Geheime Liebschaften, große Skandale

Der spätere Kaiser Josef II war gerade einmal zehn Jahre alt, als seine Mutter Maria Theresia sich nach einer geeigneten Braut umsah. Ihre Wahl fiel auf Isabella von Parma. Kurz vor ihrem 18. Geburtstag wurde die junge Frau nach Wien geschickt, um sich mit Josef zu vermählen. Josef, inzwischen zu einem jungen Mann herangewachsen, hatte sich, wie es üblich war, dem Willen der Mutter gebeugt, doch obwohl es eine arrangierte Ehe aus Gründen der Staatsräson war, war er von seiner Braut hingerissen und verliebte sich. Anders erging es Isabella: Sie verliebte sich in ihre Schwägerin Marie Christine, zu der sie eine heimliche Beziehung unterhielt.

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Wie mag es wohl Erzherzogin Marie Louise ergangen sein, als sie nach Paris geschickt wurde, um den Kriegstreiber Napoleon Bonaparte zu ehelichen, obwohl sie schon Gefallen an einem jungen Adeligen gefunden und dies ihrem Vater mitgeteilt hatte? Doch auch Marie Louise arrangierte sich mit ihrer Situation und wurde von Napoleon geschätzt. Die Feldzüge ihres Gatten bescherten jedoch auch Marie Louise ein unruhiges Leben, Napoleon verlor seine Feldzüge in Russland und Deutschland, musste 1814 abdanken und wurde ins Exil geschickt. Dort wartete er vergeblich auf seine Frau, die zunächst bei ihrer Herkunftsfamilie in Wien untergekommen war. Marie Louise fand schließlich ihre große Liebe, den Grafen Adam Albert von Neippberg. Zwar waren beide verheiratet, doch Marie Louise bekannte sich zu ihrer Liebe und gebar sogar zwei Kinder. Erst nach dem Tod Napoleons und der Ehefrau des Grafen, konnten die beiden heiraten, über die nicht standesgemäße Ehe wurde bei Hof geschwiegen.

Lange warten musste auch Anna Plochl, Postmeisterstocherstochter aus Bad Aussee, bis sie Erzherzog Johann endlich in aller Stille heiraten konnte. Vorangegangen waren Jahre der heimlichen Treffen und schließlich holte Erzherzog Johann seine Geliebte als Haushälterin in sein Haus. Dieser Zustand sollte fünfeinhalb Jahre andauern, schließlich ließ sich der Kaiser in Wien erweichen und gab sein Einverständnis.

Anna Plochl, die Geliebte Erzherzog ...

Anna Plochl, die Geliebte Erzherzog Johanns (Bild: Wikimedia, Public Domain)

Doch nicht jedes Mitglied des Hauses Habsburg setzte auf Zeit und Einsicht: Erzherzog Johann Salvator, der spätere Johann Orth und Erzherzog Leopold Ferdinand, später Leopold Wölfling wandten sich vom Kaiserhaus ab und verzichteten auf alle Privilegien, um fernab von höfischen Protokollen ihr Leben gestalten zu können. Dazu gehörten auch Ehen mit bürgerlichen Frauen, Johann Orth heiratete Milli Stubel und Leopold Wölfling die "Künstlerin" Wilhelmine Adamovic, deren Kunst ursprünglich die der Prostitution gewesen war.

Sechs Geschichten, viele Schicksale

So unterschiedlich die im Buch beschriebenen Schicksale und Geschichten sind, eins haben sie gemeinsam: Es geht um Menschen, die aus strengen, vorgegebenen Regeln ausbrachen, um ihre Liebe zu leben. Worin der "Skandal" besteht, ist ganz unterschiedlich: In der heimlichen homosexuellen Beziehung zu einer Frau, im Widerstand gegen den Kaiser oder in der Ehe mit einer nicht standesgemäßen Frau. Alle mussten für ihre Liebe kämpfen und Sanktionen, Heimlichkeiten, Intrigen oder den Verlust von Identität, Geld und Status im Kauf nehmen. Manche wurden sogar des Landes verwiesen und verloren ihre Staatszugehörigkeit. Schwer hatten es auch die Geliebten und ihre Familien: Zu viele Zweifel mussten sie durchleben, auch sie waren Schmähungen, Gerüchten und Verleumdungen ausgesetzt. Manche der Paare scheinen jedoch miteinander glücklich geworden zu sein.

Hanne Egghardt erzählt sechs Geschichten skandalöser Amouren im Hause Habsburg nicht im Tonfall eines Geschichtsbuchs, das sich auf Daten und Fakten beschränkt. Vielmehr bemüht sie sich, die handelnden Personen für uns lebendig werden zu lassen. Auch wenn wir uns wohl kaum in Adelige der vergangenen drei Jahrhunderte hineinfühlen können: Wir bekommen zumindest eine milde Ahnung, wie die Leute gelebt und geliebt haben. Besonders schön finde ich die vielen Passagen aus Briefen, die in dem Buch zitiert werden und die uns unmittelbar Einblick in die Freuden und Nöte der jungen Verliebten geben.

"Skandalöse Amouren im Hause Habsburg" von Hanne Egghardt ist ein Geschichtsbuch zum Mitfühlen. Die Geschichten lassen uns mitleben und die historischen Hintergründe machen uns auch noch ein bisschen schlauer. Ich kann das Buch Menschen, die gerne historische Geschichten lesen, empfehlen.

Hanne Egghardt: Skandalöse Amouren im Hause Habsburg

226 Seiten, mit schwarz-weiß-Fotos illustriert
ISBN: 978-3-218-00860-0

Kremayr & Scheriau KG Wien, 2013

Das Buch wurde mir von bloggdeinbuch.de als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Es kann hier bestellt werden.

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