1.Terminale Geistesklarheit – eine Übersicht

Im ersten Kapitel berichtet Nahm über Fälle von terminaler Geistesklarheit, denen bestimmte physische oder psychische Erkrankungen vorausgingen. Der Zeitraum, in dem solche Fälle dokumentiert worden sind, reicht vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Und zwar geht es hier um terminale Geistesklarheit bei affektiven Störungen (die z.B. stark ausgeprägte Wahnvorstellungen und den Verlust des realistischen Bezugs zur Außenwelt beinhalten), bei Schizophrenie, bei Gehirnhautentzündung, bei Demenz und der Alzheimer'schen Erkrankung, bei Schlaganfällen, bei Abszessen und Tumoren im Gehirn, bei geistiger Behinderung sowie um terminale Geistesklarheit mit spirituellen Komponenten bzw. "Bezügen zum Jenseits". Letztere ist eigentlich Nahm zufolge keine eigene Kategorie, sondern spirituelle Komponenten scheinen generell, also unabhängig von der vorangegangenen Erkrankung, bei terminaler Geistesklarheit aufzutreten.

Vielleicht am spektakulärsten ist der Fall einer jungen Frau vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die wegen ihrer schweren geistigen Behinderung in einer Pflegeeinrichtung lebte, bei der außerdem zahlreiche Hirnhautentzündungen auftraten, die nie ein Wort sprach, an ihrer Umgebung scheinbar nicht den geringsten Anteil nahm, die aber kurz vor ihrem Tod laut und deutlich eine halbe Stunde lang sang, und zwar "Sterbelieder". Diese Frau hatte also trotz ihrer schweren geistigen Behinderung und der zusätzlichen Schädigung ihrer Gehirnrinde vielfältige Informationen aus ihrer Umwelt aufgenommen, sie verstanden und konnte sie zuletzt auch noch richtig "anwenden". – Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der Autor dieser Frau sein Buch gewidmet hat.

2. Erklärungsansätze für terminale Geistesklarheit

Bei der Suche nach einer Erklärung für terminale Geistesklarheit steht für Nahm die Frage im Vordergrund, ob sich diese auf die Biochemie des Gehirns zurückführen lässt, ob also der menschliche Geist samt seinen Gedanken und Gefühlen ausschließlich ein (Neben-)Produkt der biochemischen Reaktionsprozesse von für sich genommen toten Atomen und Molekülen im Gehirn ist oder ob der Geist des Menschen nicht in einem strikten 1:1-Verhältnis mit seiner Gehirnstruktur verquickt ist. Rätselhafte Gehirnbefunde – die im Mittelpunkt des dritten Kapitels stehen – sprechen seiner Meinung nach für die zweite Sichtweise.

3. Rätselhafte Gehirnbefunde

Zunächst berichtet Nahm im dritten Kapitel über Fälle, bei denen massive Gehirnverletzungen und drastische Operationen wie die Hemisphärektomie, also das Entfernen kompletter Großhirnhälften, offenbar keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf den Geisteszustand und das Erinnerungsvermögen des Betreffenden gehabt haben und bei denen es sogar zu Neubildungen des Sprachzentrums gekommen ist. Für Nahm sind solche Phänomene ein wichtiges Indiz dafür, dass die Aktivität des menschlichen Geistes die materielle Ausbildung des Gehirns steuert und neu konfiguriert, dass also der menschliche Geist samt seinem Willen de facto Macht über die neuronalen Prozesse im Gehirn besitzt.

Wichtige Belege dafür sind Nahm zufolge auch Fälle, bei denen Menschen aufgrund von Schlaganfällen oder sogenannten geistigen Entwicklungsstörungen wie Autismus "nach außen hin" in ihrer körperlichen und geistigen Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt sind, es sich aber im Nachhinein oder in bestimmten Situationen herausstellt, dass diese Menschen immer noch über einen intakten Persönlichkeitskern und ein funktionierendes Bewusstsein verfügen. Nahm spricht in diesem Zusammenhang vom Menschen hinter der Kulisse. Er verweist hier auch auf die Fälle von "Inselbegabungen", die sogenannten "Savants", die trotz anderweitiger geistiger oder auch körperlicher Einschränkungen auf ganz bestimmten Gebieten außergewöhnliche geistige Fähigkeiten besitzen wie beispielsweise ein phänomenales Gedächtnis. Ähnliches könne man bei den sogenannten "Wunderkindern" beobachten.

Nahm zufolge deutet insbesondere das Savant-Syndrom daraufhin, dass das Gehirn eine filternde und sortierende Funktion hat, die es einer dahinterstehenden eigenständigen und umfassenderen Seele erlaubt, aus den einströmenden Datenmassen nur das Wichtigste zu extrahieren, damit der Mensch auf der Erde ein geordnetes Leben führen kann. Und bei Savants scheine dieser Filter nicht mehr richtig zu funktionieren, so dass sie vollen Zugriff auf die gesamte Datenmasse eines bestimmten Wissensgebietes haben. Ein Savant habe also in einem Teilbereich Zugriff auf eine nahezu unbegrenzte Informationsflut und Speicherfähigkeit, die theoretisch in jedem von uns ungenutzt schlummern könnte. Nahm greift hier die Vorstellung auf, dass das Gehirn wie ein "Scanner" arbeitet und Informationsquellen abgreift, die nicht der physikalisch-materiellen Welt entstammen.

Ein weiteres Phänomen, das das von der Schulwissenschaft angenommene 1:1-Verhältnis zwischen Gehirn und Geist in Frage stellt, ist – so Nahm – das Vorhandensein von hoher Intelligenz bei Personen, die eine ungewöhnlich geringe Gehirnmasse besitzen, wie es bei Menschen der Fall sein kann, die am Wasserkopf-Syndrom (Hydrozephalus) leiden.

4. Unerklärte körperliche Veränderungen

Im Mittelpunkt des 4. Kapitels stehen ungewöhnliche Heilungen und körperliche Veränderungen, die scheinbar öfter in Todesnähe, aber auch in anderen Situationen, auftreten und die für Nahm weitere Indizien dafür darstellen, dass der menschliche Geist ganz direkt den Körper auf die verschiedensten Weisen beeinflussen und verändern kann. Nahm verweist hier u.a. auf die Beobachtung, dass Menschen mit dunklen Haaren über Nacht oder zumindest binnen weniger Tage schneeweiße Haare bekommen haben.

Wie Nahm zeigt, können aber auch Nahtod-Erfahrungen erhebliche körperliche Auswirkungen haben. Und zwar handelt es sich hier um rätselhafte Heilungen schwerwiegender Erkrankungen, die Verbesserung von Organfunktionen und das Verschwinden von Bewegungseinschränkungen sowie die "Robustheit" des Gehirns bei langanhaltendem Sauerstoffmangel. Andere spektakuläre Phänomene, über die Nahm berichtet, sind Wunderheilungen und die hypnotische Suggestion, bei der auf geistigem Wege Heilungen bewirkt, aber auch Verletzungen hervorgerufen werden können, sowie andere körperliche Veränderungen, die scheinbar allein auf die "Macht des Geistes" zurückzuführen sind.

Für Nahm hat man es hier mit einer ununterbrochenen Kette von Bewusstseinszuständen zu tun, angefangen bei außergewöhnlich intensiven Bewusstseinszuständen, wie sie Erfahrungen in Todesnähe mit sich bringen, bis hin zu "Normalzuständen", wo offenbar nur noch der Glaube, dass eine bestimmte körperliche Reaktion eintreten muss, der entscheidende Auslöser dafür ist, dass sie tatsächlich auch eintritt. Seiner Meinung nach setzt etwas Geistig-Psychisches in all diesen Fällen die notwendigen Akzente. Etwas Geistig-Psychisches besitze eigenständige Möglichkeiten, auf körperliche Prozesse einzuwirken (Psychokinese). Konsequent zu Ende gedacht, würde dies Nahm zufolge bedeuten, dass geistige Prozesse unter gewissen Umständen auch unabhängig von den jeweils herrschenden Gehirnzuständen möglich sind. Darauf verweisen seiner Meinung nach vor allem die Nahtoderfahrungen, denen er das fünfte Kapitel widmet.

5. Nahtod-Erfahrungen

Die Unabhängigkeit geistiger Prozesse von den jeweiligen Gehirnzuständen steht, wie Nahm betont, in engem Zusammenhang mit dem – Nahtod-Erfahrungen häufig einleitenden - Austritt des Bewusstseins aus dem Körper. Und zwar geht es hier um den Umstand, dass Menschen im außerkörperlichen Zustand über eine Wahrnehmungsfähigkeit verfügen, die der normalen Wahrnehmungsfähigkeit entspricht oder sie sogar noch deutlich übersteigt, so dass sie auch weit entfernte Sachverhalte beobachten können. Hinzu komme, dass auch blinde Menschen während außerkörperlicher Erfahrungen offenbar über eine Art Sicht verfügen können. Diese Beobachtungen könnte man Nahm zufolge so deuten, dass in dieser Situation das von der behindernden Körpermaterie befreite Ich-Bewusstsein sein angestammtes Potenzial entfaltet und wahrnimmt, was ihm sonst verborgen bliebe. Hier werde also ein gesteigertes Wahrnehmen und Erkennen möglich, das nicht mehr an die körperlichen Sinnesorgane und die Vermittlung des Gehirns gebunden ist. Außerkörperliche Erfahrungen und damit eine "Emanzipation" des Geistes vom Gehirn und den körperlichen Sinnesorganen können seiner Meinung nach aber auch bei terminaler Geistesklarheit und den anderen von ihm geschilderten Rätseln der Gehirnfunktionen eine große Rolle spielen.

6. Todesnähe-Visionen

Im sechsten Kapitel beschreibt Nahm die Affinität von Nahtod-Erfahrungen zu Visionen, die in Todesnähe erlebt werden. Und zwar komme es hier gleichermaßen zu Begegnungen mit Verstorbenen, die dem Betroffenen nahe standen. Ein Unterschied besteht – so Nahm - darin, dass bei Nahtod-Erfahrungen die Verstorbenen die Aufgabe haben, den schwerkranken Menschen in seinen Körper und damit ins Leben zurückzuschicken, während bei Todesnähe-Visionen die Verstorbenen den Todkranken auf seine Reise ins Jenseits vorbereiten und ihn abholen. Man könne auch sagen, dass sich bei einer Nahtod-Erfahrung das Bewusstsein des Betroffenen einer jenseitigen Welt samt ihren Bewohnern annähert, während sich umgekehrt während einer Todesnähe-Vision Bewohner dieser jenseitigen Welt dem Bewusstsein des sterbenden Menschen zu nähern scheinen, wie es auch bei der terminalen Geistesklarheit der Fall sei.

7. Rätselhafte Musik in Todesnähe

Im siebten Abschnitt beschreibt Nahm etwas äußerst Mysteriöses, das sowohl für Nahtod-Erfahrungen als auch für Todesnähe-Visionen charakteristisch ist, nämlich das Hören einer unbeschreiblich schönen und sphärischen Musik, die mit keiner jemals auf Erden gehörten Musik verglichen werden kann, wobei erstaunlicherweise diese Musik in der Regel sowohl von Sterbenden als auch von ihren Angehörigen oder Ärzten gehört wird. Nahm zufolge könnte man diesbezüglich von Sterbeprozessen sprechen, die gemeinsam von Sterbenden und ihren Angehörigen erlebt werden. Seiner Meinung nach könnte dies bedeuten, dass in Todesnähe Aspekte der sonst verborgenen geistig-psychischen Seinssphäre in das Wachbewusstsein der Menschen eindringen und insbesondere diejenigen miteinander verbinden, die sich sehr nahestehen.

8. Rätselhafte Lichter und Nebel in Todesnähe

Wenn während des Sterbeprozesses tatsächlich so etwas wie die Seele den Körper verlassen sollte, so könnte man, wie Nahm betont, annehmen, dass dieses Austreten zumindest gelegentlich auch von anderen Menschen beobachtet werden kann. Tatsächlich gebe es zahlreiche Berichte über Lichterscheinungen, die den Kopf des Sterbenden umgeben, sowie über Schleier, Nebel, Lichter und – menschenähnliche – feinstoffliche Strukturen, die seinen Körper zu verlassen scheinen.

9. Die Hintergrundrealität des Seins

In den beiden letzten Kapiteln möchte Nahm die verschiedenen Fäden des Buchs in einen größeren Zusammenhang einbetten, rekapitulieren und zusammenführen.

Zunächst macht er deutlich, dass die Beweislast dafür, dass in Todesnähe Ereignisse stattfinden, die an die Existenz einer verborgenen Seinsweise denken lassen, nicht so groß ist, wie es zunächst scheinen mag. Vieles deutet – so Nahm - bei genauerem Hinsehen darauf hin, und die Annahme einer normalerweise verborgenen Realitätsschicht werde zudem durch wissenschaftliche Befunde aus den Bereichen der Physik, der Biologie und der Parapsychologie unterstützt. So seien die Vertreter der modernen Physik davon überzeugt, dass der Urgrund der Welt nicht aus dem besteht, was wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen können. Diese verborgene Hintergrundrealität habe vielmehr geistig-psychische Qualitäten oder Aspekte, die sich in den Phänomenen der Quantenphysik widerspiegeln. Auch die Entstehung des Lebens und der Ablauf des Evolutionsprozesses hätten hier ihre Wurzeln.

Nahm folgert daraus, dass unsere üblicherweise wahrnehmbare Umwelt nur einen Ausschnitt aus einem erheblich komplexeren Realitätszusammenhang darstellt, der uns "normalerweise" nicht zugänglich ist, weil wir sonst durch eine zu große Fülle von Sinneseindrücken überfordert würden. Bei besonders emotionalen Zuständen und in Todesnähe könnte jedoch der Schleier, der unsere Alltagswelt von ihrem Hintergrund trennt, dünn und durchlässig werden, so dass Wahrnehmungen möglich werden, die über das Leistungsvermögen der körperlichen Sinnesorgane weit hinausgehen.

10. Der Tod als Freund

In letzter Konsequenz könnten, wie Nahm im Schlusskapitel betont, die von ihm vorgelegten Erkenntnisse zu terminaler Geistesklarheit, Nahtod-Erfahrungen und Visionen in Todesnähe zu einer anderen, "entspannteren" Sicht auf den Tod führen. Er bezieht sich hier auf die Vorstellung des Philosophen Friedrich Schelling, dass sich im Tod der eigentliche Wesenskern des menschlichen Geistes herausdestilliere und dass dieser zu gesteigerter Natur- und Selbsterkenntnis fähig sei. Vielleicht noch schöner ist seine eigene Beschreibung dieses Prozesses, wenn er davon spricht, dass die Seele des Menschen ihre Schwingen ausbreitet und sich auf den Weg in die verborgene Hintergrundrealität des Lebens mit ihren geistig-psychischen Seinsshären macht.

Für Nahm gibt es jedenfalls kaum etwas Spannenderes als die Beschäftigung mit der Frage, ob nicht vielleicht – obwohl wir zweifellos in unseres irdischen Dasein wichtige Aufgaben zu erfüllen haben - unser wahres Leben erst hinter der Pforte des Todes beginnt und sich auf ungeahnte Horizonte zubewegt. – Seiner wiederholten Forderung an die Adresse der Wissenschaft, sich endlich ernsthaft, ohne Scheuklappen und Vorurteile mit dieser Frage auseinanderzusetzen, kann man sich nur anschließen und hoffen, dass diese endlich auf Resonanz stößt.

 

 

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