Wird Deutschland zu einer Demokratie ohne Wähler?

Ich frage mich zum ersten Mal, ob ich einen ungültigen Stimmzettel abgeben oder überhaupt wählen gehen soll. Ich bin damit nicht allein. Laut der Statistik des Statistischen Bundesamtes lag die Wahlbeteiligung seit der Wiedervereinigung nur ein einziges Mal über 80 Prozent. Das war 1998, als Helmut Kohl nach 16 Jahren Kanzlerschaft abgewählt wurde. Die letzte Bundestagswahl 2009 markierte den historischen Tiefstpunkt: 70,8 Prozent Wahlbeteiligung. Deutschland droht zu einer Demokratie ohne Wähler zu werden. Wird es deswegen auch zu einer Demokratie ohne Demokraten? In einem Interview der Welt am Sonntag im Sommer des Wahljahrs 2009 bezeichnete Franz Müntefering (SPD) Nichtwähler als verantwortungslos. Hat er in Bezug auf die meisten Nichtwähler Recht – oder ist die Sache nicht so einfach?

Trotzdem ja sagen zur repräsentativen Demokratie

Wahlen sind das Herzstück der repräsentativen Demokratie. Sie dienen zuallererst der Wahl von Volksvertretern, aber auch der Kommunikation zwischen Wahlvolk und Politik. Doch was ist mit "Nichtwählern", die ihr Wahlrecht ausüben möchten? Für sie gibt es derzeit keine demokratisch angemessene Form, ihrem politischen Willen Ausdruck zu verleihen. Weder das Nichtwählen noch die Abgabe eines ungültigen Wahlzettels ermöglichen diese Kommunikation. Die Partei der Nichtwähler hat dieses Problem bereits aufgegriffen. Sie tritt in Nordrhein-Westfalen zur Bundestagswahl an.

Eine befriedigende Lösung des Problems ist einfach: ein Kästchen für "wählende Nichtwähler" auf dem Stimmzettel, um sich ausdrücklich der Stimme zu enthalten. In anderen Bereichen der Politik, etwa bei den Wahlen der Parteien zur Aufstellung der Landeslisten, ist die Stimmenthaltung bereits möglich. So könnten "Nichtwähler" deutlich machen, dass sie sich bewusst für keinen Kandidaten und keine Partei entschieden haben – und trotzdem ja sagen zur repräsentativen Demokratie.

Titelbild: LoboStudioHamburg / pixabay.com

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