"THE GOOD CAUSE - ARCHITECTURE OF PEACE - DIVIDED CITIES" zeigt anhand internationaler Beispiele Wege aus einem bauboomenden Chaos aufgrund von Wohnungsmangel auf.

Dabei rücken die Kuratoren die Zusammenarbeit mit einheimischen Architekten und die Unterstützung der Bevölkerung geteilter Städte in den Fokus, denn die Teilung der Hauptstadt steht nach einer Waffenruhe oft auf der Agenda: Beispiele sind Mitrovica im Kosovo, das geteilte Mostar in Bosnien oder die letzte unvereinte Stadt Europas, Nikosia-Lefkosa auf Zypern.

Über das Architekturprojekt "Archis" setzen die friedenssichernden Architekten genau hier an - unter dem Motto: "Plane über die Teilung hinweg!"

 

Unsere Welt ist zu Hundert Prozent vernetzt, ehemalige Verständigung über lange Postwege längst durch Kommunikation per Glasfaserkabel ersetzt.

In Sekundenschnelle erhalten wir Informationen über Welt-Ereignisse wie zum Beispiel die Waffenruhe in Syrien, die am 26. Februar 2016 um 23:34 ausgerufen wurde.

(Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP)

Nach dem Krieg, der unzähligen Menschen das Leben nahm, Flüchtlingsströme das verwüstete Land und zerstörte Städte verlassen, denken die wenigsten an Stadtplanung und eine wiederaufzubauende Stadt.

Provisorische Unterkünfte, Versorgung der Verletzten, Trinkwasserbeschaffung und Abwehr von Brandgefahr haben jetzt höchste Priorität.

In solchen Situationen schlägt sich oft Bau-Wildwuchs in alle Richtungen seine Bahnen und Bauten ohne Statik-Berechnungen oder Sicherheitsvorkehrungen, ohne Fluchtwege, Schachtelbauten ohne Beachtung nachbarschaftlicher Verhältnisse entstehen. Es findet keine Stadtplanung statt.

 

Architecture Of Peace

Pristina (Bild: Architecture Of Peace - Katalog)

Architecture Of Peace

Architecture of Peace (Bild: Katti Mieth)

Durch Kriege zerstörte Architektur: weit weg und doch nah dran

Menschen verlassen ihr Land vor, während und nach der Zerstörung durch Kriege. Während viele auf der Flucht sterben, aufnehmende Länder an ihre Kapazitäten stoßen, möchten die "Archis Stadtplaner- und Architekten" Denkanstöße geben, fachspezifische Wege der Planung und des Baus aufzeigen und Rat geben, wie und wo man sich für Projekte in ehemaligen Kriegsländern engagieren kann.

Hierzu die niederländischen Kuratoren Lilet Breddels und Arjen Oostermann: "Auch in dem man akzeptiert, dass wir in Europa nicht auf einer Insel leben, sondern dass wir uns aktiv mit diesen Konflikten auseinandersetzen müssen.

Das bedeutet, dass wir in unserer Alltagsrealität mit diesen Räumen verknüpft sind – Kriegsflüchtlinge suchen Schutz in Deutschland oder Holland und bedürfen unsere Unterstützung. Da braucht es noch mehr Verständnis in unserer Gesellschaft. Dafür kann man sich engagieren.

Und man kann sich auch fragen, welche fachlichen Kompetenzen man hat und ob sich diese sinnvoll einbringen lassen – indem man mit NGOs zusammenarbeitet."

 

In "ACHITECTURE OF PEACE" präsentieren die Ausstellungsmacher Planung & Bau in einem politisch-philosophischen Kontext und betreten damit für Architekten aus Ländern wie Deutschland oder den Niederlanden ein Randgebiet: "Notunterkünfte für Flüchtlinge, also Shelter- Architecture, ist nicht unser Fokus.

Wir beschäftigen uns mit der Stadtentwicklung in Postkonfliktsituationen, das ist etwas völlig anderes.

Das können auch berühmte Architekten machen, aber zumeist ist das nicht der Fall. Auch namhafte Büros könnten erkennen, dass es sich lohnt, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen", so die Kuratoren.

 

 

Architecture Of Peace

Der Bagh-e Babur (Babur-Garten) (Bild: Aga Khan Trust for Culture)

Atrium Tower am Berliner Potsdamer Platz & die Walled City in Nikosia

Schaut man nach Berlin, denken die wenigsten an die ehemals geteilte deutsche Stadt. Betrachtet man auf das zyprische Nikosia oder das nordirische Belfast, wird offensichtlich, wo Teilung weiterhin stattfindet, verweist Andres Lepik, Direktor des Architekturmuseums der Pinakothek der Moderne München auf die Verantwortung der Architektur.

Kriege und Waffenexporte (nach den USA und Russland gehört Deutschland neben China und Frankreich zu den größten Waffenexporteuren mit jeweils fünf Prozent Weltmarktanteil (Stand 2014) dauern an: "Da draussen kann Architektur viel tun", so Lepik.

Nach dem Ende des "Kalten Krieges" ist der Berliner Potsdamer Platz Symbol einer gelungenen Wiedervereinigung.

Hier am ehemaligen Todesstreifen und im Nowhereland haben namhafte Architekten wie Renzo Piano mit grandiosen Architektur-Highlights Zeichen gesetzt.

Ab den Jahren nach 1989 entstand auf dem ehemaligen Niemandslandstreifen mitten durch die Stadt dieser Dreh- und Angelpunkt der freien Welt und Schauplatz für gelungene Post-Konfliktsituation, der heute millionenfach besucht wird.

 

Was für Berlin gilt, soll auch für Belfast möglich werden: auf der einen Seite wünschen Katholiken, auf der anderen Protestanten ein gemeinsames Leben in ihrer geeinten Stadt.

Die zyprische Stadt Nikosia/Lefkosa, seit einem halben Jahrhundert geteilt, kann bis heute nur an zwei Übergängen in der "Green Line" (UN-Pufferzone) mit Erlaubnis übertreten werden, obwohl eine mögliche Wiedervereinigung bereits im Masterplan für die geteilte Stadt vorgelegt wurde.

Planung kann, wie hier in Nikosia/Lefkosa auch die Sicherung des baukulturellen Erbes über die Grenze hinweg ermöglichen und zukünftige Entwicklungen für die Öffnung der Grenze mit einbeziehen.

Dazu haben sich bereits im Jahr 1979 ( fünf Jahre nach der Spaltung der Insel) Vertreter der griechisch-zypriotischen und der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft geeinigt, gemeinsam an für beide Teile wichtigen Themen zu arbeiten. Sie legten den Fokus auf die historische Innenstadt, die "Walled City", die durch die Teilung der Stadt bedingt im Niedergang begriffen war und einen starken Bevölkerungsrückgang verzeichnete.

Der Architektur-Masterplan entwickelte Strategien zur Sanierung von kulturell wichtigen Gebäuden auf beiden Seiten. Daneben wurden auch die gesamte Stadt betreffende Probleme wie die Trinkwasserversorgung einbezogen.

Bemerkenswert ist die Errichtung der Fussgängerzone entlang der ehemaligen Hauptgeschäftsstrasse auf türkischer und griechischer Seite, die bereits die spätere Grenzöffnung fokussiert. Die Hauptstrasse präsentiert sich offen, beidseitig stehen lediglich kleine Kontrollhäuschen.

 

Architecture Of Peace

Restaurierung des Parks und seiner Denkmäler in Kabul (Afghanistan) (Bild: Architecture Of Peace)

Das internationale Architektur-Projekt

In einem internationalen Projekt arbeiten niederländische und deutsche Architekten in Bezug auf friedenssichernde Architektur mit einheimischen Planern und Gestaltern zusammen.

Breddels und Oostermann: "Aus der internationalen Architekturplattform "Archis" heraus haben wir 2005 "Archis Interventions" gegründet (Gründungsmitglied, Architekt und Urbanist Dr. Kai Vöckler).

Anlass war die Anfrage von Kollegen aus Prishtina (Kosovo) und Beirut (Libanon), sie bei Problemen in ihren Städten zu unterstützten. Wir haben dabei festgestellt, auch im Rahmen von anderen Forschungen, z. B. in Kabul (Afghanistan) und Mostar (Kosovo), dass immer wieder strukturell ähnliche Probleme in Städten auftauchen, die sich in Postkonfliktsituationen befinden, wie beispielsweise ein enormer Bauboom und dem rasanten Anstieg der Bevölkerung durch Flüchtlingsströme."

Die Ausstellungsmacher stellen die Frage: Was genau kann Architektur leisten für die Friedenssicherung nach einem Militärschlag und für die Wiederherstellung des Friedens in kriegsbeschädigten oder geteilten Städten.

Breddels und Oostermann: "Will Planung als vorausschauende Gestaltung der Entwicklung einer geteilten Stadt den sich bekämpfende Gruppen eine gemeinsame Zukunftsperspektive bieten, dann stehen sie vor der Herausforderung zunächst die Kommunikation bei Verantwortlichen und Einwohnern über die Notwendigkeit einer gemeinsamen Planung herzustellen."

Als Antwort auf diese Realität wären Friedensmissionen und internationale Gesetze als Instrumente der Stabilisierung und Friedenssicherung geschaffen worden. Dies sei wichtig, der Weg zu einem dauerhaften Frieden sei dennoch langwierig und beschwerlich. Für eine Arbeit wie diese bräuchten Planer und Gestalter einen langen Atem, so die Kuratoren.

 

Architecture Of Peace

Architecture Of Peace (Bild: Katti Mieth)

Die Ausstellung

Die Ausstellung "The Good Cause" teilt sich in zwei Bereiche.

Teil Eins unter dem Titel "Architecture of Peace" zeigt anhand von Fallstudien aus Afghanistan, dem Kosovo, Südafrika, Ruanda, Israel und Palästina, wie Wiederaufbau aussehen kann, wenn er mit jenem Blick für lokale Strukturen entworfen wird.

Dies erfordere eine spezifische Einstellung und strategische Mittel, wie Bescheidenheit, Sensitivität, Vertrauen und Augenmerk auf Kontinuität, erklären die Ausstellungsmacher.

Teil Zwei widmet sich der Realität geteilte Städte Europas, die als Konsequenz gewaltsamer Konflikte einstanden sind (Divided Cities).

Die Ausstellung zeigt anhand ausgewählter Beispiele, wie Architektur ungelösten Konflikten entgegen wirken und zu einer Beendigung der Teilung beitragen kann.

Die Ausstellungsreihe, von München (Pinakothek der Moderne) nach Istanbul (Studio X) und weiter nach Copenhagen (DAC) gewandert, unterstützt das lang angelegte Netzwerk-Projekt der internationalen Plattform "Archis Interventions", das in Kriegsgebieten auf bestimmte Postkonfliktsituationen reagiert und aktiv den Wiederaufbau als friedenssichernde Maßnahme unterstützt: "Da draussen kann Architektur viel erreichen", so Andres Lepik, Direktor des Architekturmuseums der Pinakothek der Moderne, München.

 

Quelle: Pressekonferenz der Pinakothek der Moderne München.

 

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