Skyline von Perth

Skyline von Perth (Bild: http://upload.wikimedia.org...)

Work and Travel in Perth

Wir stehen mitten in der Innenstadt von Perth, der einzigen Millionenmetropole Westaustraliens. Menschenmengen rauschen die geschäftigen Einkaufsstraßen entlang, Touristen tummeln sich in Cafés und Restaurants, das Surren der Autos schwebt an den Köpfen der Leute vorbei.

Die ersten Eindrücke vermitteln das Bild einer typischen europäischen Großstadt. Tatsächlich ist Perth, wenn auch ungleich wärmer und sonniger, mit einer der uns bekannten Großstädte zu vergleichen. Allerdings fällt bei genauerem Betrachten der hohe Anteil an Backpackern -meist europäische Jugendliche, die mit ihrem Working Holiday Visum im Land sind- auf. Und noch eine  weitere Sache ist dabei äußerst markant: an jeder von Fußgängern belebten Stelle stehen Jugendliche, die für eine Wohltätigkeitsorganisation Spenden sammeln.

Hier für Krebskranke, da für Tierschutz, dort für die Samariter. In der Regel sind es Backpacker aus der ganzen Welt, die mit ihrer Sammelbox die Passanten um Spenden bitten.
Was auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, ist in Wirklichkeit ein äußerst unmoralisches Verbrechen.

 

Perth

Arbeit als Backpacker - schwarz und kriminell?

Über diverse Jobportale gelangen Backpacker schnell an die Adressen von Organisationen, die auf der Suche nach Fundraisern sind. Die Jobangebote, als Titelbild plakativ mit einem Bündel Geldscheinen verziert, werben mit hohen Stundenlöhnen und einfacher Arbeit. Ein Traum für jeden arbeitssuchenden Backpacker, der mit seinem Working Holiday Visum ständig auf der Suche nach Arbeit und ein bisschen - gerne auch mal viel- Geld ist.


Gerade wenn man als Backpacker schon die eine oder andere niederschmetternde Erfahrung gemacht hat, weiß man, dass solche traumhaften Jobangebote zu schön sind, um wahr zu sein und nichts mit der Realität zu tun haben.
Neuankömmlinge jedoch, die teilweise Wochen bis Monate suchen müssen, bis sie ihren ersten Job finden, sehen in solchen Offerten ihre große Chance.
Über eine Telefonnummer erhalten sie eine Adresse, an der sie am nächsten Morgen erscheinen sollen. Man findet sich an einer Zentrale wieder, an der alle Fundraiser der jeweiligen Organisation jeden Tag vor Schichtbeginn versammelt. Jeden Morgen werden Spots, also Sammelstellen,  den jeweiligen Fundraisern zugewiesen. Besonders ist, dass jeder Spot auf der Karte mit einem bestimmten Geldbetrag versehen ist. Dies ist der Minimalbetrag, der von einem Fundraiser innerhalb eines Tages eingenommen werden muss. Heiße Spots, beispielsweise an berühmten Sehenswürdigkeiten, haben einen jeweils höheren Minimalbetrag notiert. Schafft es ein Backpacker nicht, seine Spendenbox bis auf diese Menge anzufüllen, ist er am nächsten Tag seinen Job los.
Anschließend fährt ein Fahrer  den Spendensammler von der Zentrale zu seinem Spot, an dem der Fundraiser zehn Stunden ohne Pausenzeit verweilt, um sein Soll zu schaffen. Einfache Sätze wie "Save the children" sind eingängig und auch von nicht englischsprachigen Backpackern schnell erlernt. Der Tag vergeht durch die ständigen Wiederholungen der Schlagsätze  und der prallen, heißen Sonne Australiens wie in Trance. Abends, wenn die Beine und Füße vom bloßen Stehen schmerzen, erscheint der Fahrer, um die Einnahmen zu kontrollieren.
Die Bezahlung erfolgt dann hingegen der Jobanzeigen nach einem ganz eigenen Schema -
Stundenlohn ade.


 30% des Sammelboxinhalts gehen an den Fundraiser, 5% an den Fahrer. Nach Schätzungen von Fundraisern gehen nur 5% an den eigentlichen Spendenzweck.
Den Rest, 60% (Schätzung),  teilen sich der Chef und sonstige Mitarbeiter.

Aussie Dollars

Aussie Dollars (Bild: http://cdn4.wn.com/ph/img/8...)

Ein in jeder Hinsicht schlechtes Geschäft

Diese  kapitalisierte Form des Spenden sammelns ist in Australien legal und staatlich lizenziert, obwohl die Fundraiser keine Steuern zahlen müssen. Aber ist das alles auch legitim?


Für den Backpacker ist es in der Regel ein schlechtes Geschäft. Wenn es gut läuft, erhält man einen Tageslohn von 100$, was für australische Verhältnisse sehr gering ist. Der durchschnittliche Lohn für einen Backpacker in Westaustralien liegt etwa bei 18-20$ pro Stunde, wobei man beim Fundraising nur mit 10$ rechnen kann. Natürlich gibt es Ausbrüche nach oben. Gerade junge Mädchen erhalten gerne großzügigere Spenden als ihre männlichen Kollegen. Ein lokaler Rekord liegt bei 1260$ am Tag, was einen Tagesverdienst von etwa 380$ ausmacht. Eine von wenigen Ausnahmen.


Auf der moralischen Ebene gibt es allerdings keinerlei Zweifel an der Unsittlichkeit dieser Vorgehensweise. Es geht viel zu wenig Geld an den eigentlichen Sammelzweck, die Arbeitsbedingungen sind schlecht, der wohlwollende Spender wird bewusst in der Ahnungslosigkeit gelassen und sein Geld verschwindet im Rachen gieriger Fundraisingorganisationen. Es grenzt an Betrug, solche Organisationen zu legitimieren und nicht stärker zu kontrollieren.

Was kann unternommen werden?

Auf den ersten Blick ist es schwer gegen solche Machenschaften vorzugehen, gerade wenn man selber aktiv werden möchte und am anderen Ende der Welt wohnt.


Wie immer ist es wichtig, ein Bewusstsein für die Problematik des Fundraisings in Australien zu schaffen. Wenn man Backpacker kennt, oder solche, die es werden wollen, kann dieses Wissen einige unangenehme Erfahrungen ersparen.
Als solidarischer Spender ist es sinnvoller, sich direkt an die jeweilige Organisation zu wenden, da auf diese weise weniger Geld verloren geht.
Mit diesen einfachen Maßnahmen kann eine Menge erreicht werden, um  Fundraising wieder zu einer selbstlosen und ehrenvollen Aufgabe werden zu lassen.

Autor seit 11 Jahren
8 Seiten
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