Rüdiger Nehberg und TARGET im Einsatz gegen weibliche Genitalverstümmelung
TARGET - das sind in erster Linie Rüdiger Nehberg und seiner Frau, Annette Weber. Zwei Menschenfreunde, die seit Jahren alles daran setzen, um die weibliche Genitalverstümmelung weltweit zu verbieten.TARGET und wie alles begann
Rüdiger Nehberg, geboren 1935, war über 25 Jahre lang in Hamburg erfolgreich als Konditor mit 3 Geschäften und 50 Angestellten tätig. Wirklich erfüllt hatte ihn diese Arbeit, laut eigener Aussage, jedoch nicht. Schon von Kindesbeinen an reizte ihn das Abenteuer. Bereits in den 70er-und 80er-Jahren erregte er großes Medien-Aufsehen mit spektakulären Aktionen wie Floßfahrt auf dem Blauen Nil, Überquerung des Atlantiks mit einem Tretbot und später auf einem Floß. Er wanderte alleine durch den Regenwald und mit Kamelen durch die Danakilwüste.
Im September 2000 gründete er die gemeinnützige Menschenrechtsorganisation TARGET. Mit seiner Frau, Annette Weber und seinem Team setzt er sich seither gegen die weibliche Genitalverstümmelung ein. Es war das Buch ''Wüstenblume'' von Waris Dirie, das beide 1999 emotional so stark bewegte, dass sie seinerzeit fest entschlossen waren, alles ihnen Mögliche zu versuchen, diesem Verbrechen ein Ende zu setzen. Ein scheinbar aussichtsloses Vorhaben, haben es doch selbst Organisationen wie die UNO, UNICEF und viele andere bis heute nicht geschafft, diesen seit 5.000 Jahren praktizierten Brauch für immer abzuschaffen. Doch die bisher erzielten Erfolge von TARGET sind beträchtlich und machen zuversichtlich.
Rüdiger Nehberg wurde für sein humanitäres Engagement vielfach ausgezeichnet, unter anderem zweimal mit dem Bundesverdienstkreuz und für den TARGET-Film ''Die Sache – Feldzug gegen ein Tabu'' erhielten er und seine Frau 2007 den GOLD AWARD und SPECIAL AWARD. Er ist Autor zahlreicher Bücher und auch in Talkshows gern gesehener Gast.
Was ist unter Genitalverstümmelung (englisch: Female Genital Mutilation - FGM ) zu verstehen?
Die Praxis, die bei Mädchen und Frauen lebenslang psychische und physische Schmerzen verursacht, steht seit Jahrzehnten weltweit in der Kritik von Menschen- und Frauenrechtsorganisationen. Die Vereinten Nationen (UN), UNICEF, UNIFEM, Amnesty International und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufen sie als massive Verletzung des Menschenrechtes auf körperliche Unversehrtheit ein. Die Praxis gilt nach dem Strafrecht vieler Staaten als Straftat. Obwohl offiziell verboten, sind die Rituale der Beschneidung in circa 30 Ländern noch tief verwurzelt, aber auch in einigen christlichen Ländern finden sie statt.
Die WHO unterscheidet 4 Formen der weiblichen Genitalverstümmelung:
Typ I: Fast ausnahmslos wird die Klitoris zum Teil oder vollständig amputiert (Klitoridektomie).
Typ II: Bei der Exzision werden über eine teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris hinaus auch die inneren Labien (Schamlippen) zum Teil oder komplett herausgeschnitten. Es kommt vor, dass zusätzlich Haut und Gewebe aus der Vagina ausgeschabt werden (Introcision).
Typ III: In etwa 15 Prozent aller Fälle werden außerdem die äußeren Labien teilamputiert und über der Vagina so miteinander vernäht, dass lediglich eine reiskorngroße Öffnung für Urin und Menstruationsblut verbleibt (Infibulation). Diese als schwerste Form bezeichneter Typ III ist vorwiegend in Ostafrika verbreitet. In Somalia (so auch bei den in Kenia lebenden Somali) sind über 95 Prozent der Frauen infibuliert.
Typ IV: sind Mischformen (Ätzungen, Ritzungen, Schabungen teilweise ohne Vernähen u.s.w.), die nicht den ersten drei Typen zugeordnet werden können.
(aus: Aktionsgemeinschaft für Kinder- und Frauenrechte - akifra)
Die Beschneidungen, die oft eine halbe Stunde dauern und ohne Narkose durchgeführt werden, finden meist in einfachen Hütten unter katastrophalen hygienischen Bedingungen statt. Operateure sind traditionelle Heilerinnen, Hebammen und Barbiere. Mehrere Frauen halten die Mädchen während der Operation mit Gewalt fest. Die Instrumente reichen von Rasierklingen über Messer, stumpfe Scheren, Glasscherben bis zu Deckeln von Konservendosen.
(Bild: Ulla Trampert / pixelio.de)
Womit wird die FGM begründet und von wem?
Dieses Verbrechen wird auch heute noch von Muslimen mit dem Koran begründet. Sehr viele Vorurteile liegen dem zugrunde. Doch nirgendwo im Koran ist etwas zu finden, was diese Praktik rechtfertigen könnte, so Dr. Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime auf der von TARGET- Konferenz in Kairo: ''Was mit den Frauen gemacht wird, ist sogar gegen unsere Religion. Nirgends im Koran wird das gefordert. Ganz im Gegenteil: In Sure 95 'Die Feige' heißt es in Vers 4: 'Wahrlich, WIR haben den Menschen in schönstem Ebenmaß erschaffen'. Das heißt mit anderen Worten, Mann und Frau sind perfekt. Da bedarf es keiner Korrektur durch den Menschen."
Meist sind es Analphabeten, die sich nie davon überzeugen konnten und können, dass der Koran diesen Brauch nicht fordert.
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Äthiopien - wo alles begann
TARGET's Arbeit begann in Äthiopien, einem Land, das Rüdiger Nehberg schon aus den 70er-Jahren vertraut war, als er mit Freunden die Danakil-Wüste durchquerte, dort in Gefangenschaft geriet und dank seiner muslimischen Freunde wieder frei kam. Seither fühlt er sich dem Islam und den dortigen Menschen in Dankbarkeit verbunden.
Seit 2002 hat TARGET in Äthiopien, Mauretanien und Ägypten 3 Konferenzen ins Leben gerufen und finanziert, zu denen zahlreiche hochrangige, internationale Geistliche, Politiker und Wissenschaftler kamen wie zum Beispiel Prof. Dr. Ali Gom'a, höchster Gelehrter für theologisches Recht im Justizministerium Ägyptens, Prof. Dr. Muhammad Sayed Tantawi, Großsheikh der Al-Azhar-Universität in Kairo - eine der angesehensten Bildungsinstitutionen der islamischen Welt und Prof. Dr. Mahmoud Hamdi Zakzouk, Minister für religiöse Angelegenheiten von Ägypten.
Hier sahen alle Anwesenden auch zum erstenmal den von Annette Weber in Äthiopien gedrehten Film über die Genitalverstümmelung an einem jungen Mädchen. Mit großer Betroffenheit beschloss man am Ende der Tagung in Kairo übereinstimmend, dieses Verbrechen gesetzlich zu verbieten und unter Strafe zu stellen, da die Genitalverstümmelung mit der Ethik des Islam unvereinbar sei. ''Die Frau muss in ihrer Natur so bleiben, wie Gott sie geschaffen hat. Beschneidung ist eine Veränderung und Schändung der Natur'' so Sheikh Qaradawi.
Dieses neue Wissen will TARGET weiter verbreiten, auch mit Hilfe des selbst produzierten ''Goldenen Buches'', das in allen 35 Ländern, in denen die Weibliche Genitalverstümmelung noch üblich ist, exklusiv und gratis an die Vorbeter der Moscheen verteilt werden kann.
Neben TARGET widmen sich weltweit auch zahlreiche andere Organisationen diesem Thema wie zum Beispiel:
''Menschen für Menschen'', (gegründet von Karlheinz Böhm)
Desert Flower Foundation (gegründet von Waris Dirie)
Der 6. Februar wurde im Jahr 2003 vom Inter-African Committee on Traditional Practices Affecting the Health of Women and Children (IAC) zum ''Internationalen Tag gegen Weibliche Genitalverstümmelung'' ausgerufen.
Angestrebtes Ziel muss es weiterhin sein, durch noch intensivere Aufklärung, Spenden und Engagement die Genitalbeschneidung zu verbieten und einen solchen Tag in Zukunft überflüssig zu machen.