Beängstigend reales Katastrophenszenario

Le Waldsterben & Co

Abgesagt: Le WaldsterbenAn apokalyptischen Szenarien herrscht seit jeher kein Mangel. Mit nachgerade seltsamer Begeisterung ersinnt der Mensch Untergangsvisionen, in deren Mittelpunkt er selbst steht. Als in den 1970er-Jahren Aufgewachsener habe ich eine Reihe dieser "Weltuntergänge" in ihrer dröhnenden medialen Wucht miterlebt. Vom Waldsterben über die drohende neue Eiszeit, vom Aussterben der Vögel und Bienen bis hin zum Rinderwahnsinn, der entgegen düsterer Prognosen nicht alleine in Großbritannien zehntausende Menschen dahinraffte.

Umso erstaunlicher mutet es an, wenn durchaus reale, ja, sogar unmittelbar bevorstehende Probleme globalen Ausmaßes kaum wahrgenommen werden. Während der angebliche gewaltige Anstieg der Weltmeere in Folge des Klimawandels nicht zu erwarten ist - woran übrigens Star-Apokalyptiker Al Gore wohl selbst nicht glaubt, sonst hätte er sich nicht ausgerechnet im Küstenstaat Kalifornien eine Villa gekauft - befinden wir uns mitten in einem für Milliarden Menschen existenziellen Katastrophenszenario. Die Rede ist von der Überfischung der Meere.

 

Kaum Fisch auf den Tisch

Für viele Mitteleuropäer, mich eingeschlossen, handelt es sich um ein für die eigene Lebensführung zunächst wenig bedrohlich scheinendes Problem. Fisch kommt in den meisten Haushalten selten auf den Tisch, und wenn, dann handelt es sich überwiegend um Süßwasserfische, deren Bestände nicht gefährdet sind. Hingegen sind Milliarden Menschen auf Gedeih und Verderb auf die Früchte des Meeres angewiesen. Es sind nicht einfach Millionen Arbeitsplätze, die vom Fischfang abhängen, sondern die Leben zahlreicher Bewohner, insbesondere der so genannten Dritten Welt (als würden diese auf anderen Planeten wohnen). "Stirbt der Wald, stirbt der Mensch", hieß es in den 1980er-Jahren. Nun, der Wald ist offensichtlich nicht gestorben. Doch sterben die Fische, sterben auch Menschen.

Bald Vergangenheit? Reiche FischbeständeDoch was sind die Ursachen der Überfischung? Glaubt man Politikern und den mit ihnen verbundenen Mainstreammedien und Wissenschaftern, trägt natürlich der Erzfeind der Gerechtigkeit und Menschlichkeit Schuld an der drohenden Katastrophe: Kapitalismus! In Wahrheit ist all das Gerede vom "Raubtierkapitalismus", der auf Grund fehlender Regulierungen und Gesetze (daran herrscht ja ganz offensichtlich ein eklatanter Mangel, wie uns tagtäglich vor Augen geführt wird) geradezu Amok läuft und für praktisch alles Übel der Welt verantwortlich ist. Nun soll an dieser Stelle nicht von der abenteuerlichen Lüge des "zu viel Kapitalismus!" oder der dümmlichen Wortschöpfung "Neo-Liberalismus" die Rede sein.

 

Ka Lachs da in Kanada

Vielmehr mögen wir uns der ebenso einfachen, wie vermutlich unmöglichen Lösung des Problems zuwenden. Wahr ist, dass viele Fischarten des Meeres vom Aussterben bedroht sind. Ganze Armaden an Trawler fischen ganze Regionen leer, wobei nicht nur die gejagte Fischart, sondern viele weitere Arten dezimiert werden. Etwa so, als würde ein Jäger für die Hirschjagd Granaten verwenden. Ein besonders drastisches Beispiel für Überfischung liefert Kanada. Noch vor wenigen Jahrzehnten üppigste Lachsbestände, können heute kaum noch Fischer von ihren Fängen leben. Die Regierung schränkte den Fischfang mittels Fangzeiten und Quoten stark ein, was irgendwann zu einer Erholung der Bestände führen soll.

Absurderweise wird eben jene kanadische Regierung für diese Maßnahmen gelobt, die das Schlamassel erst einbrockte. Tatsächlich verhielt es sich nämlich dergestalt, dass die kanadischen Behörden in den 1970er-Jahren massiv in die Fischerei eingriff. Einerseits durch das beliebte System von Regulierungen, etwa der Vergabe von Lizenzen, wer welche Fisch- oder Krabbenarten fangen darf, andererseits - mit katastrophalen Folgen - wurde der Bau einer kanadischen Trawler-Flotte subventioniert. Es dauerte nur wenige Jahre, bis die Lachsbestände fast völlig erschöpft waren.

Tragedy of the commons

Um zu verstehen, wieso nicht zu viel, sondern zu wenig Kapitalismus die Weltmeere bedroht, muss der Leser mit einem ihm wohl bislang nicht geläufigen Begriff vertraut gemacht werden. Seien Sie unbesorgt: Ich mache es ganz kurz und das dahinter stehende Prinzip ist verblüffend einfach zu verstehen. Es handelt sich um die "tragedy of the commons", auf Deutsch etwa: "Die Tragödie des Allgemeinguts". Erstmals tauchte dieser Begriff 1833 in einem Traktat des englischen Ökonomen William Forster Lloyd auf.

 

Denk nicht mal daran! Das ist MEINE Weide!Das Modell ist rasch erklärt: Stellen Sie sich eine Wiese vor, die der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Diese Wiese kann von jedem Bauern beliebig genutzt werden. Die Folgen dessen sind vorhersehbar: Jeder Bauer wird seine Kühe zum Grasen auf die Wiese treiben und dabei versuchen, für sich selbst so viel Gewinn (also satte Kühe) wie möglich herauszuschlagen. Dass die Wiese binnen kürzester Zeit leergefressen sein wird, interessiert keinen der Bauern. Denn die nachgerade perverse, logische Folge der Existenz von Allgemeingut besteht darin, sich ohne Rücksicht auf andere möglichst viele Ressourcen zu sichern. Die Zerstörung des Allgemeinguts kümmert unsere fiktiven Bauern nicht, da absurderweise derjenige der "Dummkopf" wäre, der nachhaltig zu wirtschaften versuchte.

 

Sehr ähnlich verhält es sich im Falle der Weltmeere. Diese stellen gleichfalls Allgemeingut dar, weshalb jeder Fischer oder Besitzer eines Trawlers danach trachtet, sich so viel wie möglich unter den Nagel zu reißen. Natürlich ist den Fischern bewusst, dass sie die Bestände nachhaltig gefährden und Raubbau an ihren eigenen Ressourcen betreiben. Aber die Logik nun einmal: "Wenn nicht ich, dann ein anderer!". Oder radikal vereinfacht ausgedrückt: Was nix kostet, ist mir nix wert.

 

Verkauft die Meere!

Vom Aussterben bedrohte Idylle: Fischer in IndienDie Lösung dieses Problems ist ebenso einfach, wie aus populistischen Gründen wohl undurchführbar. Ähnlich der Landvergabe müsste es auch auf den Meeren zum Verkauf von Eigentumsrechten kommen. Auf den ersten Blick mag dies empörend asozial und kaltherzig aussehen. Doch bedenken Sie, lieber Leser: Der in der Geschichte der Menschheit seltene Fall gewaltiger Lebensmittelüberschüsse in den westlichen Staaten hat bestimmte Gründe. Der Wichtigste: Das Land des Bauern gehört ihm, nicht der Allgemeinheit. Lassen Sie mich eines von unzähligen historischen Beispielen anführen, warum dem so ist. Die Ukraine galt nur so lange als "Kornkammer der UDSSR", bis die Landwirtschaft der Bauern kollektiviert wurde. Logische Folge: Hungersnöte. Die exakt selben "Erfolgsgeschichten" sozialistischer Planwirtschaft kosteten Millionen Menschen das Leben. Noch heute kann in manchen afrikanischen Staaten oder Nordkorea anschaulich betrachtet werden, wohin staatliche Planungen und Kollektivierungen führen.

 

Freilich mag ein Gegenargument lauten, dass diese "Meeresgrundstücke" von vermögenden Personen erworben werden würden. Aber wie verhält es sich bei der hiesigen Landwirtschaft? Sonnenuntergang über dem MeerAuch hierbei wechseln Grundstücke gegen gutes Geld den Besitzer oder werden seit Generationen von eingesessenen Familien bewirtschaftet. Dieses System funktioniert offenkundig sehr gut - weshalb sollte es sich auf den Weltmeeren anders verhalten? Vorstellbar wären Fischerkollektive, die sich zwecks Erwerb eines Stück Ozeans zusammenschließen, oder die Vergabe von Fischereirechten großer Konzerne an eingesessene Fischer. Was eine solche Maßnahme von Beginn weg bewirken würde, wäre nachhaltige Fischerei. Oder ist Ihnen, werter Leser, auch nur ein einziger Fall bekannt, dass ein Bauer das eigene Grundstück vom Vieh leerfressen lassen würde? Oder zehn Schweine schlachtete und davon fünf mitten auf dem Hof verrotten ließe, weil er doch ohnehin genug Vieh habe?

 

Selbstverständlich ist mir bewusst, dass es hierzu wohl nicht kommen wird. Die Vorstellung, dass die Meere allen gehören müssen, dass Kapitalismus ein Grundübel ist, dass der Staat für die Verteilung von Ressourcen und das Wohlergehen des Planeten zu sorgen habe, ist nicht einfach verbreitet, sondern in unseren Köpfen festzementiert. Folglich darf es nicht überraschen, dass auch die Überfischung der Weltmeere als Folge des "Raubtierkapitalismus" und der "fehlenden Gesetze" gilt, obwohl die Fakten und die Geschichte gegen diese populistischen Annahmen sprechen.

 

Danksagung: Die lizenzfreien Bilder stammen von Pixabay.

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