Das Konzil von Nizäa und der Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond

Im Neuen Testament der Bibel wird berichtet, dass Jesus Christus an einem Freitag am Kreuz gestorben und am darauffolgenden Sonntag von den Toten wieder auferstanden sein soll. Außerdem wird berichtet, dass dies nach Beginn des jüdischen Pessach-Festes stattgefunden habe, mit dem an den im Alten Testament berichteten Auszug des Volks Israel aus Ägypten erinnert wird. Dieses Fest, das in deutschen Bibelübersetzungen oft Pascha oder Passah genannt wird, beginnt mit dem Sonnenuntergang vor dem ersten Frühlingsvollmond.

Im Jahr 325 kamen in Nizäa (heute: İznik bei Istanbul in der heutigen Türkei) auf Einladung von Kaiser Konstantin über 300 Bischöfe zu einer kirchlichen Beratung, einem sogenannten Konzil, zusammen und berieten unter anderem auch, wann Ostern gefeiert werden soll. Sie waren der Auffassung, dass es sich um das höchste und wichtigste Fest der Christenheit handelt, an dem die Auferstehung von Jesus Christus gefeiert wird. Alle Christen sollten das Fest deshalb am selben Tag feiern, an einem Freitag an den Kreuzestod denken und am Sonntag danach die Auferstehung von den Toten feiern. Und das Fest sollte nach dem Willen der Bischöfe auch jahreszeitlich korrekt nach Beginn des jüdischen Pessach-Festes erfolgen, also auf keinen Fall vorher. Ostersonntag sollte also nach dem ersten Frühlingsvollmond sein.

Der Irrtum der Bischöfe über den Frühlingsanfang

Die Bischöfe nahmen an, dass der Frühlingsanfang immer am 21. März ist. Das stimmt nicht. Aber die Bischöfe legten fest: Am 21. März ist Frühlingsanfang; wenn am 21. März oder an den Tagen danach der erste Vollmondtag im Frühling stattgefunden hat, soll am darauf folgenden Sonntag Ostern sein. Deshalb gilt für den christlichen Ostertermin: Ostern ist immer nach dem 21. März, und zwar am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, der frühestens am 21. März stattgefunden hat.

Wichtig ist: Wann wirklich nach der Beobachtung des Himmels Frühlingsanfang ist, ist christlich-kirchlich uninteressant. Kirchlich ist immer am 21. März Frühlingsanfang. Demzufolge gilt: Ostern kann nie am Frühlingsanfang 21. März selbst sein, auch dann nicht, wenn der 21. März ein Sonntag ist. Ostern ist immer nach dem 21. März. Es könnte allerdings am 22. März sein, wenn der 22. März ein Sonntag ist und am Sonnabend, dem 21. März, Vollmond war.

Das Konzil von Nizäa richtete sich dabei nach dem damaligen julianischen Kalender. Die Bischöfe wussten nicht, dass sich der 21. März des julianischen Kalenders, also der von ihnen angenommene Frühlingsanfang, immer weiter vom wirklichen Frühlingsanfang, also dem Tag der Tagundnachtgleiche, entfernen wird.

Kalenderreform – 13 Tage Unterschied

Im Jahr 1582 war der wirkliche Frühlingsanfang schon am 11. März. Das war nicht so "schlimm", weil der damalige 11. März kurz nach Vollmond stattfand, der nächste Vollmondtag erst Sonntag, der 8. April, war und deshalb Ostern problemlos am nächsten Sonntag, dem 15. April, gefeiert werden konnte. Papst Gregor XIII. (1502–1585) ärgerte sich aber trotzdem maßlos darüber, dass der wirkliche Frühlingsanfang und der vom Konzil von Nizäa für alle Zeiten festgelegte Frühlingsanfang 21. März ganze zehn Tage voneinander abwichen.

Der Papst ordnete eine Kalenderreform an, mit der die zehn angesammelten Abweichungstage im Oktober des Jahres 1582 einfach weggelassen wurden. Gleichzeitig führte er Ausnahmen für die vierjährlichen Schaltjahre ein. Der heutige gregorianische Kalender, nach dem wir uns richten und der besser mit den wirklichen Jahreszeiten übereinstimmt, ist dem alten julianischen Kalender mittlerweile 13 Tage voraus. Wenn bei uns nach dem gregorianischen Kalender der 23. März ist, ist in der russisch-orthodoxen Kirche, die am julianischen Kalender festhält, erst der 10. März.

Es kann also passieren, dass bei uns am 23. März Vollmond ist und am darauf folgenden Sonntag Ostern. In der orthodoxen Kirche läge der Vollmondtag aber vor dem dortigen 21. März nach julianischem Kalender, also vor dem amtlich festgelegten Frühlingsanfang, sodass die orthodoxen Gläubigen auf Ostern bis zum Sonntag nach dem nächsten Vollmondtag warten müssen.

Das Problem mit dem Termin für den Vollmond: Ostern im Jahr 2012

Als im Jahr 325 die Bischöfe zusammentraten, lehnten sie es ab, den Vollmondtag einfach durch Beobachtung des Himmels zu bestimmen. Sie wollten, dass schon viele Jahre im Voraus der Ostertermin festgelegt wird, und ordneten an, genaue Berechnungen über den ersten Frühlingsvollmond anzustellen. Deshalb wurden tabellarische Aufstellungen errechnet, die jedoch ungenau waren. Papst Gregor XIII. führte bei seiner Reform des Kalenders neue Berechnungsmethoden ein, die bis heute dem wirklichen Vollmondtag entsprechen.

In den orthodoxen Kirchen sind aber die alten Tabellen über den jeweiligen Vollmondtag noch gültig. Die orthodoxen Kirchen nennen das den "für den Gottesdienst maßgeblichen Vollmond", was häufig mit einem Fremdwort als liturgischer Vollmond bezeichnet wird. Die liturgischen Vollmonde der orthodoxen Kirche finden derzeit vier Tage später als die wirklichen Vollmonde statt.

Der liturgische Vollmond hat im Jahr 2012 Bedeutung. Nach unserer westlichen "gregorianischen" Sichtweise findet der erste Frühlingsvollmond am Freitag, dem 6. April 2012, statt. Am darauf folgenden Sonntag, dem 8. April 2012, ist Ostern. Nach der orthodoxen Sichtweise ist der erste Frühlingsvollmond dagegen liturgisch vier Tage später, also am 10. April. Also ist das orthodoxe Osterfest erst am Sonntag, dem 15. April 2012.

Ostern westlich und orthodox – meistens zu verschiedenem Termin

Selten fallen die Ostertermine zusammen, wie das zum Beispiel 2004 der Fall war. Damals hatten wir am Montag, dem 5. April, Vollmond, und am Sonntag, dem 11. April, war Ostern. Der "liturgische" Vollmondtag der Orthodoxen war vier Tage später am Freitag, dem 9. April, der nach julianischem Kalender der 27. März war, also auch bereits im Frühling stattfand. Daher feierten auch die orthodoxen Christen am darauf folgenden Sonntag, dem 11. April, Ostern.

Meistens ist das orthodoxe Osterfest später, manchmal auch sehr viel später als im Westen; das war zum Beispiel im Jahr 2005 so. 2005 war der erste Frühlingsvollmond am Freitag, dem 25. März. Ostern war deshalb am Sonntag, dem 27. März. Orthodoxer "liturgischer" Vollmond war vier Tage später, also am Dienstag, dem 29. März. Der war aber nach dem julianischen Kalender erst der 16. März, lag also vor dem festgelegten Frühlingsanfang 21. März. Der nächste Vollmondtag war nach unserem gregorianischen Kalender erst am Sonntag, dem 24. April, orthodox-liturgisch also am Donnerstag, dem 28. April. Deshalb fand das orthodoxe Osterfest erst am Sonntag, dem 1. Mai 2005, statt und damit fünf Wochen später als bei uns im Westen.

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