Psychothriller "Ohne ein Wort" von Linwood Barclay: Keine Zeit für Abschiede!
Was wäre, wenn die eigene Familie plötzlich spurlos verschwände? Diese spannende Prämisse verarbeitete Linwood Barclay für ihren Psychothriller "Ohne ein Wort".Ohne ein Wort dahin!
Psychothriller "Ohne ein Wort": Botschaften aus dem Jenseits?
Für die 14-jährige Cynthia wird ein Alptraum Wirklichkeit: Ihre ganze Familie verschwindet spurlos! Was steckt hinter dem mysteriösen Verschwinden? Hat man das Mädchen bewusst alleine zurückgelassen? Ist eine Verschwörung im Gange? Oder hat am Ende gar der Teenager seine Finger im Spiel?
Linwood Barclays Psychothriller "Ohne ein Wort" versetzt den Leser in ein spannendes Szenario, das mit dem rätselhaften Verschwinden erst so richtig beginnt. Denn für Cynthia beginnt eine wahre Höllenfahrt. Schließlich lauteten ihre letzten Worte an die Mutter: "Ich wollte, ihr wärt tot!"
Kein Wunder, dass sie sich schwere Vorwürfe macht und selbst ein Vierteljahrhundert später nicht zur Ruhe gekommen ist. Inzwischen ist aus dem aufmüpfigen, frechen Teenager eine schöne Frau mit eigener Familie geworden. Doch wie aus dem Nichts erhält sie plötzlich seltsame Botschaften, die darauf hinzudeuten scheinen, dass ihre Eltern und ihr Bruder noch am Leben sind. Niemand glaubt Cynthia, nicht einmal ihr eigener Ehemann Terry. In ihm keimt allmählich sogar der unheimliche Verdacht auf, seine geliebte Ehefrau könnte die Botschaften fingiert haben, um von ihrer Schuld abzulenken …
Jeder ist verdächtig!
Klassischer Pageturner
Autor Linwood Barclay befolgt mit seinem Psychothriller "Ohne ein Wort" sämtliche Regeln der Genrekunst. Ohne langes Vorgeplänkel steigt er mit einer spannenden Szene in das Geschehen ein, die den Leser neugierig darauf macht, was wohl als Nächstes passieren werden. Kurze, knackige Sätze schildern das Geschehen und jede Szene endet mit einem "Cliffhanger".
Dazu gesellen sich die üblichen Verdächtigen des kunstvollen Anziehens der Spannungsschrauben: Immer wieder werden Spuren ausgelegt, die den Leser auf die falsche Fährte locken sollen. Abwechselnd verdächtigen sich die Protagonisten gegenseitig und werden Geheimnisse zögernd enthüllt.
"Ohne ein Wort" erweist sich somit als Pageturner par excellence, vor allem deshalb, weil Cynthia selbst ins Zentrum der Verdächtigungen gerät und lange ungewiss bleibt, ob sie tatsächlich etwas mit dem Verschwinden ihrer Familie zu tun hatte oder nicht.
Charakterschwächen
Trotzdem vermag der Roman nicht gänzlich zu überzeugen. Erzählfigur Terry wird sehr sympathisch dargestellt, während ausgerechnet Cynthia als aufbrausend, psychisch labil, ungerecht und anmaßend geschildert wird. Auch wenn dahinter schriftstellerisches Kalkül vermutet werden kann, um eine Verwicklung der Frau in das lange zurückliegende Verbrechen plausibler zu gestalten, kann sich der Leser nicht der Frage erwehren, wie es Terry mit einer derart widerwärtigen Person überhaupt aushält.
Ebenfalls nicht restlos geglückt ist die Auflösung des Rätsels, wohin Cynthias Eltern und Bruder verschwanden, wer dahinter steckte und welches Motiv es hierfür gab. Selbst für einen Psychothriller wirkt des Rätsels Lösung kaum nachvollziehbar. Andererseits darf man von entsprechender Genreliteratur keine allzu große Plausibilität und Lebensnähe erwarten.
Solider Roman für spannende Stunden
Alles in allem ist Linwood Barclay ein spannender Pageturner für Zwischendurch gelungen, der ohne große Ansprüche weitgehend unterhält und somit seinen Zweck mehr als erfüllt. An Thriller-Ikonen wie Jeffery Deaver kommt "Ohne ein Wort" zwar nicht heran. Wer aber nicht mehr als ein paar unterhaltsame Lesestunden auf solidem Niveau verlangt, wird mit diesem Roman bestens bedient.
Originaltitel: "No time for Goodbye"
Autor: Linwood Barclay
Veröffentlichungsjahr: 2007 (auf Deutsch)
Seitenanzahl: 492 Seiten
Verlag: Ullstein Taschenbuchverlag
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)