Ostsee

Doberan an der Ostsee ist das erste deutsche Seebad. Das Bauprojekt startet 1793. Friedrich Franz (1756-1837), Herzog zu Mecklenburg finanziert das Projekt und meldet sich als erster Kurgast zur Saison 1794. Den Ruhm als erster Gründer eines Seebades teilt er sich mit Samuel Gottlieb von Vogel (1750-1834). Dieser trägt als Badearzt zum finanziellen Erfolg der "wichtigen Sache" bei.

Herr von Vogel badet selbst gern im Meer. Er möchte Vorbild sein für skeptische Badegäste, die den gesundheitsfördernden Wert des Seewassers bezweifeln. Leider ist sein Eifer oft erfolglos. Die Statistik im Jahr 1796 wird ergeben, dass von 500 Badegästen im Jahr nur 100 Personen das Seewasser gebrauchen.

Unbequem ist das Baden 1794: Ein altes Wirtschaftsgebäude beherbergt ein paar mit erwärmtem Seewasser gefüllte Wannen. Dort planschen - streng getrennt nach Geschlechtern - die ersten Kurgäste. Sie sind wohlhabend und nicht begeistert über den geringen Komfort. Energisch eingeleitete Baumaßnahmen halten die Gäste bei der Stange. Sie freuen sich zwei Jahre später über das neue Komödienhaus, Logierhäuser, Speisesäle und das große Palais in Doberan. Jetzt besuchen ca. 300 Kurgäste im Jahr Heiligendamm. Sie zahlen für ihr Zimmer pro Tag 16 bis 32 Schillinge. Ihre "Bedienten” hausen für vier Schillinge pro Tag in Dachkammern. Häufig teilen sich zwei Dienstmädchen ein Bett. Das ist preiswerter für die "Herrschaften”.

 

Ein männlicher Kurgast

Der Tagesablauf eines vornehmen männlichen Kurgastes spricht für sich: Am Vormittag reitet er von Doberan nach Heiligendamm. Er badet halbherzig im Meer. Danach frühstückt er rohen Schinken mit etwas Pfeffer und Schwarzbrot. Beliebt ist zu der Zeit ein Eier-Grog mit dem Namen "Hoppelpoppel”. In Röpers "Geschichte und Anekdoten von Doberan in Mecklenburg” (Röper, F. 2. Auflage, 1808) erfahren wir das Rezept: Das Gelbe von einem rohen Ei wird vermischt mit Kandis, zwei Esslöffeln Rum und heißem Wasser. Nach dieser Stärkung reitet unser Urlauber zurück nach Doberan. Das Mittagessen nimmt er pünktlich um 13.30 im Salon ein. Am Nachmittag geht er bummeln und einkaufen. Nicht nur Kaufleute und Handwerker bieten ihre Dienste an. Unser Erholungssuchender lernt zusätzlich jene Damen kennen, die manche Spötter "gutmütige Seelchen” nennen. Die Zeit vergeht, man plaudert. Ein kleiner Mokka und Kuchen wird bestellt. Um 20.30 betritt unser Kurgast erneut den Salon und speist zu Abend. Kartenspiel und Roulette oder eine nette Dame runden den Abend ab. Mit feinen Damen tanzt er Walzer.

Elegante Tafel

Heiligendamm (Bild: falco / Pixabay)

Die Nordsee

Auf Norderney entsteht 1797 ein Seebad. Norderney gehört damals zum preußischen Ostfriesland. Die treibende Kraft für dieses Projekt ist Landphysikus Doktor von Halem (1762-1835). Er hält das Nordseewasser für gesünder als das Wasser der Ostsee. In der ersten Saison reisen 250 Badegäste an. Ab 1802-1806 arbeitet Doktor von Halem als Badearzt in Norderney und treibt den Bau von geeigneten Unterkünften, Badeplätzen und Speisesälen voran. Leider wird der schöne Erfolg durch Kriege zerstört. 1806 besetzt das Königreich Holland Ostfriesland, 1810 gehört es zu Frankreich, 1815 zum Königreich Hannover. Dieses spendable Königshaus verhilft Norderney zu neuem Glanz. 1819 nennt es sich stolz "Königliche Seebadeanstalt”.

 Heinrich Heine und die Torten

Unter den Gästen des Jahres 1825 befindet sich auch der junge Dichter Heinrich Heine (1797-1856). Er beobachtet das rege Treiben auf Norderney sehr genau. Zu tief ausgeschnittenen Damen und schönen Torten hat er ein zwiespältiges Verhältnis. So notiert er spöttisch in sein Tagebuch: " … und es wäre gut, wenn die Eigentümer der schönen Torten und Frauen solche etwas mehr verdeckten” (Heinrich Heine: "Reisebilder - Die Nordsee, Dritte Abteilung”).

 

Quellenangabe: Priegnitz, Horst: "Paradiese der Badelust", Hinstorff Verlag, Rostock, 1993, Seite 7-16.

Der Siegeszug deutscher Seebäder ist nicht aufzuhalten. Travemünde (1802), Boltenhagen (1803), Wangerooge (1804) und zahlreiche andere Orte bewirken durch den "Tourismus" Geld und bessere Lebensbedingungen. Weder Kriege noch Politik verhindern den Fortschritt auf Dauer. Heute gehören die Urlaubsorte an Nord- und Ostsee zu den beliebtesten in Deutschland. Auch heute wird gern getanzt - der Walzer am Wasser hat überlebt.

 

 

 

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