Reisen auf afrikanisch - Mit dem Bus in den Busch
Das Reisen mit dem Bus, dem Gelegele, ist ein Abenteuer für sich. Fernab von klimatisierten Luxushotels entdeckt man das wahre Afrika.Westafrika erleben - Mit dem Gelegele in den afrikanischen Busch
Kaum etwas ist aufregender, bunter, lauter und afrikanischer, als die "Garage" in Brikama. Hier findet man alle vorhandenen Verkehrsmittel, vom Taxi bis zum Gelegele, die in alle Himmelsrichtungen fahren. Weiße sieht man hier selten. Kaum ein Weißer reist von hier ins Hinterland oder in eines der Nachbarländer Gambias. Touristen werden üblicherweise in klimatisierten Reisebussen in den Busch gekarrt und nicht eingepfercht zwischen lauter Schwarzen in einen umgebauten Krankenwagen, dem typischen Gelegele.
Das Tor zum Hinterland
Brikama ist die letzte große Stadt in der "Zivilisation", ehe man in den Busch fährt. Die Brikama Garage ist eine der größten Busstationen in Gambia und man braucht eine Weile, sich in dem bunten Treiben zurechtzufinden. Vergebens sucht man hier Fahrpläne oder Hinweisschilder, die einen zum richtigen Bus führen. Wer nicht weiß, welcher der zahlreichen Gelegele zu dem gewünschten Ziel fährt, der muss sich durchfragen. Am besten man spricht einfach einen der Gelegele-Fahrer an und sagt, wo man hin möchte. Jeder Fahrer kennt hier jeden und wird wissen, welcher Bus wohin fährt und wo er auf dem großen Platz zu finden ist.
Hat man seinen Gelegele gefunden, muss man sich erst einmal erkundigen, ob man beim "Abrante", das ist ein Gehilfe vom Fahrer, der für die Betreuung der Fahrgäste zuständig ist, bezahlen kann oder ob man ein Ticket kaufen muss. Die meisten Abrante kassieren selbst, doch manche verlangen ein Ticket, welches man am "Schalter" kaufen kann. Auch hier fragt man sich einfach durch, denn man übersieht den Schalter leicht. Um ein Ticket zu kaufen muss man angeben, welches Ziel man hat und die Nummer des Busses, falls mehrere Busse in die gleiche Richtung fahren. Die Preise sind überraschend günstig und hier bekommt man auch keinen extra Toubob-Preis (Toubob = Weißer). Das heißt, ein Weißer zahlt hier den gleichen Preis, wie ein Einheimischer.
Geduld ist eine Tugend
Sind die Zahlungsformalitäten geklärt, sucht man sich einen Sitzplatz. Die Gelegele sind meist entkernte Krankenwagen, die mit Bänken ausgestattet wurden und verfügen im Schnitt über zwanzig Sitzplätze. Es ist eng und wenig komfortabel. Leichtes Gepäck wird einfach unter den Sitzen verstaut oder auf dem Schoß und große Sachen kommen auf das Dach. Meist sind die Gelegele hoffnungslos überladen. Im Bus muss man schon mal mit lebenden Hühnern als "Gepäck" rechnen. Größere Tiere wie Schafe oder Ziegen fahren dagegen auf dem Dach mit. Das ist eben Afrika.
Nun heißt es, die beste afrikanische Tugend zu üben. Geduld! Manchmal dauert es Stunden, ehe der Gelegele losfährt, denn es gibt keine festen Zeiten. Vielmehr wird gewartet, bis der Bus voll ist und alles Gepäck verstaut wurde. Doch das Warten ist hier nie langweilig. Man versorgt sich am Besten erst mal mit was Leckerem zu essen und etwas Kühlem zu trinken.
In einem wahren Strom, schwärmen Händler aller Art von Bus zu Bus, um ihre Waren zu verkaufen. Da gibt es die Wassermädchen, die in einer Schale auf dem Kopf oder einer Kühltasche "Naan", halbgefrorene Wasserpäckchen verkaufen. Auch sehr erfrischend ist das Eis, dass die Frauen und Mädchen hier anbieten. Hierbei handelt es sich um gefrorenen Saft oder Joghurt in kleinen Plastiktütchen. Man beißt einfach ein Loch hinein und lutscht das Eis heraus.
Wer etwas für den Hunger braucht, hat vieles zur Auswahl. Da gibt es die Cake- und Penchaverkäufer. Pencha sind einfache, kleine runde Kuchen in Öl gebacken, die meist in Tüten zu fünf Stück angeboten werden. Herzhafter sind die verschiedenen Pies, die mit Fleisch oder Fisch gefüllt in verschiedenen Variationen und Größen zu haben sind oder belegte Baguettes. Zum Knabbern werden Erdnüsse oder Cashews angeboten.
Auch vielerlei nützliches und unsinniges Zeug wird verkauft. Von Taschenlampen bis zu Wundermitteln, die Händler versuchen, alles an den Mann zu bringen, was sich von Bus zu Bus tragen lässt.
Zusammenrücken bitte
Man wundert sich immer wieder, was so alles in einen Bus passen kann. Wenn auf einer Bank drei Personen sitzen und man denkt, mehr passen nicht, dann wird man schnell eines Besseren belehrt. Egal, wie beleibt die Fahrgäste manchmal sind, vier passen immer. Die meisten Fahrgäste sind Frauen. Sie haben Unmengen an Gepäck dabei. Körbe voller Fisch, Plastikeimer mit unterschiedlichstem Inhalt, gefesselte Hühner, Tüten mit Einkäufen, Säcke mit Reis, Zwiebeln oder Orangen. Das Verladen ist oft langwierig und ein Kunststück für sich. Afrikaner sind Meister im Transport. Manchmal wird ein kompletter Hausstand auf dem Dach transportiert.
Kinder reisen auf dem Schoß der Erwachsenen sitzend, man zahlt nämlich nicht pro Person, sondern pro Sitzplatz. Nicht selten sitzen die Kinder auf dem Schoß anderer, fremder Fahrgäste, wenn eine Frau mit mehreren Kindern reist. Das ist hier ganz selbstverständlich. Es kann auch schon mal passieren, dass eine Mutter einem kurzfristig ein Baby in den Arm drückt, um unter dem Sitz nach etwas zu suchen. Wenn dann endlich alle Fahrgäste und Gepäckstücke verstaut sind, geht es los.
"Pass!"
Falls kein Ticket erforderlich war, wird nach der ersten Polizeikontrolle hinter Brikama der Abrante dieses eine kleine Wort sagen: "Pass!"
Gemeint ist damit das Fahrgeld. Der Abrante kassiert mit erstaunlichem Gedächtnis, erst einmal die Gelder von allen Fahrgästen, ohne das Wechselgeld herauszugeben. Erst wenn alle bezahlt haben, beginnt er, den einzelnen Leuten ihr Wechselgeld herauszugeben. Dabei beweist der Abrante ein erstaunliches Gedächtnis. Ich habe nie erlebt, dass ein Abrante nicht wusste, wem er wie viel zu geben hatte.
Schon bald verwandelt sich die asphaltierte Straße in eine staubige Buschpiste. Der rötliche Sand dringt durch alle Ritzen und der Bus rappelt, klappert und holpert in rasender Geschwindigkeit über die Piste und durch Schlaglöcher. In regelmäßigen Abständen durchfährt man Polizeikontrollen. Hier kommen auch meist die Orangenverkäufer an den Bus gelaufen, um ein schnelles Geschäft zu machen, ehe der Bus weiterfährt. Manchmal muss man seine ID-Card vorzeigen, manchmal wird auch der gesamte Bus untersucht. Drogenschmuggel ist keine Seltenheit, da die Grenze zum Senegal sehr nah ist, wo Hasch in großen Mengen angebaut wird.
Hat man endlich sein Ziel erreicht, sagt man dem Abrante oder dem Fahrer, dass man aussteigen möchte. Feste Haltestellen wie in Europa gibt es nicht. Je nachdem, wo man hin will, muss man vielleicht unterwegs in einen anderen Gelegele umsteigen. Reisen auf afrikanisch ist sicherlich weniger komfortabel und auch ein wenig anstrengend, doch wenn man sich dran gewöhnt hat, wird es so normal wie das Bus fahren in der alten Heimat.
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Bildquelle:
Reisefieber
(Dezember in Goa, Indien)