, sein Blick zurück zum Hundeführer. Den dieser lesen muss!

Lawinenkurse Karneralm und Winterleitenhütte

vor der Suche

Nach mehreren Tagen Ausbildung in Ethologie sowie Schnee- und Lawinenkunde und praktischen Übungen im Gelände waren wir sicher, alles zu können.

Die Hunde suchten und fanden freudig und motiviert die schon recht tief vergrabenen Opfer. Unsere Kenntnisse über Schneedeckenaufbau, Lawinen und Rettungsmaßnahmen waren enorm.

Vor dem Nachteinsatz

Vor dem Nachteinsatz

Dann kam überraschend in der Nacht um 2 Uhr eine Lawinen-Einsatzübung. In wenigen Minuten mussten wir einsatzbereit mit kompletter Ausrüstung in die Kälte hinaus, die besonders beisst, wenn man schon im warmen Bett geschlafen hat!

Weit weg von der Hütte war mit kleinen Lichtern ein riesiges Lawinenfeld markiert.

Ziemlich aufgeregt hasteten wir den Berg hinauf.

Verschiedene Aufgaben wurden verteilt, es gab auch einen Einsatzleiter unter uns...., und dann ging es an die Suche.

Hektisch liefen wir durcheinander, eine Sondenmannschaft sondierte "Schritt-und-Stich-und-Schritt-und-Stich", ohne die vergrabene Isomatte zu finden, obwohl diese später viele Sondeneinstiche aufwies!

Eine "Pieps"-Gruppe suchte nach vergrabenen Geräten, zwei "Opfer" die nicht verschüttet waren, sollten Panik spielen, aber das war gar nicht notwendig. Wir schrien durcheinander, leuchteten uns gegenseitig mit den Stirnlampen in die Augen, die "Lawine"-Warnrufe des abgestellten Lawinenpostens wurden überhört, und die Hunde?

Die fanden das alles superspannend, aber die Aufregung der Hundeführer übertrug sich auf sie, so dass auch die Hunde hektisch und viel zu schnell über das Lawinenfeld rannten, und nichts finden konnten.

Die Ausbilder haben wohl mit feinem Lächeln nicht weit fort in der Dunkelheit gestanden und sich das wilde Treiben angeschaut.

Morgens um fünf hatten wir dann mit einem Akia die beiden "Opfer", die gar nicht verschüttet waren, zur Hütte transportiert. Die vergrabenen Opfer wurden gar nicht gefunden, dafür aber eine Schaufel und eine Decke im Dunkeln verloren.

Nassgeschwitzt, total erledigt und frustriert über unser Versagen brachten wir bei der Nachbesprechung kaum ein Wort heraus.

Erst am nächsten Morgen haben wir dann erkannt, dass man durch nichts soviel lernen kann wie durch totales Scheitern und Versagen!

Alles was in den späteren Lawinenkursen kam, hat uns nicht mehr so beeindrucken können wie dieses Schlüsselerlebnis im Grundkurs.

Lawinengefahr!

überschneiter Schneebrettanriss

Die Arbeit der Lawinenhunde ist bitte nicht mit dem "Lassie"-Syndrom zu verwechseln!

Der Hund wird in den Lassiefilmen vermenschlicht und hat ein Helfersyndrom, das den Tieren nicht zu eigen ist. Der Hund "denkt" nicht: "Oh, ein Mensch ist von der Lawine verschüttet worden, den muss ich schnell ausgraben!" Der Hund sucht entweder in Unterordnung und unter den Befehlen des Hundeführers in bestimmten Bahnen das Lawinenfeld ab, weil er nach dem Fund eine Belohnung bekommt.

Oder der Hund ist im Jagdtrieb und stöbert in freier Suche über die Fläche, bis er Geruch aufnimmt und freudig zu Graben beginnt, bis er mit dem Anzeigeblick seinen Hundeführer herbeiruft zum gemeinsamen Ausgraben des Opfers.

Einzelheiten sind in dem in niederländischer Sprache erschienenen Buch "Der Rettungshund – Ausbildung und Arbeit" von Gerhard Dlapal und Ruud Haak, verlegt bei Zuid boekprodukties BV Lisse, ISBN 90 6248 654, dokumentiert.
"Kernpunkt der Suche ist das Jagdverhalten des Raubtieres Hund: Suchen, um Beute zu machen, liegt jedem Hund im Blut.

Die Abfolge der Jagdsequenz: Suchen – geruchliches Erfassen und Auswerten der Witterung – Vorstehen nach der Beuteerkennung – Beutesprung – Töten, Tragen, Beuteteilung bzw. Fressen beschreibt hier auch die Suche des Hundes nach im Schnee verschütteten Menschen: Gesucht wird die Beute, der Mensch, den aber der Hund aufgrund seiner Domestikationsgeschichte nicht als fressbare Beute erkennt und behandelt. Deshalb bieten wir ihm in der Ausbildung jeweils einen geeigneten Gegenstand (zum Beispiel ein Stofftier) als "Ersatzbeute" am Menschen an, die er fassen, totschütteln, knautschen, tragen kann und letztendlich zu uns, dem ranghöheren Rudelpartner bringt. Der Hundeführer führt nun die Beuteteilung als Endhandlung der Jagd durch, das heißt er bietet dem Hund auf der ihm zugetragenen Ersatzbeute einige Futterbrocken an, während er ebenfalls begeistert "mitfrisst" und die Ersatzbeute als seinen Anteil einbehält. Das direkte Suchziel ist der Mensch, das indirekte ist die Ersatzbeute, an der der Hund seine Bestätigung findet."

Österreichischer Katastrophenhilfsdienst - Suchhundeabteilung ÖKD

Wer miterlebt, wie viel Spass das Suchen und Finden den Hunden auf diese Weise macht, ist überzeugt.

Vielen Dank an Gerhard und Gerlinde Dlapal und ihre engagierten Mitarbeiter für die Arbeit im Schnee, bei der Flächensuche und Trümmersuche!

Lawinenhundekurs Karneralm 1998
Autor seit 14 Jahren
14 Seiten
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