Oskar Lafontaine - der SPD-Kanzlerkandidat
Nach dem Wahlsieg an der Saar im Januar 1990 hoben ihn die Sozialdemokraten euphorisch auf den SchildIm Ollenhauer-Haus: "Bravo Oskar"
Lafontaine war an diesem 29. Januar 1990, nachdem die Sitzungen der Spitzengremien der saarländischen SPD am Vormittag relativ rasch und in Euphorie nach dem großen Wahlsieg im Saarland beendet worden waren, schon mittags um 13.30 Uhr im Bonner Erich-Ollenhauer-Haus eingetroffen und zunächst zu einem Gespräch unter vier Augen in Vogels Büro entschwunden. Die Tafel im Foyer der SPD-Zentrale, mit dem Aufdruck "Herzlich willkommen im Ollenhauer-Haus", war an diesem Mittag mit einem Zusatz versehen: "Bravo Oskar". Als die meisten Vorstandsmitglieder im Karree Platz genommen hatten, kam auch er in den Sitzungssaal, strahlend, eskortiert von Vogel, den anderen beiden Stellvertretern Johannes Rau und Herta Däubler-Gmelin sowie von Gerhard Schröder, dem am 13. Mai 1990 ebenfalls Landtagswahlen bevorstanden: Ein Foto mit Oskar – das war seinerzeit schon etwas.
Ein bunter Strauß von Heidemarie Wieczorek-Zeul
Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs überreichte – Küsschen links und Küsschen rechts – den üblichen Strauß roter Nelken. Heidemarie Wieczorek-Zeul, die dies als ein bisschen eintönig empfand – "auch in der SPD darf es ein bisschen bunter sein" – präsentierte einen bunten Strauß Gerbera und Gladiolen; ein paar lila Blüten waren auch darunter, "wegen der Frauenbewegung". Auf den Tischen lag das frisch gebundene Protokoll des vorausgegangenen Programmparteitags von Berlin, sozusagen als Argumentationshilfe für die Oskar Lafontaine von Vogel angetragene Kanzlerkandidatur.
Hermann Rappe hatte seine Vorbehalte
Nach dem Wahlsieg im Saarland, und nachdem ihn die SPD-Führung anschließend zur Auseinandersetzung mit Kanzler Helmut Kohl auf den Schild gehoben hatte, gönnte sich "der Oskar" einen Urlaub in "wärmeren Gefilden", weil er über die ihm "angetragenen Lasten" nachdenken wolle. Das, hieß es seinerzeit unter Spöttern, werde ihm wohl leichter fallen, weil nunmehr auch der Gewerkschaftsboß und IG-Chemie-Chef Hermann Rappe seine Vorbehalte gegen Oskar Lafontaine hintangestellt und den festen Willen vermittelt habe, ihn im Wahlkampf zu unterstützen. Gleichwohl, der saarländische Ministerpräsident wollte das alles "erst einmal verkraften und auf die Reihe bringen". Obwohl er mit Blick auf Bonn/Berlin unterstrich: "Es war ein guter Start". Und Hans-Jochen Vogel erhob sein Glas zum Prosit: "Laßt uns anstoßen auf Oskar – mit einem Klaren".
Dann kam das Kölner Messerattentat…
Zu dieser Stunde ahnte niemand, dass Lafontaine am 25. April 1990, ein Vierteljahr später, in Köln einem Messerattentat zum Opfer fallen, und dass er zehn Jahre später zum erbitterten, zum Intimfeind der Sozialdemokraten werden sollte. Hermann Rappe, Chef der IG Chemie, hatte offenbar schon früh etwas geahnt.
Bildquelle:
Büchergilde
(Hans-Jochen Vogel - der Kärrner)