Das Denken in Freund-Feind-Bildern

Das Weltbild der AfD weist einige Merkmale auf, das sie mit anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa teilt, andere Aussagen im Programm der AfD können als deutsche Besonderheit gelten.

Alle rechtspopulistischen Parteien eint das Denken in Freund-Feind-Bildern. Das heißt: Alle rechtspopulistischen Parteien richten ihre Abneigung, ihre Wut, wenn nicht sogar ihren Hass gegen ganz bestimmte Personengruppen, die in ihren Augen die Interessen "des Volkes" verletzen und deshalb bekämpft werden müssen.

Feindbild Nummer 1 sind die derzeit herrschenden politischen Eliten. Diese werden als Ansammlung von korrupten, macht- und geldgierigen Karrieristen dargestellt, die nur das eigene Wohl im Auge haben und "das gutgläubige Volk" für ihre Machenschaften missbrauchen, wobei sie von willfährigen Medien unterstützt werden. Damit "Volkes Stimme" wieder gehört wird, will die AfD die repräsentative Demokratie in Deutschland umwandeln in eine direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild. Dahinter steckt die für die Rechtspopulisten typische Erwartung, dass bei Volksabstimmungen die Mehrheit schon so abstimmen wird, wie sie es für richtig halten, weil sie eine Identität zwischen ihren Überzeugungen und dem "Volkswillen" voraussetzen. Rechtspopulisten erheben mit anderen Worten den Anspruch, als einzige zu wissen, was das Volk wirklich will, und diesen Willen dann auch in die Realität umzusetzen. Dabei geht es der AfD im Gegensatz zum Schweizer Vorbild aber nicht nur um Bundesgesetze. Die Bürger sollen auch über die Verfassung abstimmen, und auf diesem Wege könnten auch die wichtigsten Normen des Grundgesetzes ausgehebelt werden.

Feindbild Nummer 2 sind Ausländer, vor allem die Migranten muslimischen Glaubens. Diese werden als besondere Gefahr für die "einheimische Kultur" wahrgenommen und – seit den Terroranschlägen islamistischer Fanatiker in Europa – als starke Bedrohung der öffentlichen Sicherheit. Entsprechend soll die Religionsfreiheit für Muslime eingeschränkt werden. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland!" heißt es plakativ im Parteiprogramm. Der AfD willkommen sind nur "qualifizierte Einwanderer mit hoher Integrationsbereitschaft", und das heißt natürlich: "aus dem christlichen Kulturkreis". Auch die doppelte Staatsbürgerschaft soll wieder abgeschafft werden. Generell soll beim Staatsbürgerschaftsrecht wieder das völkische Abstammungsprinzip gelten, die ius sanguinis von 1913. Demnach soll wieder nur noch derjenige die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, bei dem "mindestens ein Elternteil Deutscher ist".

Feindbild Nummer 3 ist die Europäische Union. Hier wird vor allem die vermeintliche Regulierungswut der Institutionen der EU aufs Korn genommen. Rechtspopulisten wittern hier eine unzulässige Einschränkung des politischen Handlungsspielraums souveräner Staaten. Die EU soll deshalb nach dem Willen der AfD nur noch eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Vorbild der früheren EWG sein. Die Gemeinschaftswährung "Euro" soll wieder abgeschafft werden.

Das Familien- und Gesellschaftsbild der AfD

Eine Besonderheit der AfD ist die Verklärung der "alten Bundesrepublik" mit ihrem "Wirtschaftswunder", ihre Stilisierung als "heile Welt". Dazu gehört die Rückbesinnung auf die traditionelle, aus Vater, Mutter und Kindern bestehende Familie als "Keimzelle der Gesellschaft". In diesem Zusammenhang wird zumindest implizit auch die Rückkehr zur traditionellen Geschlechtsrollenverteilung gefordert. Frauen sollen also wieder hauptsächlich die Rolle der Hausfrau und Mutter übernehmen und die Männer die Rolle des "Ernährers". Entsprechend sollen Ehescheidungen erschwert, es soll wieder die Schuldfrage gestellt werden, und Abtreibungen sollen nach Möglichkeit verhindert werden.

In diesem Zusammenhang erscheint es konsequent, dass schon Kinder die "Härte des Gesetzes spüren sollen." So soll die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre gesenkt werden. Vorbilder sind hier Gesetzesänderungen von 1871 und 1943, also aus geschichtlichen Phasen, in denen Deutschland diktatorisch oder zumindest autoritär regiert wurde. Drastische Verschlechterungen ihrer Lage drohen auch psychisch kranken Straftätern. Hier setzt nämlich die AfD auf Strafe statt auf Therapie. Gleichzeitig wehrt sich die AfD gegen eine Verschärfung des Waffenrechts.

Leugnung des Klimawandels und Eintreten für Atomkraft

Im Einklang mit ihrer Vorstellung, als einzige Partei "dem Volk die Wahrheit zu sagen", steht die Absage der AfD an eine Klimaschutzpolitik. Das heißt: Für die AfD ist ein dramatischer Klimawandel mit verhängnisvollen Folgen, der vor allem auf den Anstieg des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre zurückgeführt und deshalb als Treibhauseffekt bezeichnet wird, eine Erfindung des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) und der Bundesregierung. Nach Ansicht der AfD ist ein Anstieg von CO2 in der Atmosphäre sogar zu begrüßen, da dieses eine positive Wirkung auf das Pflanzenwachstum habe und damit auf die Welternährung. Nach Ansicht der AfD ist CO2 also kein Klimakiller, sondern ganz im Gegenteil ein Lebensspender. Deshalb wendet sich die AfD auch gegen Tempolimits auf Autobahnen. Ähnlich unproblematisch ist für die AfD die Kernenergie. So fordert sie eine Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke.

Äußere und innere Aufrüstung

Was das Verhältnis zu anderen Staaten betrifft, so soll die Bundesrepublik nach den Vorstellungen der AfD auf eigene Stärke setzen. Dazu gehört auch die Re-Aktivierung der ausgesetzten Wehrpflicht - zunächst nur für Männer. Frauen sollen freiwillig dienen, bei Bedarf aber ebenfalls eingezogen werden können. Kriegsdienstverweigerung soll nur noch im Ausnahmefall möglich sein.

Die deutschen Außengrenzen sollen wieder flächendeckend gesichert werden, gegebenenfalls mit Zäunen. Deutschland soll zwar in der Nato bleiben, aber jedes Engagement in der Nato soll im Einklang mit deutschen Interessen stehen. Außerdem spricht die AfD im Zusammenhang mit dem Nato-Partner USA von "alliierten Truppen in Deutschland", so als ob Deutschland immer noch ein besetztes Land wäre. Diesen Zustand will sie auf der Grundlage der deutschen Souveränität beenden. Auch die innere Sicherheit soll massiv gestärkt werden, notfalls auf Kosten der Freiheit. Deshalb sollen Polizei und Justiz mehr "Eingriffsmöglichkeiten" bekommen. Außerdem fordert die AfD viel mehr Geld für die Geheimdienste.

Reichtum für Wenige

Dem Aufbau eines riesigen Sicherheitsapparats, quasi eines "Polizeistaats" gegenüber steht die massive Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten des Staates gegenüber der Wirtschaft sowie der Abbau des Sozialstaats. So sollen nach dem Willen der AfD Firmen möglichst unreguliert agieren, sich im Wettbewerb frei entfalten können. Um die unternehmerische Freiheit weiter zu stärken, sollen die Erbschafts- sowie die Gewerbesteuer abgeschafft werden. Gleichzeitig sollen die Schulden des Staates abgebaut werden. Um die sich daraus ergebende Finanzierungslücke zu schließen, will die AfD Sozialleistungen kürzen. Ferner sollen Arbeitslosen- und Unfallversicherung privatisiert werden. - Jeder kann sich sicherlich ausmalen, was mit jemandem passiert, der arbeitslos wird oder einen Unfall erleidet, aber nicht abgesichert ist, weil er sich diese Versicherungen nicht leisten konnte.

Das Programm der AfD in der Kritik

Kritischen Stimmen zufolge hat die AfD kein Programm vorgelegt, das konstruktiv auf der Grundlage bestimmter Wertvorstellungen Ideen zur Lösungen von wichtigen Problemen in Deutschland entwickeln würde. Es sei vielmehr ein Sammelsurium von Positionen, mit denen die AfD versuche, sich von möglichst allen anderen Parteien abzugrenzen. Die AfD sehe sich also in erster Linie als Stachel im Fleisch der anderen Parteien.

Dabei müsse jedoch alarmieren, dass sich die AfD als erste deutsche Protestpartei – es hat ja, wie hier hinzuzufügen ist, bereits andere Parteien in Deutschland gegeben, die versucht hatten, sich gegen die "etablierten Parteien" abzugrenzen – mit ihren Angriffen auf die anderen Parteien, den Parlamentarismus und die repräsentative Demokratie gegen den in der Bundesrepublik geltenden Konsens über die freiheitlich demokratische Grundordnung stelle. Richtig gefährlich werden könnte die Überzeugung der AfD, als einzige Partei zu wissen, was das Volk will, wenn sie wirklich einmal regieren würde. Denn dann würden jede andere Meinung, jede andere Ansicht zur Lösung politischer Probleme beiseite geschoben mit dem Argument, dies entspreche nicht dem Willen des Volkes.

Auch die von der AfD geforderte "Zurückführung der EU zu einer Wirtschafts- und Interessensgemeinschaft souveräner, lose verbundener Einzelstaaten" würde die Bundesrepublik von Grund auf verändern. Denn die vom ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer eingeleitete und von seinen Amtsnachfolgern fortgeführte europäische Integration gehörte bislang zur Staatsräson, wobei die deutsch-französische Freundschaft zum Motor dieses Einigungsprozesses wurde. Im Programm der AfD wird dies mit keiner Silbe erwähnt.

Wenn ich das Programm der AfD im Zusammenhang betrachte, erscheint es mir wie eine Mixtur aus Versatzstücken verschiedener politischer Systeme, angefangen beim bismarckschen Obrigkeitsstaat über die "alte Bundesrepublik" der ersten Nachkriegsjahrzehnte bis hin zu US-amerikanischen Verhältnissen. Viele wichtige gesellschaftliche Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten des 20. und am Beginn des 21. Jahrhunderts wie die Globalisierung scheinen hier ausgeblendet worden zu sein. Man hat fast den Eindruck, als ob die Autoren des Programms in einer anderen Welt leben würden.

Schlusswort

Die AfD ist 2013 von dem Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke und Gleichgesinnte als Partei des finanzpolitischen und ökonomischen Protestes gegen die scheinbar "alternativlose" Euro-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegründet worden. Dann ist der extremen Rechten in Deutschland bei der AfD gelungen, was ihnen noch bei den anderen Parteien, die als Protestparteien entstanden waren, missglückt war, nämlich eine solche Partei zu unterwandern, in ihrem Sinne umzufunktionieren und schließlich die Parteigründer zu entmachten. Hinzu kam 2015 die Flüchtlingskrise, und diese bescherte den Rechtspopulisten den Aufstieg zur derzeit drittstärksten deutschen Partei. Man kann auch sagen: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik erzielt eine Partei Wahlerfolge, die diesen Staat in seiner jetzigen Form abschaffen will! Oder wie es Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden ausgedrückt hat: "Der AfD-Erfolg ist ein wahrgewordener Alptraum!"

Quellen:

http://www.focus.de/politik/deutschland/interview-mit-konrad-adenauer-stiftung-laesst-schlimmes-ahnen-experte-stellt-afd-parteiprogramm-vernichtendes-urteil-aus_id_5793317.html

http://www.zeit.de/politik/2016-05/afd-parteitag-grundsatzprogramm-frauke-petry-joerg-meuthen

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-05/afd-parteitag-stuttgart-islam-parteiprogramm/komplettansicht

http://www.sueddeutsche.de/politik/entwurf-zu-parteiprogramm-wie-die-afd-die-aktuelle-bundesrepublik-abschaffen-will-1.2924188

https://www.muenchen.tv/knobloch-afd-erfolg-ist-wahrgewordener-alptraum-185544/

 

Autor seit 11 Jahren
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