Schauplatz Tatort: Rezension
Im Callwey-Verlag ist ein wunderschönes Buch über die Fernsehserie Tatort erschienen: Ein "Muss" für alle, die mehr über die Hintergründe der Kult-Serie erfahren wollen.Das Buch versteht sich - auch - als Buch über Architektur. Es will die erzählerischen Effekte von Architektur darstellen und zeigen, wie Stadtraum, Tatort und Gesellschaft interagieren. Dabei wechseln sich systematische Teile mit Essays, Reportagen und Interviews ab.
Im ersten Teil des Buchs werden die jeweiligen Teams systematisch vorgestellt: Wir erfahren Namen und Dienstgrad der Kommissare und deren Darsteller, wie lange sie schon "im Dienst" sind, und wie viele Folgen schon gedreht wurden. Dann folgt eine kurze Darstellung der Familien- und Wohnsituation der Kommissare. Entsprechende Kommentare schlagen eine Brücke zwischen Figur und Architektur.
Ein zweiter systematischer Teil folgt im Mittelteil des Buches: Hier werden die Tatort-Städte vorgestellt. Dabei wird viel Wert darauf gelegt, die Entwicklung der Stadt nachzuvollziehen. "Der Tatort konserviert die Ansicht auf Gebäude, Restaurants, Bahnhöfe und ganzer Straßenzüge der 1970er und 1980er Jahre", schreiben die Herausgeber im Vorwort zu diesem Kapitel. Besonders schöne, großformatige Bilder lassen die Atmosphäre der Stadt lebendig werden. Als Österreicherin muss ich leider bemerken, dass Wien nicht als "Tatort-Stadt" angeführt wird und auch Konstanz habe ich vermisst.
Ein guter Teil des Buches besteht jedoch aus Essays und Interviews zu den verschiedensten Aspekten des Tatorts: So schreibt Oliner Elsner in seinem Essay "Häuser Undercover - auch Gebäude müssen gute Schauspieler sein" über die Inszenierungen von Orten und Gebäuden. Wir erfahren wie Szenenbildnerinnen Stimmung inszenzieren. Alexander Gutzmer schreibt über weibliche Ermittlerinnen. In Interviews kommen die Darsteller und Darstellerinnen zu Wort, unter anderem Mehmet Kurtulus, Stefan Konarske, Andreas Hoppe und Adele Neuhauser. Doch so unterschiedlich die Zugänge sein mögen: Der rote Faden ist immer das Verhältnis zwischen Orten, Figuren und Geschichten.
Ein Buch für jeden Tatort Fan
Nimmt man das Buch in die Hand und blättert, fällt als Erstes auf, wie schön das Buch ist: In Zeiten der ebooks mag man manchmal vergessen, dass ein Buch mehr sein kann als Information auf weißem Hintergrund. Hier hat sich jemand wirklich Mühe mit der Gestaltung gemacht: Reiche Bebilderung und kreative Typografie fügen sich zu einem Gesamtkunstwerk zusammen. Der hochwertige Hardcover-Einband unterstreicht das Gefühl, wirklich wieder einmal ein Buch in der Hand zu haben, das einen Ehrenplatz im Regal verdient. Form und Inhalt fügen sich ineinander: Das Buch behandelt hauptsächlich die ästhetischen und künstlerischen Facetten des Tatort und ebenso ästhetisch ist das Buch - ein optisches und haptisches Vergnügen.
Ich lese das Buch unter zwei Aspekten: Da ist einmal das Lexikalische, das Nachschlagwerk. Um ehrlich zu sein, ich mag nicht Seite für Seite systematisch durchackern, in welcher Wohnung die Kommissarin welcher Stadt wohnt. Ich muss keine Schularbeit über den Tatort schreiben, in der dieses Wissen abgeprüft wird. Ich bin auch keine Architektin, sehe die Systematik nicht unter einem professionellen Blick. So etwas schaue ich nach, wenn ich eine Sendung aus der jeweiligen Stadt gesehen haben und Hintergrundinformationen möchte. Oder ich schmökere, vergleiche, springe hin- und her, lese mich vielleicht irgendwo fest und dann ist es auch wieder gut.
Und dann gibt es den Teil, den ich Lese-Teil nenne: Interviews, Hintergründe, Perspekiven beteiligter Personen. Für mich ist dieser Teil das Fleisch auf den Knochen, hier erfahre ich Hintergründe, subjektive Blickwinkel und individuelle Geschichten. Hier wird der Tatort lebendig. Ich bekomme Einblicke in die mir fremde Welt des Filme-Machens und erfahre nebenbei, dass "Gerichtsmediziner Dr. Josef Roth" im Zivilberuf Arzt in einem Gefängnis ist oder dass Horst Lettenmayer, das ist der Mann, dem die berühmten Augen und Beine im Vorspann gehören, gerade einmal 400 D-Mark bekommen hat. "Schauplatz Tatort" ist ein wunderbares Buch für all Tatort-Fans, die sich vertiefen oder auch einfach nur ein wenig schmökern wollen. Ich kann es allen, die jeden Sonntag Abend vor dem "Tatort" sitzen, wärmstens empfehlen.
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Schauplatz Tatort: Die Architektur, der Film und der Tod
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)