"Resturlaub": Tommy Jaud reizt nach seinem Bestseller "Vollidiot" erneut die Lachmuskeln
Weg aus der fränkischen Provinz nach Buenos Aires, aufregende Latinas kennenlernen, ein neues Leben starten. Davon träumt der Bamberger "Pitschi" in Tommy Jauds Roman "Resturlaub".Die Handlung - Salsa, Sonne, Sinnesfreuden
Peter Greulich, von allen nur Pitschi gerufen, führt das, was man ein Musterleben nennen kann. Bei den Arbeitskollegen in der Brauerei "Sepplpeter's" ist er ebenso beliebt wie bei seinen Freunden, er ist halbwegs sportlich und durchaus intelligent und seine hübsche Freundin "Biene" liebt ihn trotz seiner Macken über alles.
Doch dann kommt der "Tag der Ente", und plötzlich ist alles anders. Busenfreund Arne ehelicht Biggy, von Pitschi nur verächtlich "die Ente" genannt, und schon beginnen auch in "Bienes" Verstand die Hochzeitsglocken zu läuten. Hinter Pitschis Rücken plant sie ihre Zukunft: Heirat, Kauf eines Grundstücks, Bau eines kleinen Häuschen, ein paar Kinder, Enkelkinder hüten...
Doch Pitschi verfällt alleine bei dem Gedanken an ein spießbürgerliches Familienleben fast in Panik. Beim Aufbruch zum alljährlichen Mallorca-Urlaub mit "Biene" und ihren gemeinsamen Freunden beschließt er, ein neues Leben zu beginnen. Irgendwo, Hauptsache weit weg von all dem muffigen Kleinbürgertum. Spontan täuscht er einen Raubüberfall auf sich selber vor, winkt den Abfliegenden zum Abschied, und kauft eine Flugkarte nach Buenos Aires, nachdem ihm eine freundliche Dame am Schalter eben dieses Reiseziel als ziemlich weit weg gelegen vorgeschlagen hatte,
Bereits während des Fluges beginnen die Probleme. Wie hätte er auch ahnen können, dass in Argentinien Winter herrscht, wenn in Europa Hochsommer ist? In Buenos Aires angekommen muss er denn auch feststellen, dass das Leben auch in Argentinien nicht ganz so einfach ist und der graue Alltag das Leben der meisten Einwohner beherrscht. Hat er am Ende etwa doch die falsche Entscheidung getroffen?
Rezension - Pitschi erwacht in der Realität
250-Seiten-Kur gegen Fernweh
Tommy Jaud setzt dort an, wo viele Tagträume enden: Bei der Flucht aus dem Alltag in ein fernes Paradies, wo es den ganzen Tag lang warm ist, die Menschen freundlich und fröhlich gesinnt sind und keine Alltagssorgen den Träumer bedrücken. Worüber Udo Jürgens dereinst in seinem wehmütigen Hit "ch war noch niemals in New York" nur sang, setzt Jaud in "Resturlaub" zumindest literarisch um. Sein Protagonist und Erzähler Pitschi erliegt dem Fernweh und lässt alles hinter sich. Dies ist ihm durchaus bewusst, weshalb er bei seiner überstürzten Abreise "Biene" einen Abschiedsbrief schreibt und darin seine Gründe für den radikalen Schritt aufführt.
Nun sei natürlich nicht verraten, welche Missgeschicke, aber auch freudigen Ereignisse dem Franken in Argentinien widerfahren. Eines haben sie allesamt gemeinsam: DIe Erkenntnis, überall auf der Welt ein Fremder zu sein. Überall, nur nicht in der Heimat, die er allmählich doch zu vermissen beginnt...
Tommy Jaud: Mindestens ein Lacher pro Seite
An sich selbst stellt der Autor höhere Anforderungen, als an seine Figuren. Mindestens einen Lacher pro Buchseite wolle er produzieren, so der Franke in einem Interview. Ob ihm dies gelingt, hängt natürlich vom Lesenden ab. Anspruchsvolle Literatur stellen "Vollidiot" oder eben "Resturlaub" bestimmt nicht dar. Oftmals werden sie als männliches Gegenstück zum Frauenroman bezeichnet, was der Wirklichkeit nicht ganz entspricht. Denn auch wenn nicht alle Pointen zünden und manche Situationsgags gar zu abstrus sind: Die humoristische Trefferquote ist enorm hoch und zielt erstaunlich selten auf die Körperteile südlich der Taille.
Somit bleiben viele Gags im Gedächtnis haften und erweisen sich nicht als simpler Selbstzweck, um den Roman als humoristisches Werk vermarkten zu können. Was Tommy Jaud beherrscht wie kein zweiter Gegenwartsautor aus Deutschland, ist das Aufspüren von Fettnäpfchen. Denn was bereitet mehr Spaß als fiktive Menschen zu beobachten, wie sie in peinliche Situationen geraten und beim Versuch des Herauswindens immer tiefer darin versinken?
Unbelohnter Kampf gegen den Deppenapostroph
So exotisch der Schauplatz Argentinien für die meisten Leser auch sein mag: Zumindest die deutsche Heimat dürfte den meisten halbwegs vertraut sein, inklusive ironischer Seitenhiebe auf die Popkultur und die alltägliche Heuchelei. Wenn der sturzbetrunkene Pitschi ausgerechnet auf der Hochzeitsfeier seines besten Freundes seine vorbereitete Rede nicht mehr findet und beim Improvisieren die Gäste inklusive seiner eigenen Freundin vor den Kopf stößt, erinnert man sich wohl unvermeidlicherweise an ganz ähnliche Situationen. Im besten Falle solche, die anderen Leuten zustießen...
Auch Pitschis Unzufriedenheit ist nachvollziehbar. Als Marketingchef einer kleinen Brauerei kann er nicht einmal die Beseitigung des Deppenapostrophs im Firmennamen umsetzen, da ihm der störrische Unternehmenspatriarch derlei "Unsinn" kategorisch untersagt. Allerdings läuft es in seiner neuen Wahlheimat auch nicht viel besser.
Sympathische Figurenzeichnungen in "Resturlaub"
Vielleicht lag es an der Kritik, dass die Charaktere in "Vollidiot" gar zu eindimensional gezeichnet seien. Jedenfalls hat Jaud in "Resturlaub" seinen Figuren erheblich mehr Tiefe und Schärfe verliehen als in seinem Debütwerk. Der Versuchung, etwa Freundin Sabine als nörgelnde Zicke bloßzustellen, widersteht Jaud erfolgreich. Selbst seinen argentinischen Nebenfiguren verleiht er eine mitunter tragikomische Würde.
Ach ja: Ganz ohne Vergangenheitsbezug kommt auch Jaud nicht aus. Dieser wird aber ironisch eingebunden. Beispielsweise in der Szene in einem argentinischen Kino, als Pitschi mit seiner auf Mallorca urlaubenden Freundin telefoniert, ihr versichert, dass alles in bester Ordnung sei, und währenddessen ausgerechnet Oliver Hirschbiegels "Der Untergang" lautstark über die Leinwand donnert - beinahe im Einklang mit Pitschis einstürzendem Lügengebäude.
Daten & Fakten
Originaltitel: "Resturlaub"
Autor: Tommy Jaud
Veröffentlichungsjahr: 2006
Seitenanzahl: 256 Seiten
Verlag: Scherz Verlag
Offizielle Website:www.tommyjaud.deFazit - Ideale Urlaubslektüre: "Resturlaub"
"Resturlaub" ist ein brüllend komischer Bestseller von Tommy Jaud, der sich als Nachfolger von "Vollidiot" würdig erweist. Ironischerweise stellt der Roman die ideale Urlaubslektüre für einen verregneten Tag oder entspannte Strandferien dar. Bloß sollten die Umliegenden oder Zimmernachbarn Verständnis dafür haben, wenn man immer wieder kichert oder in schallendes Gelächter ausbricht.
Sehr zu empfehlen ist auch die Hörbuchfassung, die wie gewohnt von Christoph-Maria Herbst gelesen wird.
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)