Das Problem des Übergewichts global betrachtet

Eine großangelegte Studie hat ergeben, dass eineinhalb Milliarden Menschen zu dick sind, 500 Millionen davon sogar fettleibig. Die Zahl der fettleibigen Menschen weltweit hat sich damit in den vergangenen 30 Jahren nahezu verdoppelt. Insgesamt ist folglich die Zahl der Überernährten bereits größer als die der Unterernährten. Und das Problem der Übergewichtigkeit ist längst, wie die Studie gezeigt hat, nicht mehr nur eines der westlichen Industrienationen, sondern hat sich auch in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen ausgebreitet. Für die Studie wurden Daten von 9,1 Millionen Erwachsenen aus 199 Ländern und Regionen ausgewertet. Um festzulegen, wer fettleibig ist und wer nicht, wurde der sogenannte Body-Mass-Index (BMI) herangezogen, der Körpergröße und Gewicht in Verhältnis zueinander setzt. Bei Werten über 25 spricht man von Übergewicht, bei einem BMI über 30 von Fettleibigkeit (Adipositas). Und zwar waren der Studie zufolge 2008 weltweit 13,8 Prozent der Frauen und 9,8 Prozent der Männer fettleibig. Den höchsten BMI- Durchschnittswert weltweit wiesen 2008 die Nationen der Pazifikinseln auf. Unter ihnen hat der kleine Inselstaat Nauru den größten Anteil an Dicken. In den Ländern mit hohen Einkommen leben die meisten Übergewichtigen in den USA, in Australien und Neuseeland. So sind in den USA mehr als 30 Prozent der Männer und Frauen fettleibig. Weltweit gesehen hatten Frauen im Durchschnitt einen BMI von 23,8 und Männer einen von 24,1. In reichen Regionen waren Männer stärker übergewichtig als Frauen. In ärmeren Staaten war es umgekehrt.

Stunde der Wahrheit

Stunde der Wahrheit (Bild: by-sassi/pixelio.de)

Folgen der Fettsucht

In den USA, Australien und Neuseeland, den Industrieländern mit dem höchsten Anteil an stark Übergewichtigen, hat die Fettsucht schon bizarre Folgen. So vereitelt in den USA extreme Körperfülle schon so manche Röntgenuntersuchung und erzwingt den Einsatz von überlangen Injektionsnadeln und übergroßen OP-Hemden. Zunehmendes Übergewicht in der Bevölkerung stellt auch, wie aus Neuseeland berichtet wird, die Bestatter vor große Probleme, weil Särge und Krematorien nicht breit genug sind. Auch die Beisetzung extra breiter Särge ist eine Herausforderung. Diese wird in der Regel dadurch bewältigt, dass am Ende einer Gräberreihe breitere Gruben ausgehoben werden oder dass die Angehörigen für den Verstorbenen zwei Grabplätze nebeneinander kaufen. Aber auch der noch quicklebendige Nachwuchs bleibt von diesen Problemen nicht verschont: Kleinkinder passen nicht mehr in ihre Autositze, schon Babys sind fettleibig. Und auch Haustiere werden immer dicker. In den USA gibt es schon Diätpillen für Hunde. Die Fettsucht ist aber auch ein gravierendes ökonomisches Problem. So werden in den USA die Folgekosten des extremen Übergewichts auf rund 90 Milliarden Dollar pro Jahr beziffert.In Australien überstiegen im vergangenen Jahr die Kosten, die die Folgen der Fettsucht verursachen, die Ausgaben für die Gesundheitsvorsorge um das Doppelte.

Typischer Deutscher? (Bild: sheadquarters/pixabay.com)

Dicke Deutsche

Was die Situation in Europa betrifft, so haben – wie es in einer Meldung so schön heißt – die Deutschen in der "Moppel-Liga den Bauch vorn". Das heißt: Nirgendwo sonst in Europa ist der Anteil der Übergewichtigen an der Gesamtbevölkerung so hoch wie in Deutschland. Drei von vier Männern und mehr als jede zweite Frau sind hierzulande zu dick. Mehr als jede fünfte Frau und jeder fünfte Mann sind sogar fettleibig (adipös). Wenn man die krankhafte Fettleibigkeit alleine betrachtet, liegen hier aber andere vorn, nämlich die Griechen, die Einwohner einiger osteuropäischer Länder und die Briten. Bei den Deutschen ergibt sich also der allgemeine Spitzenplatz aus der Kombination des – geringeren - Anteils Fettleibiger mit dem – hohen – Anteil Übergewichtiger.

Die Kopplung von Übergewicht mit geistigem Niedergang

Es ist schon lange bekannt, dass Übergewicht erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge hat. Gemeinhin wird ein Zusammenhang gesehen zwischen Übergewicht und der Neigung zu Schlaganfall, Herzinfarkt und Diabetes sowie einer übermäßigen Belastung von Knochen und Gelenken. Neuere Studien haben nun gezeigt, dass Übergewicht auch zu einer Abnahme der Gehirnmasse führt. Ist also der Fettanteil am Körper erhöht, ist das Volumen der grauen Substanz deutlich verringert. Viel Speck geht einher mit wenig Hirn. Und je mehr ein Mensch auf die Waage bringt, desto weniger scheint sein Gehirn zu wiegen. So waren bei den übergewichtigen Studienteilnehmern, also denjenigen, die einen Body-Mass-Index (BMI) zwischen 25 und 30 hatten, bestimmte Schlüsselareale gegenüber dünneren Vergleichspersonen um vier Prozent verkleinert; bei den extrem fettleibigen, also denjenigen mit einem Body-Mass-Index über 30, war der Schwund sogar doppelt so groß. Das heißt: Das Gehirn der übergewichtigen Studienteilnehmer sah 8 Jahre älter aus als das Gehirn der dünnen, und bei fettleibigen Studienteilnehmern sah es sogar 16 Jahre älter aus. Insgesamt hatten die Fettleibigen acht Prozent und die Übergewichtigen vier Prozent weniger Nervengewebe im Gehirn als Normalgewichtige. Das bedeutet auch, dass der normale Prozess der Schrumpfung des Gehirns im Alter durch Übergewicht stark beschleunigt wird. Fettleibigkeit scheint aber nicht nur das geistige Leistungsvermögen zu vermindern, sie macht das Gehirn offenbar auch anfällig für Erkrankungen wie Alzheimer und andere Krankheiten, die das Gehirn angreifen. Und zwar scheinen hier biochemische Veränderungen eine große Rolle zu spielen, die sich im Körper Fettsüchtiger abspielen. Das heißt: Infolge ihres erhöhten Blutdrucks und ihrer erhöhten Blutzuckerwerte werden die Gefäße geschädigt, so dass Teile des Gehirns nicht mehr richtig durchblutet werden.

Viel Fett - wenig Hirn (Bild: Nemo/Pixabay.vom)

Leibesfülle (Bild: Nemo/Pixabay.com)

Der Zusammenhang von Herzschwäche und Hirnalterung

Laut einer anderen Studie, deren Ergebnisse ich im Hinblick auf das Problem des Übergewichts ebenfalls für interessant halte, gibt es einen signifikanten (bedeutsamen) Zusammenhang zwischen Herzschwäche und Hirnalterung. Das heißt: Bei Menschen mit schwachem Herzen altert das Hirn schneller. Und das gilt selbst dann, wie die Studie zeigt, wenn keine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegt, die Pumpleistung des Herzens aber am unteren Ende des Normbereichs liegt, was durch den sogenannten Herzindex angezeigt wird. Nicht nur bei Studienteilnehmern mit bekannten Herzerkrankungen war also das Gehirn im Schnitt fast zwei Jahre älter als das der Teilnehmer mit den besten Werten, sondern die gleiche Beobachtung machten die Forscher auch bei den Studienteilnehmern mit nur leicht unterdurchschnittlichen Herzindex-Werten. Für die Forscher ist dies vor allem deshalb alarmierend, da man davon ausgehen muss, dass von einer leichten Herzschwäche ein großer Teil der Bevölkerung betroffen ist – in der Studie waren dies bereits 30 Prozent der Teilnehmer. Man erfährt bei dieser Studie zwar nicht, ob die betroffenen Studienteilnehmer übergewichtig waren, aber man kann meines Erachtens davon ausgehen, dass Übergewichtige oft auch an einer durch Bluthochdruck verursachten Herzschwäche leiden, so dass hier das Zusammenspiel von Übergewicht und Herzschwäche für den rapiden Schwund der Gehirnmasse und damit für den geistigen Verfall verantwortlich sein könnte. Und zwar werden auch bei einer Herzschwäche die Hirnzellen nicht mehr genügend durchblutet und folglich nicht mehr genügend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Einer weiteren Studie zufolge baut sich das Denkvermögen fettleibiger Menschen im mittleren Alter noch schneller ab, wenn sie zusätzlich an Störungen des Stoffwechsels wie Diabetes leiden

Mögliche Gegenmaßnahmen

Die Belege für den Zusammenhang von Übergewicht und Verblödung, um es mal drastisch auszudrücken, müssten bei jedem für Gesundheitspolitik Verantwortlichen die Alarmglocken läuten lassen, vor allem natürlich in den Ländern, in denen ein großer Teil der Bevölkerung bereits an krankhafter Fettsucht leidet. Denn hier droht ein beispielloser physischer und psychischer Verfall der Bevölkerung mit unabsehbaren Folgen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. So wird Fettleibigkeit bereits für Millionen Todesfälle verantwortlich gemacht. Es ist also höchste Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ein ernstzunehmender Gegner ist natürlich die Nahrungsmittelindustrie. Sie verdient mit den "Dickmachern" viel Geld. Hier bedarf es seitens der Politik Rückgrat und Durchsetzungsvermögen. Aber jedem sollte klar sein bzw. jeder sollte sich klarmachen, was auf dem Spiel steht. Eine Vorreiterrolle hat hier Michelle Obama, die Frau des US-Präsidenten, übernommen. Seit drei Jahren kämpft sie gegen die Fettsucht-Epidemie in den USA und hat jetzt mit dem 150 Millionen Dollar (115 Millionen Euro) schweren Programm "Let's move! Active Schools" (Bewegen wir uns! Aktive Schulen) ihre Kampagne ausgeweitet. Es sieht vor, dass in den kommenden fünf Jahren insgesamt 50.000 Schulen in den gesamten USA dafür sorgen, dass sich ihre Schüler mehr bewegen. Ziel ist es, mindestens eine Stunde pro Tag physische Aktivitäten anzubieten. Körperliche Ertüchtigung ist in der Tat der "Königsweg" zur Überwindung der desaströsen Folgen der Fettsucht. So haben Hirnforscher festgestellt, dass, wer sich bewegt, dadurch sein Gehirn mit Proteinen versorgt, die das Nervengewebe schützen und im Hippocampus, einer wichtigen Schaltstelle im Gehirn, die der Einspeicherung neuer Gedächtnisinhalte dient, sogar neue Neuronen sprießen lassen. Statt sich mit sinnlosen Diäten herumzuschlagen, die häufig das Gegenteil von dem bewirken, was sie versprechen, oder sich gar auf den OP-Tisch zu legen und sich das Fett absaugen zu lassen, sollte also jeder Übergewichtige sich erst einmal mehr bewegen. Am besten ist es natürlich, wenn man erst gar nicht dick wird.

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Autor seit 10 Jahren
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