Aus dem Leben eines Indianers und des Autors - Sherman Alexie und seine Figur "Junior"

In seinem Roman "Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeitindianers" lässt der Autor den Leser Anteil nehmen an den tagebuchähnlichen Erinnerungen eines indianischen Jungen, der den Mut hat, aus den ihn umgebenden Grenzen auszubrechen und neue Wege zu beschreiten. Dabei setzt Sherman Alexie vor allem auf zweierlei: herzerfrischenden Humor und zu Herzen gehende Tiefsinnigkeit. Beides ist in geradezu perfekter Symbiose miteinander verbunden, so dass der Leser im selben Augenblick zu lachen und zu weinen vermag.

Im Mittelpunkt des Romans steht "Junior"

Die tragische und zugleich heldenhafte Hauptfigur ist Arnold Spirit, genannt "Junior", ein physisch leicht angeschlagener Spokane-Indianer, der sich nicht in sein Schicksal fügt, sondern seinen ganz eigenen Lebensweg geht. Junior stammt zwar aus einer armen, indianischen Familie, die, wie alle Indianer im Reservat, jegliche Hoffnung verloren hat und den Schmerz darüber in Alkohol und Depressionen erstickt, aber er will sich nicht mit diesem hoffnungslosen Dasein in den engen Grenzen eines Reservates zufrieden geben. Aus diesem Grund wagt er, auf den Rat eines Lehrers hin, den Schritt, an eine Schule zu gehen, an der er der einzige Indianer ist. In heiteren und zugleich sehr nachdenklichen Szenen beschreibt "Junior" den neuen Alltag mit all seinen Facetten. Gegen alle Anfeindungen, die ihm von Stammesseite und den vermeintlich bessergestellten "Weißen" entgegenschlagen, meistert er diese Herausforderung. Die größte Schwierigkeit ist dabei der Drahtseilakt, zwischen den so verschiedenen Kulturen zu pendeln, ohne die eigene Identität zu verlieren.

Bewegung zwischen zwei Welten

Der von "Junior" erlebte und häufig am eigenen Leib spürbare Graben zwischen der indianischen und der "weißen" Welt wird in den einzelnen Erzählungen immer wieder deutlich. Die Menschen seiner alten Lebenswelt, aber auch seiner neuen Umgebung begegnen ihm einerseits latent rassistisch, andererseits abwertend. Die Weißen sehen in ihm den zu verachtenden Indianer, seine Stammesbrüder, allen voran sein Freund Rowdy, empfinden seinen Schulwechsel als Verrat an ihren indianischen Wurzeln und Werten. So wird aus dem Indianerjungen ein Grenzgänger, der sich im Alter von 14 Jahren in einem bewegenden Hin und Her ganz neu definieren muss.

Rowdy, Gordy, Roger und Penelope sind "Juniors" Wegbegleiter

"Juniors" Entscheidung, an eine "weiße" Schule zu gehen, hat für ihn also weitreichende Folgen. Nicht nur für seinen Stamm ist er ein Verräter, sondern auch für seinen besten Freund Rowdy. In sehr detaillierten Szenen beschreibt der Roman die scheinbar entstehende Distanz zwischen den beiden, sonst unzertrennlichen Freunden. Immer wieder lassen die Eintragungen erkennen, wie sehr "Junior" sich wünscht, mit Rowdy im Reinen zu sein.

Aber es treten auch neue Menschen in sein Leben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten verschafft sich "Junior" im wahrsten Sinne mit einem Schlag den Respekt seiner Mitschüler und erobert, zumindest anfangs, das Herz der weißen Penelope. Auch zu seinem Mitschüler Gordy, wie "Junior" ein kluger Kopf, entwickelt sich eine immer tiefer werdende Freundschaft. So wird aus dem Einzelkämpfer in kleinen Schritten ein akzeptierter, seine eigenen Grenzen überschreitender Mitschüler. Ein Beispiel hierfür ist "Juniors" Aufnahme ins Basketballteam der Schule.

"Junior" gewährt einen Einblick in die Biographie des Autors

Der Roman "Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeitindianers" ist nicht nur ein fiktives Werk. In die Erlebnisse der Hauptperson sind Erfahrungen des Autors Sherman Alexie eingeflossen. Der Schulwechsel, die zu spürende Zerrissenheit und andere Details sind Fakten aus dem Leben von Sherman Alexie und lassen den Leser etwas von dem erahnen, was der Autor in seiner Jugend erleben musste und durfte. Die Kraft der Worte, die er verwendet, machen sehr eindrücklich deutlich, dass in diesem Roman auch eine Aufarbeitung der eigenen Geschichte ins Wort gebracht wird. Wer diesen Roman liest, wird nur schwer wieder aufhören können, denn mit jugendlicher Leichtigkeit und Unbekümmertheit, aber auch mit der Fähigkeit zu tiefgehenden Erkenntnissen wird hier nicht nur über alltägliche Ereignisse berichtet, sondern auch über so schmerzhafte Erfahrungen wie Tod, Einsamkeit und Verlust. Dieses Buch zu lesen ist einfach ein Erlebnis, das man nicht verpassen sollte.

Der Autor Sherman Alexie

Sherman Alexie wurde 1966 geboren und gehört zum Stamm der Spokane-Indianer. Er wuchs in einem Reservat im Bundesstaat Washington auf. Er lernte mit nur drei Jahren lesen und schaffte es, die Grenzen seines Reservates zu überschreiten.

Sherman Alexie verfasst Gedichte, Romane und Drehbücher. Aufgrund seiner Arbeiten hat er sich den Ruf erarbeitet, eine viel gehörte Stimme für das "andere", indianische Amerika zu sein. Für seine Werke wurde Sherman unter anderem mit dem National Book Award und dem Globe-Horn Book Award ausgezeichnet. Er lebt heute mit seiner Familie in der Metropole Seattle.

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