Die römisch-katholische Kirche und ihr Glaubwürdigkeitsproblem - Wenn eine religiöse Gemeinschaft ihren Auftrag verliert

Im Gegensatz zu früher, als die Gläubigen aus Unwissenheit die Lehren der Kirche einfach unkritisch akzeptierten, hat sich vor allem in den letzten Jahrzehnten der Horizont vieler Katholiken geweitet und vieles, was die Kirche sagt und lehrt, wird heute verstärkt hinterfragt. Vor allem, wenn sich die Kirche zu Themen der Moral- und Sittenlehre äußert, ruft dies bei nicht wenigen ein Kopfschütteln hervor. Inzwischen lebt ein Großteil der Gläubigen zwar als bekennende Christen, hält sich aber zurecht nur selten an das, was gelehrt wird. Denn bei vielen Themen hinkt die Kirche der Realität hinterher.

Homosexualität gilt immer noch als Sünde

Als auf Initiative Frankreichs in diesen Tagen vor der UN ein Antrag zur Ächtung der Strafverfolgung wegen Homosexualität zum Thema gemacht wurde, weigerte sich die katholische Kirche, einen solchen Antrag zu unterstützen. Zur Begründung hieß es, ein solcher Antrag stärke all jene, die sich für die Homo-Ehe einsetzen. Die Kirche akzeptiert in der Konsequenz lieber die Todesstrafe, die in einigen Ländern immer noch auf Homosexualität steht, bevor sie von ihren veralteten Ansichten abgeht. Überhaupt ist dieses Thema in der Kirche immer noch ein tabu. Im neuen Katechismus der katholischen Kirche ist zu lesen, dass zwar die homosexuelle Neigung selbst noch keine Sünde sei, ihr Ausleben allerdings eine schwere Sünde. Zudem wird Homosexualität in vielen Fällen von Kirchenoberen noch immer als Krankheit angesehen, warum sonst wird Priestern, die sich als schwul outen, eine Therapie angeboten.

Sexuell auffällig gewordene Priester dürfen weiter Seelsorger sein

In den letzten Jahren hatte die katholische Kirche immer wieder mit Fällen von Priestern zu kämpfen, die sich als pädophil erwiesen und in der Vergangenheit an ihnen anvertrauten Kindern vergriffen haben. Das jüngste Beispiel für die Inkonsequenz der katholischen Kirche ist der Fall des ehemaligen St. Pöltener Subregens, der sich in eindeutigen Posen fotografieren ließ und in dessen Priesterseminar die Polizei hunderte von pornographischen Kinderfotos fand. Jetzt ist er wieder in Amt und Würden und betreibt in einer bayerischen Diözese Seelsorge. Da dies leider nicht der einzige Fall ist, in dem ein auffällig gewordener Priester in seinen Dienst zurückkehren durften, darf man durchaus die Frage stellen, wie es die katholische Kirche mit den rechtlichen Konsequenzen hält und in welcher Weise sie ihre Verantwortung wahrnimmt, die sie vor allem gegenüber Kindern und Jugendlichen hat. Immerhin kommt jeder Priester, selbst wenn er in einem Altenheim seinen Dienst versieht, täglich mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt und hat so die Möglichkeit, seine Sexualität weiter unter dem Dach der Kirche auszuleben oder gar aufs Neue Kinderseelen zu zerstören.

Geschiedene und Wiederverheiratete haben unter der kirchlichen Lehre zu leiden

Die Ehe war und ist für die katholische Kirche ein hohes Gut und Sakrament. Die Liebe zu einem Menschen kann erlöschen, es kann zu unüberwindbaren Spannungen kommen und sogar zu interfamiliärer Gewalt. Lässt sich beispielsweise eine misshandelte Ehefrau staatlich scheiden, so gilt sie kirchlich weiterhin als verheiratet. Natürlich kann sie versuchen, die Ehe auch kirchlich annullieren zu lassen, was aber einen langwierigen, vor einem Kirchengericht geführten Prozess nach sich zieht. Dabei liegt die Beweislast stets bei dem Partner, der die Annullierung anstrebt. Wird die Ehe annulliert, ist alles gut. Kommt es letztlich zu keiner Annullierung, so dürfen die Partner kirchlich nicht wieder heiraten und gelten für die katholische Kirche, falls sie einen neuen Partner finden und diesen staatlich ehelichen, als Sünder, die von verschiedenen Sakramenten (Beichte, Kommunion) ausgeschlossen sind. Hier werden die Sakramente, die doch Zeichen der Liebe sind, als Druckmittel eingesetzt. Das ist für viele Betroffene, eine extreme Belastung. Die katholische Kirche konnte sich bisher nicht dazu entschließen, beispielsweise die Vorgehensweise der orthodoxen Kirche zu übernehmen und Betroffenen nach einer gewissen Zeit eine neue, auch kirchlich anerkannte Ehe zu erlauben. Lieber stürzt sie sie in große Gewissensnot und riskiert, diese als Mitglieder zu verlieren.

Sexualität und Verhütung als ständiger Diskussionspunkt

In der langen Tradition der katholischen Kirche gehört das Ausleben der Sexualität ausschließlich in den Bereich der Ehe und Verhütung ist, ausgenommen ist die natürliche Verhütung, nach der Lehre der Kirche nicht erlaubt. Aber im Gegensatz zur Kirche hat sich die Gesellschaft gewandelt, viele möchten nicht mehr heiraten und auch keine Kinder. Deshalb sind Kondome, die vieldiskutierte Pille und andere Verhütungsmittel inzwischen eine Alltäglichkeit. Zudem haben sich viele Krankheiten wie beispielsweise AIDS entwickelt, die Verhütung zu einem unumgänglichen, weil lebensrettendem Hilfsmittel machen. Dennoch bleibt die katholische Kirche bei ihrem Verbot und wird nicht müde, dies immer neu zu unterstreichen. Umfragen vor allem unter Jugendlichen haben gezeigt, dass sich die wenigsten noch an dieses Verbot halten. Es wird sowohl die Sexualität außerhalb der Ehe ausgelebt als auch auf Verhütungsmittel zurückgegriffen. Das verführt zu der Frage, wann die Kirche erkennt, dass sie von der Realität bereits überrollt wurde und daraus Konsequenzen zieht, die der heutigen Gesellschaft dienen und den Menschen nicht den Eindruck vermitteln, dass sie als Institution nicht dazu prädestiniert ist, dem heutigen Menschen den Weg zu weisen.

Kirche hat den Auftrag zur Veränderung

"Ecclesia semper reformanda", so heißt ein Leitspruch der katholischen Kirche. Kirche muss eine sich immer neu definierende und gestaltende Institution sein, nicht zum Leid der Menschen, sondern zu ihrem Wohl. Im Augenblick präsentiert sie sich allerdings nicht in diesem Sinne und es wäre zu wünschen, dass die Verantwortlichen den eben genannten Auftrag wieder für sich entdecken und den Mut haben, ihn auch bei Themen wie Verhütung, Kindesmissbrauch durch Geistliche oder Homosexualität umzusetzen. Nur so wird die Kirche eine lebendige und nicht zum Tode verurteilte Gemeinschaft bleiben.

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