Phantomime und der Ariadnefaden

Die erste Geschichte bildet den überleitenden Bogen zu Phantomimes Geburt. Unfreiwillige Geburtshelfer sind Dagobert und Donald, die mit ihren unbedachten Äußerungen Daisys Zorn heraufbeschwören. Etwa, wenn der wenig überraschenderweise konservative Plutokrat Dagobert Frauen jegliches logisches Denkvermögen abspricht, da sie nur über ein "Spatzengehirn" (O-Ton) verfügten.

Wütend sucht Daisy ihre Freundin Genia Gans, die ehrenwerte Präsidentin der Feministinnen-Vereinigung, auf um mit ihr zu beraten, wie man es den arroganten Männern heimzahlen könne. In der Tradition eines Daniel Düsentrieb stattet die – Nomen est Omen! – geniale Genia Daisy mit einem Kostüm und mehreren hilfreichen Ausrüstungsgegenständen aus. Et voilà: Phantomime hat das Licht der Welt erblickt!

Deren Dienste werden bitter benötigt. Denn Donald, der eigentlich auf Dagoberts Geldspeicher hätte aufpassen sollen, erliegt den Reizen einer angeblich hilflosen Autofahrerin, deren Sportwagen einfach nicht mehr anspringen wolle. Leider entpuppt sich die hübsche Dame als skrupellose Gangsterin, die mit ihren beiden Kumpels einen Überfall auf den Geldspeicher plant. Und ausgerechnet Donald soll ihr dabei helfen! Nun liegt es einzig und allein an Phantomime, den drohenden Millionenraub zu verhindern …

"Phantomime und der Ariadnefaden" erweist sich als ungewöhnliche Geschichte, die aus dem sonstigen Entenhausen-Universum heraussticht. Wie Daisy erst einmal in ihre neue Rolle als weiblicher Superheld Phantomime hineinfinden muss und sich die Männerwelt Frauen gegenüber arrogant verhält, das ist nicht nur originell, sondern mitunter entlarvend, kam Daisy, Minni, Klarabella & Co doch jahrelang nur eine stets untergeordnete Rolle zu. Ironischerweise erweist sich die hübsche Gangsterin als Kopf der Verbrecherbande, die ihre beiden männlichen Berufskollegen an der kurzen Leine hält.

Diese Geschichte zeichnet sich durch Witz, Ironie und erfrischende Originalität im Geschlechterkampf aus. Ein Hauch griechischer Mythologie fließt mit dem titelgebenden Ariadnefaden ein. Wie Daisy, alias Phantomime, dem wenig belesenen Donald erklärt, handelte es sich um ein Geschenk der minoischen Prinzessin Ariadne an Theseus, auf dass dieser den Weg durchs Labyrinth finden und den fürchterlichen Minotaurus erschlagen könne. Auch Comics können also bilden …

Neuauflage

Phantomias gegen Phantomime

Zum Showdown zwischen Phantomime und dem etablierten Helden Phantomias kommt es in der Titelgeschichte "Phantomias gegen Phantomime". Diesmal ist es Daisy, die den Zorn der männlichen Ducks heraufbeschwört. Ganz keck berichtet sie auf dem Feministinnen-Kongress über Phantomimes Heldentaten und Donalds Tollpatschigkeit. Das kann sich der in seiner Ehre Gekränkte natürlich nicht bieten lassen, weshalb er gemeinsam mit Dussel einen fiesen Plan ausheckt: Um seinen Namen reinzuwaschen, soll Daisy entführt und anschließend vom "heldenhaften" Donald befreit werden.

Tatsächlich dringen sie in Daisys Haus ein und entführen sie. Was sie nicht wissen: Bei dem vermeintlichen Entführungsopfer handelt es sich um eine Wachsfigur Daisys, die sie eben vor Entführungen schützen soll. Bei der Suche nach einem Versteck laufen sie ausgerechnet den Gangstern aus "Phantomime und der Ariadnefaden" über den Weg. Wieder muss Phantomime eingreifen, wobei sie diesmal von Phantomias tatkräftig unterstützt wird …

Obwohl "Phantomias gegen Phantomime" durchaus gelungen ist, handelt es sich nüchtern betrachtet um wenig mehr als eine aufgepeppte Wiederholung der ersten Geschichte. Darunter leidet der etwas abgenutzte Witz und auch mit den ironischen Anspielungen wird gegeizt. Mit der zweiten Story rund um Phantomime hat sich das Thema Feminismus in dieser Ausgabe des Lustigen Taschenbuchs erledigt. Über die Rahmengeschichte, in der Daisy in panischer Angst Donald anruft und um Hilfe bittet, weil eine Maus das Wohnzimmer unsicher macht, sollte man besser den Mantel des Schweigens breiten …

Phantomias und die schlafende Schöne

Nanu? Bewegt sich Phantomias auf amourösen Abwegen? Keineswegs, denn bei der "schlafenden Schönen" handelt es sich um ein Gemälde. Und exakt dieses fehlt Dagobert Duck noch, um seine Kunstsammlung zu vervollständigen. Der Besitzer des Meisterwerks ist Erzfeind Klaas Klever, der mit Dagobert einen Deal vereinbart: Gemälde gegen Donalds Haus, das seinem Erbonkel gehört!

Ein Auszug aus dem Haus kommt für Donald nicht in Frage, befindet sich doch seine Phantomiasausrüstung in einem geheimen Raum unterm Keller. Nicht auszudenken, wenn man hinter seine wahre Identität käme! Also beschließt Donald, die beiden Erzrivalen Dagobert und Klaas Klever gegeneinander auszuspielen. Dummerweise mischt sich auch noch Gustav ins Geschehen ein, dessen sagenhaftes Glück Donalds cleveren Plan zum Scheitern bringt …

"Phantomias und die schlafende Schöne" stellt die schwächste Geschichte des Bands dar. Trotz einiger guter Gags, auch optischer Natur, erweist sich der Plot als zu belanglos, um Spannung zu erzeugen. Außerdem bleibt die Frage ungeklärt, weshalb der zweitreichste Mann Entenhausens ausgerechnet Donalds Haus abreißen und auf dem Grundstück ein Schwimmbad errichten möchte.

Das Drei-Türme-Kastell

Den krönenden Abschluss der Nr. 57 des Lustigen Taschenbuchs bildet die Geschichte "Das Drei-Türme-Kastell". Laut einem nach hundert Jahren erstmals öffentlich verlesenen Testament vermachte Paulus Pokus sein "Drei-Türme-Kastell" jenem Mutigen, der eine Nacht hinter den unheimlichen Gemäuern des Schlosses aushalte. Natürlich ist Dagobert erpicht, ein weiteres kostenloses Grundstück samt Gebäude zu erhalten und bittet Donald, eben jene eine Nacht dort zu verbringen. Dieser lehnt dankend ab, wodurch Gustav zum Zug kommt und Dagobert seinem faulen Neffen Donald einen Räumungsbefehl unter die Nase hält.

Zwar kann Phantomias die Vollstreckung der Räumung gerade noch verhindern. Doch der unbedarfte Donald landet im Knast, nachdem er zwei Beamte als Esel beschimpfte. Wie besagte Beamte beim Durchblättern in den Vorschriften herausfinden, handelt es sich dabei um Beamtenbeleidigung …

Das Lustige Taschenbuch im Jahresabo

Trotzdem gibt Donald nicht auf und setzt alles daran, noch aus dem Knast heraus Gustav und Dagobert eins auszuwischen.

"Das Drei-Türme-Kastell" weist Klassikerpotenzial auf. Auch wenn die Geschichte nicht durch besondere Originalität glänzt, sind es die vielen Witze und umwerfend lustigen Zeichnungen, die aus dem Stoff pures Lesevergnügen weben. Mit den beiden namenlos bleibenden Polizisten gesellen sich zwei köstliche Nebenfiguren hinzu. Unablässig gucken die beiden überaus korrekten Beamten in den Vorschriften nach, was erlaubt und was nicht erlaubt sei. Dabei geraten sie schlussendlich zur überaus logischen Erkenntnis, dass das, was nicht verboten sei, erlaubt sein müsse. Ein Schelm, wer hier den Amtsschimmel wiehern hört...

Gelungenes Lustiges Taschenbuch: „Phantomias gegen Phantomime“

Fazit nach vier Geschichten: Mit "Phantomias gegen Phantomime" liegt sicher keiner der besten Bände des Lustigen Taschenbuchs vor. Aber dank der ungewöhnlichen Thematik in zwei Geschichten, witzigen Nebenfiguren und den liebevoll gestalteten Zeichnungen kann die 1978 erschienene Ausgabe 57 überzeugen und bietet selbst nach all den Jahren noch höchstes Lesevergnügen.

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