Die Kälte der Donna Leon

Anders herum: Der Italienreisende beispielsweise, der sich im Sommer nach Venedig gewagt hat und auf der Rialto-Brücke, am Lido oder auf Jesolo in stechender Sonne unter die Touristenmassen mischte, mit ihnen eins wurde, warum sollte er sich abends im Hotel auf dem Balkon, unter sich vielleicht einen der halb ausgetrockneten, muffig riechenden Kanäle, nicht Patricia Highsmiths "Venedig kann sehr kalt sein" zu Gemüte führen? Damit die Schauer über den Rücken laufen, auch wenn es draußen heiß und schwül ist. Auch der Kommissar Brunetti aus der Fantasie von Donna Leon hat viel mit Kälte zu tun, wie auch der neueste Krimi mit dem Titel "Feine Freunde" beweist. Dieser Titel übrigens ist vielsagend: Der Tourist sollte es tunlichst vermeiden, in Venedig oder auch anderswo in Italien über Donna Leons Bücher zu diskutieren. Die Autorin wird hierzulande nämlich geächtet. Sie diskreditiere, sommers wie winters, das schöne Italien. – "Feine Freunde", heißt die Häme. Wer Donna Leon in Italien diskutieren will, wird atmosphärisch herbstliche Kühle erfahren.

 

Neblig-feucht in der Maremma

"Sommerlektüre" zur Winterszeit – oder umgekehrt. Wer im Sommer in die Maremma gereist ist, in die südliche Toscana, um dort in Pinienhainen zu wohnen und sich an den langgezogenen Sandstränden zu ergötzen, hat die Gegend, die Maremma, in dem geheimnisvollen Krimi (eigentlich ist es gar keiner) mit dem Titel "Das Geheimnis der Pineta" von den beiden Erfolgsautoren Fruttero & Lucentini wie abgemalt wiedergefunden. Einschließlich der schwarzhäutigen Nutten auf den Parkplätzen an der Landstrasse. Die Geschichte aber spielt in touristenfeindlicher Jahreszeit. Neblig-feucht geht es zu. Seicht ist die Story auch nicht. Sommerbuch? Winterbuch?

 

 

 Don Camillo und Peppone

So schält sich langsam aber sicher heraus, dass es diesen Unterschied, diese Unterscheidung, eigentlich gar nicht gibt. Wobei allerdings doch wieder eine kleine Einschränkung zu machen wäre. Im Hochsommer mit Dostojewski an einen adriatischen Teutonengrill zu wandern und dort, soweit es die Masse Mensch erlaubt, lesend ein Sonnenbad zu nehmen, ist Quatsch – oder Snobismus. Hier empfiehlt sich, am Rande der Emiglia Romagna, aus geographischen wie nostalgischen Gründen eher ein Rückgriff auf 50 Jahre Buch- und Filmgeschichte; Giovanni Guareschi und dessen "Don Camillo und Peppone" wären hier am Platze. Denn der erste Film mit dem kommunistischen Bürgermeister und dem übereifrigen Pfarrer – innige Feinde bei Regen wie bei Sonnenschein - wurde hier vor gut 50 Jahren gedreht - im Frühherbst....

 

 

 

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