Und jetzt schrauben Sie ihre Erwartungen ein bisschen herunter. Vergessen Sie bitte, dass es Romane im Bereich der Ganzkörperaktivität schon seit Ewigkeiten gibt, sogar in "normalen" Romanen oft detailierte Liebesszenen beschrieben wurden und (ganz wichtig!) was man uns in der Schule über die Verwendungen von Synonymen (zur Vermeidung von Wiederholungen) beigebracht hat. Jetzt sind Sie bereit für "Shades of Grey", den absoluten Skandalroman, Platz 1 der Bestsellerlisten und schockierenden Roman.

Shades of Grey - Geheimes Verlangen, Inhalt

Zur Information für alle, die es noch nicht gemerkt haben sollten: Diese Geschichte wurde ursprünglich unter dem Titel "Master of the Universe" als Twilight-Fan-Fiction geschrieben. Die Autorin hat diese Story nach einiger Zeit überarbeitet und unter dem Titel "50 Shades of Grey" veröffentlicht. Deswegen auch die vielen Ähnlichkeiten mit Twilight.

Anastasia "Ana"

Die 21-jährige Studentin Anastasia "Ana" Steele ist schüchtern, unsicher und hat Null Erfahrung mit Männern. So schüchtern, dass sie pausenlos rot wird (auf jeder Seite des Buches mindestens einmal) und an ihrer Unterlippe kaut. Im Laufe der Geschichte wurndert man sich, dass sie überhaupt noch eine Unterlippe besitzt, so oft wie sie daran kaut.

Sie ist immer noch Jungfrau und war vermutlich noch nie in ihrem Leben erregt. Ana lebt mit ihrer Freundin und Studienkollegin Kate zusammen, jobbt in einem Baumarkt und besitzt nicht mal einen eigenen PC. Bei einem Interview für die Studentenzeitung lernt sie den geheimnisvollen 27-jährigen Milliardär (!!) und Firmenboss Christian Grey kennen. Er ist ein unwahrscheinlich gutaussehender Kontrollfreak. Die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen und schon nach wenigen Tagen landet Ana in seinem Bett. Zwar signalisiert er ihr von Anfang an, dass er keine Beziehungen eingeht und zu gefährlich für sie ist, aber die Hormone sind nun mal stärker. Gleich in ihrer ersten gemeinsamen Nacht erlebt Ana einen Höhepunkt nach dem nächsten (klar).

Christian Grey

Aber Christian hat eine dunkle, gefährliche Seite an sich: Er hat noch nie normal "genagelt", sondern ausschließlich SM. Er will eine "Partnerin" (soweit man das so nennen kann), die eine Vereinbarung unterzeichnet, seine "Sub" zu sein. In dieser Vereinbarung ist geregelt, was sie essen darf, wann, wie oft, dass sie ihn nicht ansehen darf, sondern nur seinen Befehlen gehorchen muss und das anziehen, was er ihr vorschreibt. Hinzu kämen noch ein paar Spielchen mit Peitschen, Fesseln und anderem Zubehör.

Ana unterzeichnet nicht sofort, sondern überlegt ständig hin und her, wird von ihren Hormonen gesteuert und denkt eigentlich an nichts anderes mehr als an den unglaublich gutaussehenden Christian. Wenn sie nicht gerade rot wird. Oder an der Lippe kaut. Oder beides.

 

Gute Story, nervig geschrieben

Und schon sind wir beim nervigen Teil des Buches angelangt: Die ewigen Wiederholungen. Die Geschichte an sich ist eigentlich ganz spannend, wäre sie besser geschrieben. Zwar gewöhnt man sich schnell an den Präsens und die einfache moderne Sprache, aber es nervt. Es nervt gewaltig, auf beinahe jeder Seite zu lesen: "Ich werde rot." "Ich kaue an meiner Unterlippe." "In meinem Unterleib ziehen sich die Muskeln zusammen", "wow".

Auf Amazon finden sich viele witzige Rezensionen dazu, einige haben sich sogar den Spaß gemacht, die vielen Wiederholungen zu zählen: "Anastasia beißt sich 35 mal auf die Unterlippe, sie errötet 125 mal, beide runzeln 50 mal die Stirn, 199 mal wird gemurmelt und 195 mal geflüstert." (Quelle:Amazon, Kundenrezension)

Wo bleiben die heißen Szenen?

Natürlich zieht sich diese Schreibweise auch durch sämtliche Pimperszenen, die als absolut "heiß" von Kritikern gepriesen werden - so heiß sind sie auch wieder nicht. Ich würde sie als durchschnittlichen P... (zensiert wegen Google) einstufen, wenn sie nicht ständig in den gleichen Worten beschrieben wären. In jedem normalen P... dagegen werden Synonyme verwendet und die Szenen verschieden beschrieben. Nicht so bei Shades of Grey: Die Jungfrau Ana erlebt in ihrer ersten Nacht durch das "Gemächt" des Christian Grey, dass sie "voll und ganz ausfüllt" gleich einen Höhepunkt nach dem nächsten.

Das läuft folgendermaßen ab: Sie ist erregt, er spielt aber noch an ihr herum, ohne in richtig loszulegen. Sie flüstert "Bitte", dann nagelt er sie kurz, "wow", bewegt sich ein paarmal und befiehlt ihr "Komm für mich". Sie kommt natürlich sofort auf Kommando und dabei "zerspringt sie in tausend Einzelteile". Fertig. Hat man eine F***szene dieses Buches gelesen, kann man sich die restlichen eigentlich sparen - sie werden immer in genau diesen Worten geschildert.

Kritik

Gute Idee, schlechte Umsetzung

Sagen wir so: Die Geschichte hat viel Potential, wären da nicht die vielen Widersprüche und ständigen, an den Nerven zehrenden, Wiederholungen: Dass Ana überhaupt noch eine Unterlippe hat, ist verwunderlich, wo sie doch pausenlos daran kaut. Das ganze Buch über. Und wieso wiederhole ich mich eigentlich? Hatte ich das nicht schon weiter oben erwähnt? Egal. So schreibt man wohl heutzutage, das kommt bei den Teenies an, so kennen sie es aus dem FB-Chat oder vom SMS-Schreiben. Die Autorin E.L. James hat entweder noch nie von Synonymen und deren Notwendigkeit zur Verwendung gehört, oder eine Vorliebe für Copy + Paste.

Auch wird Ana auf jeder Seite mindestens einmal rot (in allen Schattierungen), spuckt aber gleichzeitig  Sätze hervor, wie "Werden sie heute Nacht mit mir schlafen?".

Die Protagonisten nerven! Sie nerven fürchterlich mit ihren dauernden Ticks, Ana mit ihrer übertriebenen Naivität, von Grey will ich lieber gar nicht reden. Er ist ein dominantes A... loch mit Kontrollzwang. Aber gut, so ist eben diese Figur und die Geschmäcker sind verschieden.

Christians dunkle Vergangenheit

Im Laufe der Geschichte kommt dann auch zum Vorschein, dass er eine üble Jugend hatte: Als er gerade 15 war, wurde er von einer Freundin seiner Mutter - die ebenfalls auf SM steht - entjungfert und sechs Jahre lang ihr Sklave. Danach hatte keine normalen Beziehungen (auch logisch, bei dem Schock) sondern nur SM Beziehungen, in denen er der dominierende Part war.

Der plötzliche Wandel

Christian Grey hatte noch nie mit einer Frau im gleichen Bett geschlafen, noch nie ganz normal gepoppt ("Ich schlafe nicht, ich f...(wieder zensiert). Hart.") und noch keine seiner Mutter vorgestellt. - Das alles (!) holt er in nur 24 Stunden nach! Er bezeichnet es als seine "Premieren".

Als Leser empfinde ich diese Premieren als etwas zu schnell. Sorry, aber wer derartige psychische Probleme hat, wird das kaum über Nacht schaffen, seine Blockaden zu überwinden. Diese Premieren wären, wenn sie über das gesamte Buch - oder noch besser: über Monate -  gewesen wären, halbwegs glaubwürdig rübergekommen. Andererseits ist Christian immer wieder zärtlich, streicht ihr über das Haar usw. Da wirkt das mit dem SM etwas künstlich in die Geschichte hineingepresst - es passt einfach nicht so recht zusammen. Aber es ist schließlich nur eine Fiktion und diese muss nicht zwangsläufig realistisch sein.

Christian Grey - der Traum (fast) aller Frauen?

Warum so viele Frauen aufgrund dieses Buches plötzlich von einem Mann wie Grey träumen - ich kann es nicht nachvollziehen. Ist das der moderne Zeitgeist? Wollen die Frauen nach jahrelanger Überemanzipation einen traumatisierten Mann, der ihnen Befehle erteilt, ihren Willen bricht und fast ausflippt, wenn sie mit alten Bekannten zu telefonieren? Sicher, er hat Geld,  sieht gut aus (wie wir ebenfalls auf vielen, vielen Seiten des Buches immer wieder lesen dürfen) und ist anscheinend ein Magier im Bett, da er es jedesmal schafft, seiner Partnerin nach wenigen Sekunden einen Höhepunkt zu verschaffen. Auch versteht er es, die Leute zu manipulieren und hat einen gewaltigen inneren Konflikt (jedenfalls deute ich es mal so), da er ungewohnte Zuneigung zu einem anderen Menschen entwickelt. Im Laufe des Buches wird mir seine Figur sogar noch etwas sympatischer als die der nervigen, naiven, ständig errötenden Ana.

Einige Leser wunderten sich auch in ihren Rezensionen, was der Milliardär Grey wohl an der durchschnittlichen schüchternen Ana findet. Ich finde, die beiden passen perfekt zusammen: Sie ist genau das, wonach er gesucht hat (als Kontrollfreak) und sie ist hin und weg von seinem guten Aussehen und dem "Gemächt", dass sie "voll und ganz ausfüllt".

 

Teil 2 + 3 sollen nicht wirklich besser geschrieben sein, sondern durch noch mehr Wiederholungen, eintönigen Liebesszenen und komischen Plots eher etwas schlechter als Teil 1 ausfallen. Allerdings habe ich sie noch nicht gelesen - ich brauche erstmal eine Pause von Ana und Christian bzw. dieser Schreibweise. Zur Erholung werde ich mir jetzt etwas anspruchsvollere Literatur gönnen - wo hab ich nur mein Donald-Duck-Heftchen...?

Heiße Story oder Hausfrauen-P....?

Die Fans werden mich vermutlich jetzt in der Luft zerreißen, aber in diesem Punkt muss ich den Kritikern wieder mal recht geben: Es ist ein Hausfrauen-P.... Auch ist absolut nichts Schockierendes oder Neuartiges darin zu finden. Wer mir nicht glaubt: Seht euch im Shop bei Amazon um, in der Kategorie mit "E", dort finden sich etwa 4000 Romane, Kurzgeschichten und Erzählungen. Mal mit mehr oder weniger Handlung, einige etwas deftiger, andere mit blumiger Sprache, und ihr werdet feststellen, dass es außer "Shades of Grey" noch viele andere Bücher mit solchen Szenen gibt.

Vermutlich - und anders kann ich es mir nicht erklären - haben die Fans von "Shades of Grey", die es als Skandalroman bezeichnen, noch nie den Mut gehabt, sich mal in dieser Kategorie umzusehen und empfinden es deshalb als so großartig und heiß.

Persönlich würde ich es eher als Durchschnitt einstufen. Wäre die Schreibweise erträglicher (weniger Wiederholungen), könnte ich auch den Hype um diese Bücher ansatzweise nachvollziehen.

Bleibt nur zu hoffen, dass dadurch die prüden Amerikaner vielleicht etwas lockerer werden und insgesamt dieses Genre nicht mehr in der Schmuddelecke vergammelt, sondern man endlich offen dazu stehen kann, so etwas gerne zu lesen.

Shades of Grey - der Film

Natürlich wird dieser Bestseller auch verfilmt und seit Kurzem kocht die Gerüchteküche zu diesem Thema stark über: Wer soll die Rolle der Ana übernehmen und wer darf den "Traumprinzen" Christian Grey spielen? Neben bekannten Filmstars ist auch der ein oder andere Pornodarsteller im Gespräch - eine Neuigkeit, die bei einigen Fans das große Erröten und Kichern hervorgerufen hat.

Not 50 Shades of grey - die unzensierte Fassung

Dabei gibt es doch schon einen Film zu dem Roman "50 Shades of Grey"! Eine Pornoproduktion war etwas schneller als Hollywood und hat die Story verfilmt. Da die Rechte dafür aber schon an die Universal Studios gegangen sind, läuft aktuell eine Klage gegen die "Smash Pictures". Zwar ist der Film "This is not 50 Shades of Grey" noch erhältlich, aber nicht mehr lange. Er soll bald aus dem Verkauf genommen werden, damit Hollywood den Ansturm (die Dollars) für sich alleine hat.

Über den Film der Smash Pictures sind einige der weiblichen Fans richtig verärgert: Sie finden, Shades of grey wäre doch kein S...film, es ginge um tiefgründige (die Autorin des Artikels kämpft gerade mit einem Würgeanfall) Emotionen und Liebe.

Ganz ehrlich: Ein Blick in den Trailer von "This is not 50 Shades of grey" hat mich vom Gegenteil überzeugt - dieser Film ist zwar technisch schlecht gemacht, auch sind die Darsteller logischerweise keine Schauspieler, aber er passt zur Schreibweise des Buches.

Also Leute: Wenn ihr die "heißen" Szenen unzensiert sehen wollt, solltet ihr euch so schnell wie möglich die DVD holen, sie wird nicht mehr lange auf dem Markt sein.

Grace, am 13.01.2013
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Bildquelle:
Karin Scherbart (Asterix bei den Pikten – Rezension)

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