Der tägliche Seelenputz - Sinn oder Unsinn?

 

Als junges Mädchen, habe ich mich mit Hingabe der Tätigkeit gewidmet. Es war ein Ritual und wurde auch als solches gepflegt. Immer Abends, schon im Bett – wurde Bilanz gezogen. An manchen Abenden füllten sich in rasender Geschwindigkeit etliche Seiten. An anderen hingegen reichte es gerade mal für zwei Sätze und dennoch es tat immer wieder gut! Natürlich wurde nach dem Eintrag, das Büchlein auch immer wieder gut – in der hintersten Ecke des Bücherregals versteckt. So konnte ich sicher sein, dass keiner zu tief in meine Seele blickt. Doch mit den Jahren verschwand das Ritual langsam und allmählich wieder aus meinem Leben. Allerdings nur für kurze Zeit. Schlechte Zeiten ließen die Erinnerung ans Schreiben aufleben und ich fing, wie damals, mit dem Tagebuch schreiben an. Leere Blätter wurden mit meinen Gedanken und Sorgen gefüllt – sie fungierten als geduldige Zuhörer.

 

 

Das Tagebuch als Eigentherapie

Tagebuch schreiben

Auch Forscher bestätigen immer wieder dass Tagebücher eine durchaus heilende Wirkung auf die Psyche haben. Die Ansätze den Vorgang des Führens eines Tagebuchs zu erklären, unterscheiden sich von Wissenschaftler zu Wissenschaftler. Dennoch sind sich alle einig, dass das Schreiben eines Tagebuchs eine heilende Wirkung haben kann und Menschen über schwierige Zeiten hinweg helfen kann. Für viele Menschen muss erst ein Anstoß passieren, um mit dem Schreiben zu beginnen, beispielsweise der Verlust eines nahestehenden Menschen kann dazu führen, das jemand mit dem Schreiben eines Tagebuchs beginnt.
Tagebuch schreiben, in der heutigen Zeit vielleicht wirklich eine gute "Eigentherapie", denn wenn wir ehrlich sind – wo können wir sonst noch so offen zu uns selbst sein wie auf dem Papier? Auf den Seiten dürfen wir schwach, traurig und auch wütend sein. Sie geben Platz für Gefühle, die so in unserem durchgeplanten Alltag oft nichts mehr verloren haben.Hier haben wir die Gewissheit, dass nichts nach außen dringt und wir keinen Nachteil dadurch erfahren.
Viele Psychologen sehen im Tagebuch schreiben eine Hilfestellung in der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, sowie ein Medium zur Bewältigung von Problemen.
Mit Hilfe eines Tagebuchs ist es möglich die eigene Identität zu stärken, Ängste in einem gewissen Masse zu bewältigen, Aggressionen aufzufangen und einen kritischen und reflektierten Umgang mit der eigenen Person zu führen.

 

Die eigene Biografie

 

Ein großer Vorzug der sogenannten Diaristen, also all die Leute die Tagebuch schreiben, ist die Schaffung einer "Reliquie". Diese "Reliquie" erinnert an einen ehemaligen Freund den wir vor langer Zeit kannten – das eigene ICH vor vielen, vielen Jahren. Denn mit zunehmendem Alter entfernen wir uns nicht nur von unserer einmal dagewesenen Persönlichkeit, sondern sie wird uns im Lauf der Zeit regelrecht fremd. So kann das Tagebuch irgendwann mal zu einer Art Biographie, also eine Art Sammlung von Erlebnissen und den damals damit verbundenen Gefühlen werden.

 

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