Sebastian Fitzek: Die Therapie
Erfolgreiches Thriller-Debüt: Was steckt hinter dem spurlosen Verschwinden der Tochter eines berühmten Psychologen?Was weiß Anna Spiegel?
Die 12-jährige Josy verschwindet spurlos aus einer Arztpraxis und taucht nie wieder auf. Ihr Vater, der bekannte Psychiater Viktor Larenz, zerbricht an diesem Schicksalsschlag und zieht sich auf die Nordseeinsel Parkum zurück.
Einige Jahre später sucht ihn eine geheimnisvolle junge Frau namens Anna Spiegel auf, die behauptet, an Wahnvorstellungen von einem Mädchen zu leiden, das wie Josy aussieht. Zunächst glaubt Larenz an einen schlechten Scherz. Doch mysteriöse Vorgänge auf der Insel bestärken ihn in dem Verdacht, dass Anna tatsächlich wissen könnte, was es mit dem Verschwinden seiner Tochter auf sich hat.
Vorhersehbarer Plot-Twist
Bereits mit seinem Debütroman schaffte der junge Autor Sebastian Fitzek das Kunststück, die Bestsellerlisten zu erobern. Seither ist er aus der Thrillerszene nicht mehr wegzudenken und die Nachfolgeromane wie "Amokspiel" und "Das Kind" besetzten gleichfalls die vordersten Ränge der Buchcharts.
Vielfach wurde sein Thriller "Die Therapie" mit den Werken amerikanischer Berufskollegen verglichen. Nicht zu unrecht, da Fitzek gleich zu Beginn enormes Tempo vorlegt und den direkten Einstieg ins mysteriöse Szenario wählt, anstatt eine Vorgeschichte auszubreiten. Leider erweist sich der vielversprechende Anfang als Höhepunkt des Romans. Denn obwohl sich der Autor redlich bemüht konstant Spannung aufzubauen und fast jedes der kurz bemessenen Kapitel mit einem Cliffhänger enden lässt, will sich der erhoffte Effekt nicht so recht einstellen. Durchaus verzeihlich bei einem Debütroman, beging Fitzek nämlich den Fehler, allerlei mysteriöse Vorgänge in den Spannungsraum zu werfen, ohne dem Leser wenigstens ansatzweise Erklärungen anzubieten. Somit gleicht der Roman einem intellektuell verschwurbelten Autorenfilm der Marke: "Und was will mir der Künstler nun damit wieder sagen?"
Taschenbuchausgabe des Bestsellers von Sebastian Fitzek
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Die Pointe ist das Buch
Je weiter das Buch voranschreitet, desto klarer wird, dass die "Pointe" - warum ist Josy verschwunden? - das einzige Herzstück des Romans bildet. Alle anderen Elemente bleiben hierbei auf der Strecke. Bei einer Kurzgeschichte funktioniert das Unterordnen des Plots zugunsten der Pointe - bei einem Roman hingegen bewirkt dies zunehmende Langeweile. Im Fall der "Therapie" verfällt die Handlung sogar in kompletten Stillstand und die stetigen Wiederholungen des Erlebten oder Gesagten beginnen an den Nerven des Lesers zu rütteln - allerdings nicht im gewünschten Sinne.
Die Vermutung liegt nahe, dass Fitzek zunächst den Plot-Twist vor Augen hatte und rund um diesen herum die Handlung aufbaute. Für eine originelle Kurzgeschichte hätte dieses Szenario allemal gelangt. Doch auf Romanlänge gedehnt zieht sich der Plot in die Länge und kollabiert völlig, sobald die Auflösung ersichtlich ist. Überhaupt, die Auflösung: Natürlich soll das "Geheimnis" nicht verraten werden. Der betriebene Aufwand steht aber keinesfalls dafür. Der Autor dieser Rezension ahnte sie nach wenigen Seiten, weigerte sich aber anzunehmen, dass Fitzek tatsächlich eben jene Karte ausspielen würde, zumal die "Pointe" sogar in Filmen bereits mehrfach aufgegriffen wurde.
Der "Auflösung" des Rätsels folgt zu allem Überfluss auch noch ein langes, erklärendes Ende, das eher willkürlich angepappt wirkt und nicht so, als gehörte es zum ursprünglichen Manuskript hinzu. "Die Therapie" hätte das Zeug zum äußerst spannenden Thriller gehabt, scheitert aber leider daran, dass die "Pointe" früh erahnt werden kann und weder der Plot, noch der Protagonist irgendwelche Weiterentwicklungen erfahren. Als Urlaubslektüre für den Strand oder zur Überbrückung einer mehrstündigen Reise erfüllt Fitzeks Thriller seinen Zweck. Die hohen Erwartungen nach teils hymnischen Kritiken kann "Die Therapie" nicht erfüllen.
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)