REZENSION: Marcellus - Der Merowinger
Der erste Band des zweiteiligen historischen Romans von Michael Kuhn ist im Ammianus Verlag erschienen. Wem die "Marcus-Trilogie" gefallen hat, wird auch hier Lesespaß finden.Das beginnende Mittelalter im Jahr 486
Michael Kuhns Anliegen, bei seinen Mitmenschen Interesse und Verständnis für die faszinierende Welt der Geschichte zu wecken, findet nach Abschluss seiner Trilogie über den Römer Marcus erneut Ausdruck in einem historischen Roman. Nachfolger des Soldats, der zum Tribun aufstieg, ist der junge Romane Marcellus, der im Westen Europas am Hof des Rheinfranken Sigibert das
Kriegshandwerk erlernt. Im beginnenden Mittelalter, dem Jahr 486, macht dies durchaus Sinn, zumal die Alamannen an den Grenzen aufmarschieren, um die Länder an Rhein und Mosel zu unterwerfen. Zur fiktiven Geschichte im Rahmen der historischen Fakten gehört bei Kuhn natürlich das Gefühls- und Liebesleben des heranwachsenden Helden und seiner jugendlichen Freunde.
Marcellus gegen Kloderich - Intrigen und Hinterlist
Kuhn führt seine Leser mit einer kurzen Szene in die Welt der Goten und Merowinger und lässt deren Wissen um die großen Anführer Theoderich und Chlodwig wach werden. Wie schon erfolgreich in der Marcus-Trilogie gehandhabt, stellt sich die Hauptperson im ersten Kapitel vor, dessen Überschrift "Wetterleuchten" bereits Unheil andeutet. Marcellus und seine Freunde Sebastianus und Quirinus bilden eine verschworenen Gemeinschaft und erfreuen sich am unbeschwerten Leben am Hofe von König Sigibert. Allein dessen tumber Sohn Kloderich, der sich vom Vater zurück gesetzt fühlt, und sein verschlagener und hinterlistiger Sauf- und Raufkumpan Hinkmar machen den Freunden Sorgen. Die Saat für Intrigen, Hinterlist und Mordanschläge ist
gesät und wächst zusehends im Schatten der sich unausweichlich zuspitzenden Situation, die im Krieg zu eskalieren droht. So macht Marcellus sich auf, als er das zwanzigste Lebensjahr erreicht hat, die verantwortungsvolle Aufgabe zu bewältigen, die König Sigibert ihm aufgetragen hat. "Die nun folgenden Ereignisse rissen mich unvermittelt aus meiner gewohnten Welt und stellten alles in Frage, woran ich bisher geglaubt hatte. Ich streifte es ab, das Kleid meiner Jugend, und wurde zum Mann", beginnt er seine Schilderungen.
Markus Kuhn (Bild: copyright: Günter Jagodzinska)
Es ist eine Welt im Aufbruch, die der Autor schildert. In seinem Roman bettet er historische Fakten
geschickt in Handlungen ein, die zwar vom Ablauf her nicht nachweisbar sind, aber sich dennoch genau so zugetragen haben könnten. Dabei wird das Zusammentreffen von Menschen, die den alten germanischen Göttern opfern und den Anhängern des sich mehr und mehr verbreitenden christlichen Glaubens ebenso zum Thema wie beispielsweise in Gasthausszenarien die Unterschiede zwischen dem einfachen Volk und den höher gestellten Höflingen. In der
Haupthandlung schildert Kuhn mit vielen Details ausgeschmückt die Erlebnisse der Abgesandschaft um Marcellus, die der burgundische Prinzessin Silingia und ihrem Hofstaat entgegen eilt, um ihr als
Begleitschutz auf dem Weg zu ihrem aus politisch taktischen Gründen zugesprochenen Bräutigam, dem verhassten Thronfolger Kloderich, zur Seite zu stehen.
Wer Marcus mochte, mag auch Marcellus
War es in den Romanen um Marcus die Priesterin Drusilla, ist es nun die geheimnisvolle Heilerin Ursula, mit der der Autor einen weiteren Aspekt der damaligen Zeit in Handlungen kleidet. Nicht nur diese Nebenepisode erinnert stark an Kuhns Erstling. Der Aufbau der Erzählsträge ist identisch, ebenso wie die Verliebtheit in die sich häufig wiederholende Beschreibung der Kleidung und der Waffen der Akteure. Ein ganz besonderes Faible scheint Kuhn für die "Franziska" zu haben. Zumindest lässt die unaufhörliche Erwähnung der merowingischen Sonderform der als gefürchtete Waffe eingesetzten Wurfaxt dies vermuten. Eine weitere Parallele findet der aufmerksame Leser in dem sich zart entwickelnden Liebesleben von Marcellus. Insgesamt gelingt der Spagat zwischen
realer Geschichtsvermittlung und darum gerankter Erzählung erneut recht spannend. Als literarische Einstufung passt am ehesten das Genre Abenteuerroman für Jugendliche, den auch Erwachsene gerne zur unkomplizierten Entspannung lesen.
Spurensuche
Auch diesmal schließt sich an den Roman im zweiten Teil die "Spurensuche"an. Hier wird in 17 Kapiteln die Reise der Romanfiguren nachvollzogen. Ausgehend vom belgischen Tongeren über Köln, Koblenz, Aachen, Jülich bis zum Weinort Erden an der Mosel führen die Stationen. Mit Hinweisen auf archäologische Funde und Besonderheiten, mit Fotos und Zeichnungen wird ein interessanter Abriss über die Orte der Handlung, so wie sie sich heute zeigen,
geboten. Die Geschichte wird lebendig und animiert zu einer Erkundung der Schauplätze.
MARCELLUS - Der Merowinger
MICHAEL KUHN
Ammianus Verlag
ISBN 978-3-9812285-3-3
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)