Modische Einblicke in das 19. Jahrhundert

Über die Familie Habsburg ist viel geschrieben worden. Die politischen Taten der Dynastie in mehr als siebenhundert Jahren Herrschaftsanspruch füllen ungezählte Buchseiten, das Interesse an der berühmten, österreichischen Kaiserfamilie wird durch wohl dosierte literarische Einblicke unterschiedlichster Art am Köcheln gehalten. Man erschöpft sich dabei ebensowenig in Liebesgeschichten und Heiratssachen, wie in kaiserlichen Krankenakten, und selbst Habsburgs Spukgetalten bieten offenkundig genug Seriosität, um Eingang in die Bücherwelt zu finden. 

 Eine – wenn auch nicht ganz neue – Einsicht in das kaiserlich königliche Kuriositätenkabinett wird nun mit der Sonderausstellung "Seide – Spitze – Hermelin" gewährt, welche vor wenigen Tagen im Wiener Sisi Museum eröffnet wurde, und Teile der imperialen Garderobe zeigt. Elisabeth, eine ebenso berühmte wie tragische Figur am wiener Hof, ist um eine Facette reicher. Der Kaiserin Unterhosen sind nun zu sehen, ebenso wie Strümpfe und Unterhemdchen. Um den geneigten Leser allerdings kein falsches Bild zu vermitteln sei schon an dieser Stelle bermerkt, dass die Sonderausstellung letztlich mehr umfaßt als intime Einblicke. Tatsächlich werden Morgen- und Bademäntel der Kaiserin ebenso präsentiert wie diverse Accessoires, in Form von Sonnenschirmchen, Handschuhen, Schuhen, Galoschen und Gamaschen.

Als interessant erweist sich ein Samtgürtel von einundfünfzig Zentimetern Durchmesser, welcher die berühmt schmale Taille der Kaiserin recht eindrucksvoll beschreibt. Wirklich beeindruckend aber sind zweifellos zwei Originalkleider Elisabeths, welche nach gewissenhafter Restaurierung erstmals einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Datiert werden die beiden Ensemble in das späte 19. Jahrhundert, es handelt sich offenkundig um Modelle, die der Gardarobe Elisabeths auf Korfu zuzurechnen sind, wie zwei Etiketten mit Dephin und Krone (das typisch kaiserliche Emblem für die griechische Insel) belegen.

Sehenswert sind diese Kleider wohl auch deshalb, weil Elisabeth in Fragen der Mode durchaus Eigensinn besaß und an den Entwürfen selbst beteiligt war. So spiegeln die Modelle einerseits allgemeine Modetrends der damaligen Zeit wieder, dürfen allerdings auch als Beispiele für den Geschmack der Kaiserin im Speziellen gelten. Die Schnittform erweist sich dabei als "Sissi – typisch": Einer sehr schmalen Taille folgt ein großzügig geschnittener Rock mit entsprechender Bewegungsfreiheit. Hingewiesen werden soll auf diesen kaiserlichen Individualismus weiters durch die recht untypische Form des Stehkragens bei dem 2-teiligen, blauen Ensemble, der stark überhöht ist und im Nacken durch Zierwerk ungewöhnlich prominent erscheint.

 

 

Unterwäsche einer Kaiserin

Was aber trug eine Kaiserin von Österreich nun unten drunter?

In der Ausstellung präsentiert wird eine Culotte aus weißem Leinen, die im Schritt offen ist und somit im Wesentlichen dem entspricht, was in süddeutschen Landen sowie Teilen Österreichs recht bodenständig als "Stehbrunzhose" bezeichnet wird. Der Begriff "Schnellscheißerhose", wie er im wiener Volksmund gelegentlich zur Anwendung kam, trifft es ebenfalls, auch wenn derartige Kleidungsstücke aus verständlichen Gründen sehr häufig Kleinkindern aufgezwungen wurden. Wie aber läßt sich das nun mit den Würden einer Kaiserin vereinbaren?

Ergänzt wurde die Culotte in den oberen Regionen durch ein ebenfalls weißes Chemisette aus feinstem Leinen, welches sich der Körperform anpasste und direkt auf der Haut getragen wurde. Culotte und Chemisette sollten gut sitzen, da sie die Basis für das wohl berühmteste Kleidungsstück in Elisabeths Garderobe bildeten – das Korsett. Zweifellos diente das berüchtigte Korsett dazu, den weiblichen Körper zu modellieren, um den erotischen Vorstellungen der Zeit genüge zu tun. Es verwundert daher nicht, dass Frauen verschiedener sozialer Schichten sich schnüren ließen, auch wenn in der Qualität große Unterschiede zu beklagen waren. Während eine Kaiserin von Österreich auf individuell geschneiderte Modelle zurückgreifen konnte, mußte sich die durchschnittliche Frau des 19. Jahrhunderts mit gesteppter Massenware von der Stange begnügen.

Das Korsett jedenfalls reichte von der Brust bis über die Hüften und machte damit das selbstständige aus- bzw. anziehen von Unterwäsche praktisch unmöglich. Um es der Dame aus gutem Hause trotzdem zu ermöglichen ohne fremde Hilfe die Toilette zu besuchen, kam – der interessierte Leser ahnt es bereits – die im Schritt offene Culotte zum Einsatz.

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass die hier beschriebene Damenunterwäsche sicher ein Merkmal besser situierter Kreise darstellte. In einfacheren Gesellschaftsschichten, wie in ländlichen Regionen, hatte der Brauch, beim Hinaufsteigen einer Treppe dem Herren den Vortritt zu lassen, immer noch seine Berechtigung. Denn wie einst im 18. Jahrhundert üblich, gingen auch zu Sissis Zeiten trotz fortschreitender Massenproduktion diverser Wäscheartikel noch viele Frauen unten blank durchs Leben. Gegen Kälte schütze man sich bestenfalls durch mehrere Unterröcke, die beim Gehen allerdings häufig hinderlich gewesen sein dürften.

Kaiserin Elisabeth ganz privat (Bild: http://commons.wikimedia.or...)

Warum Unterwäsche auch schon früher weiß war

Es erübrigt sich, die Frage der Hygiene im Zusammenhang mit der Unterwäsche vergangener Jahrhunderte zu stellen. Dass Intimwäsche allerdings auch schon vor mehr als hundert Jahren weiß war, ist kein Zufall. Schon in früheren Jahrhunderten erfüllte die Unterwäsche die Funktion Körperschweiß aufzunehmen und exklusivere Teile der Kleidung, wie Korsett oder Oberbekleidung, vor Körperausdünstungen zu schützen. Weißwäsche konnte relativ einfach und häufig gewaschen werden, während die meist sehr teure und färbige Oberbekleidung nur schwer erfolgreich zu reinigen war.

 

Betrachtet man die vorhandenen Wäschestücke, noch ergänzt durch Strümpfe, Strumpfgürtel, Schuhwerk und Schutzbekleidung in Form von Gamaschen und Galoschen, kommt der interessierte Betrachter heutiger Tage wohl zu dem Schluß, dass ein Modeleben vor ca. hundert Jahren ein mühsames gewesen sein muß. Auch wenn die Zeiten der ausladenden Krinolinenkleider, die vor allem aus den Reihen der Herren nicht nur Zuspruch erfuhren, im späten 19. Jahrhundert längst vorüber waren, galt es, unzählige Haken und Öhsen zu beherrschen, bevor Frau sich standesgemäß angekleidet hatte.

 

 

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