Von Guerilla-Gardening zum Urban Gardening

Weiter entwickelt hat sich das Guerilla Gardening im Laufe der letzten Jahre zum Urban Gardening (Urbanes Gärtnern). Häufig laufen solche Initiativen unter dem Namen ''Transition-Town''(Stadt im Wandel/Veränderung). Wollte die Hippie-Generation der 60er- und 70-er Jahre noch lieber autark in Landkommunen leben, so findet man die urbanen Gärtner heute mitten in den Großstädten. Die bewirtschafteten Flächen sind nur zeitweise und in kleineren Teilen einzelnen Personen zugeordnet. Allgemein wird eher in Gruppen gearbeitet, die sich aus Nachbarn verschiedenster Nationalitäten, politischen Gruppen, Kirchen oder Schulen zusammensetzen. Es kann sich um Besetzungen handeln, aber auch um Privatgrundstücke oder öffentliche Gelände, die nur für eine gewisse Zeit bewirtschaftet werden dürfen. Die Gärten sind meist öffentlich zugänglich.

Im Jahr 2006 wurde diese Bewegung von dem Engländer Rob Hopkins ins Leben gerufen. Ziel war ein Energie-und Kulturwandel mit Kopf, Herz und Händen. In einem Film namens "In Transition" hieß es schon vor 4 Jahren, dass es 900 registrierte und weltweit über https://pagewizz.com/pages/edit/37610/1.800 Transition Town-Initiativen gibt. Diese Zahlen dürften sich inzwischen wohl erhöht haben. Einen regelrechten Boom der Stadtbegrünung löste 2004 das Buch ''Guerilla Gardening'' von Richard Reynolds aus. Ihm folgen viele weitere, wie zum Beispiel ''Urban Gardening" von Christa Müller oder ''Mini Farming'' von Brett L. Markham.

Warum gründen immer mehr Menschen Gemeinschaftsgärten?

Das Hin zur Selbstversorgung und zur Natur in der Stadt erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Viele Menschen schätzen den Lebensstil in der Großstadt, wollen aber auch auf Natur in unmittelbarer Nähe nicht verzichten. Die Gründe für dieses Modell sind vielfältig und vermischen sich. Es sind zum Beispiel

  • der Protest gegen brachliegende, triste Flächen oder öde Hinterhöfe, gegen die wachsende Agrar-Industrie und schwindende Artenvielfalt

  • der Wunsch nach Selbstversorgung in Nähe der Wohnung

  • das Schaffen einer Gemeinschaft - über kulturelle Unterschiede hinweg - in kälter werdenden Großstädten

  • Einbeziehung von Menschen jenseits der Erwerbstätigkeit

  • Wiedererlernen von Naturabläufen (Umweltpädagogik)

  • Erfahrungsaustausch über Zukunftsthemen, wie neue Wohlstandsmodelle, Stadtökologie, Teilhabe, Permakultur

Eine neue Ethik breitet sich aus: Natürlich angebaute Lebensmittel sollen das Leben bereichern und die Lebensqualität erhöhen. Ausbeutung von Menschen und Tieren lehnt man ab. Das Gärtnern ermöglicht zudem eine Begegnung mit sich selbst. Das Verständnis für Zeit und Raum verändert sich, man lebt bewusst im Hier und Jetzt und wird sensibler für die Natur und die Bedingungen, unter denen wir leben. Schon Hermann Hesse schrieb: ''Die Beschäftigung mit Erde und Pflanzen kann der Seele eine ähnliche Entlastung und Ruhe geben wie die Meditation.''

Todmorden – das englische Vorzeigemodell

Das englische Städtchen Todmorden ist zu einem Vorzeigemodell der Transition Town-Bewegung geworden. Zahlreiche Menschen pilgern dort hin, um das vor 4 Jahren gestartete Projekt ''Incredible Edible Todmorden" zu begutachten und mehr darüber zu erfahren. Das jährlich stattfindende Erntefest bietet dafür die beste Gelegenheit. Die Bewohner stellen lokal angebaute Produkte vor, verkaufen und verköstigen die Besucher. Klein und Groß kann sich hier über nachhaltigen Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern informieren sowie über Geflügelzucht, Honiggewinnung, Apfelsaft-Herstellung, gesundes Kochen, Bodenbearbeitung und vieles mehr.

Berlin - die deutsche Hochburg des Urbanen Gärtnerns

Die größten und inzwischen wohl bekanntesten urbanen Gärten sind wohl die Prinzessinnengärten in Berlin. Nahe der U-Bahnstation Moritzplatz gelegen, wächst auf 6000 Quadratmetern alles, was das Gärtnerherz begehrt. Robert Shaw und Marco Clausen, die beiden Begründer, kamen 2009 auf die Idee, einen offenen Garten für alle zu schaffen. Aus einer vermüllten Brache erschufen Sie mit Hilfe von hunderten fleißigen Händen ein kleines Paradies. Anders als in konventionellen Gärten ist hier nichts in festen Beeten, sondern in Plastikkisten auf Holzpaletten, in Tonnen, alten Waschzubern oder aufgeschnittenen Milchtüten gepflanzt.

Gärtnern in der Stadt (Foto: Pixabay.de)

Da die Nutzung des Grundstückes nur auf Zeit erlaubt ist, setzt man bewusst auf eine mobile Landwirtschaft. Beide Gründer hatten – laut eigener Aussage im einem Interview mit Schrot & Korn (05/2011) - anfänglich keine Ahnung vom Gärtnern und waren sehr dankbar für fachkundige Helfer und Helferinnen aus den verschiedensten Ländern. Über ihre gemachten Erfahrungen haben sie jetzt ein Buch herausgebracht mit dem Titel ''prinzessinnengärten. Anders gärtnern in der Stadt''.

Viele deutsche Städte machen es dem Vorbild Berlin inzwischen nach.

Detroit – von der Motorenstadt zur Gärtnerstadt

Ein wunderbares Beispiel, wie sich das Bild einer Stadt verändern kann, ist Detroit. In den 50er-Jahren standen hier die Förderbänder von Chrysler, Ford und GM nicht still. Doch seit den 90er-Jahren gibt es diese Industrie nicht mehr. Fabrikgebäude stehen genauso leer wie Wolkenkratzer, Kinos und Kirchen. Mit dem Einbruch in der Automobilbranche und dem Verlust der Arbeitsplätze, leerte sich auch die Stadt. Seit der Blütezeit haben etwa eine Million Menschen die ''Motortown'' verlassen. Heute hat Detroit noch etwa 700.00 Einwohner. 30 Prozent der vorwiegend schwarzen Bevölkerung ist arbeitslos und es herrscht eine hohe Kriminalität.

Vielen kreativen jungen Menschen ist es zu verdanken, dass sich die Stadt verändert hat. So gibt es inzwischen zahlreiche gemeinnützige Projekte des urbanen Gärtnerns, wie das der Eathworks Urban Farm, wo Lebensmittel in Bio-Qualität angebaut werden. Diese Form der Stadtveränderung hat die Bewohner stark zusammen geschweißt. Überhaupt ist das urbane Gärtnern in den USA sehr verbreitet, wie die zahlreichen Initiativen zeigen.

Die Sehnsucht nach Natur ist nicht neu

Immer wieder in der Geschichte der letzten Jahrhunderte gab es diese Wellen des Hin zur Natur, wie in der Romantik, in der Biedermeier-Zeit und ganz besonders in der Lebensreformbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus der Sicht der Reformer hatte die Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts den Menschen und den Städten sehr geschadet. Damals legte man sozusagen mit neuem Körper-und Gesundheitsbewusstsein, Ökologie und gesunder Ernährung die Grundlage für das heutige urbane Gärtnern. In dieser Zeit kamen auch die Schrebergärten in Mode, die zur Selbstversorgung in den Städten beitragen sollten.

Neue Alternativen des Anbaus

Die wachsende Bevölkerungszahl und der erhöhte Bedarf an Nahrung erfordert gerade in den Großstädten neue Formen der Landwirtschaft. So gibt es in New York Projekte des ''Vertical Farming''. Hochhäuser werden als Bauernhöfe umfunktioniert. Vermutlich werden diese Projekte aber hohe Energiekosten verursachen, denn direktes Sonnenlicht erreicht nur die obere Etage. Kostengünstiger dürften dagegen Treibhaus-Konstruktionen auf Häuserdächern sein.

Wie es aussieht, wird die Zukunft in den Städten erfreulicherweise wieder grüner und auch in Sachen Agrarwirtschaft und Nahversorgung ist mit viel Neuem zu rechnen.

 

Weiterführende Informationen:

transitionculture.org

anstiftung & ertomis

Eine-andere-welt-ist-pflanzbar

In Transition Initiativen



 

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