Untersuchungshaft ist keine Strafe

Gerade bei schweren Straftaten ist die öffentliche Empörung groß, wenn ein dringend tatverdächtiger Beschuldigter nicht in Untersuchungshaft kommt. Untersuchungshaft ist jedoch keine Strafe, sondern ein Zwangsmittel, um ein geordnetes Strafverfahren zu sichern. Ist ein Strafverfahren nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht gefährdet, darf der Haftrichter keine Untersuchungshaft anordnen.

Untersuchungshaft unterscheidet sich von Strafhaft – Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe – darin, dass kein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Beschuldigten ergangen ist. Vor dem Gesetz ist der Beschuldigte unschuldig. Es gilt die Unschuldsvermutung. In einem Rechtsstaat muss die Strafe das Ergebnis eines ordnungsgemäßen Strafverfahrens sein. Für die Verhängung einer Strafe reicht es nicht aus, dass der Beschuldigte dringend tatverdächtig ist. Das macht die Untersuchungshaft so problematisch, die faktisch wie eine Strafe wirkt. Was ist, wenn sich im weiteren Verlauf des Strafverfahrens herausstellt, dass der Beschuldigte unschuldig ist? Trotzdem ist Untersuchungshaft in einem Rechtsstaat erforderlich, um das Recht durchzusetzen. Denn viele Strafverfahren wären nicht durchführbar, wäre der Beschuldigte geflüchtet oder wären Beweise vernichtet.

Voraussetzungen der Untersuchungshaft sind streng

Die Voraussetzungen der Strafprozessordnung (StPO) für die Verhängung von Untersuchungshaft sind streng – und müssen es auch sein. Der Haftrichter – und nur der Haftrichter und nicht etwa die Staatsanwaltschaft – darf nur dann Untersuchungshaft verhängen, wenn der Beschuldigte

  • dringend tatverdächtig ist,
  • ein Haftgrund vorliegt und
  • Untersuchungshaft verhältnismäßig ist.

Es besteht dringender Tatverdacht, wenn der Haftrichter der Auffassung ist, dass die Wahrscheinlichkeit nach aktuellem Ermittlungsstand hoch ist, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist. Außerdem muss ein Haftgrund bestehen. Dies sind insbesondere Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr – also die Gefahr, dass der Beschuldigte Beweise vernichten oder auf andere Weise unbrauchbar machen könnte – oder Wiederholungsgefahr. Schließlich muss die Anordnung der Untersuchungshaft auch verhältnismäßig sein. Dies wäre zum Beispiel nicht der Fall, wenn der Haftrichter in einem Fall von Bagatellkriminalität Untersuchungshaft anordnet. Umgekehrt rechtfertigt die Höhe der zu erwartenden Strafe allein nicht die Verhängung der Untersuchungshaft.

Verwendete Literatur:

Dünkel, F. u.a. (2010). Strafvollzug in Deutschland Aktuelle rechtstatsächliche Befunde. Forum Strafvollzug, (1), 20-32.

Meyer-Großner, L. (2010). Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen. München: C. H. Beck.

Titelbild: Hans / pixabay.com

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