Low-fat- kontra Low-Carb-Diäten

Zu verlockend sind die Versprechen vieler Diäten, um sie als oft leidgeprüfter mehr oder weniger beleibte Zeitgenosse, einfach zu ignorieren. Endlich abnehmen, ohne viel zu hungern, das wünschen sich die meisten. Klar ist man bereit, etwas Verzicht zu üben; es sollte aber nicht zur Qual werden. Und genau das stellen etliche Diäten in Aussicht, wenn man nur sich an einige Grundsätze hält. Mit wenig Fett zum Wunschgewicht nach dem Motto "Fett macht fett", verheißen die sogenannten "low-fat"-Diäten. Übrigens gilt auch hier, wie in vielen anderen Bereichen, die Maxime, mit englischen Titeln alle erdenklichen Empfehlungen und Diäten "aufzuwerten". Bei den fettreduzierten Diäten wird oft ein Anteil von 30 % oder weniger der täglichen Kalorienzufuhr angestrebt. Die durchschnittliche Kost hierzulande wartet mit einem Fettanteil von ca. 55 % auf. Die Theorie hinter dieser Empfehlung ist auf dem ersten Blick einleuchtend: von den drei Nahrungsbestandteilen, mit denen wir hauptsächlich den täglichen Kalorienbedarf decken: Fett, Kohlenhydrate und Eiweiß, enthält Fett mit etwas mehr als 9 kcal pro Gramm, mehr als doppelt so viele Kalorien pro Gramm auf als die anderen beiden mit ca. 4 kcal. 

Nun ist Fett aber nicht gleich Fett, will heißen, dass es zwischen unterschiedlichen Fettarten ganz erhebliche Unterschiede gibt. Aus medizinischer Sicht können einige Fette absolut als gesundheitsförderlich angesehen werden. Das gilt für die einfach- und mehrfach-ungesättigten Fette, in besonderem Maß für die Omega-3-Fette. Letztere werden bei den Inuit, die traditionell viel Fisch und damit Omega-3-Fette essen, für deren geringe Herzinfarktrate verantwortlich gemacht. Am anderen Ende des Spektrums stehen die gesättigten - meist tierischen - Fette sowie die Transfettsäuren, z. B. in vielen Fast-Food-Produkten enthalten, die verheerende Wirkungen auf die Blutgefäße entfalten. 

Wiederum andere Ernährungsspezialisten vertreten die Ansicht, nicht in erster Linie Fett sei für das Übergewicht verantwortlich, sondern die Kohlenhydrate. Vor allem die schnell aufgenommenen Kohlenhydrate (also die "kurzkettigen" Kohlenhydrate), zu denen z. B. auch Haushalts-Zucker gehört, heizen die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse an, Insulin zu produzieren. Das Insulin lässt den Blutzuckerspiegel rasch purzeln. Was die dann auftretende beginnende Unterzuckerung bewirkt, kenne viele aus eigener Erfahrung: Heißhunger und Unwohlsein sorgen fast unweigerlich dafür, dass wir das nächste Menü zu uns nehmen und damit unnötig viele Kalorien. Also wurden Kohlenhydrate danach unterteilt, wie schnell sie vom Körper aufgenommen und verarbeitet werden und wie hoch die Insulinmenge ist, die sie hervorrufen. Entsprechende Tabellen weisen jedem Nahrungsmittel einen sog. "glykämischen Index" oder noch genauer die "glykämische Last" zu. Damit lassen sich, ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, geeignete Lebensmittel erkennen, die den Insulinspiegel nicht übermäßig erhöhen. Bei den "low-carb-Diäten", quasi den Kontrahenten der "low-fat-Diäten", wird die Kohlenhydratzufuhr z. T. drastisch reduziert.

Zum Abnehmen wurden solche Diäten schon vor ca. 200 Jahren angewandt und im 19. Jahrhundert durch den extrem übergewichtigen Patienten Banting verbreitet, der eine solche Kost von seinem Arzt  verordnet bekommen hat und damit über 20 kg in einem Jahr abgenommen hat. Atkins und viele andere Verfechter folgten.

 

Mit welcher Diät kann man am besten abnehmen

Neben den geschilderten Diäten aus der "Low-Carb"- oder "Low-Fat"-Gruppe treten die Trennkostformen, in unterschiedlichen Variationen auf und oft mit plakativen Namen wie South-Beach-Diät, Logi-Methode, Atkins-Diät, 3-D-Diät, Brigitte-Diät, Hollywood-Stardiät etc. Mit der Frage, ob eine Diät den anderen überlegen ist, wurde der Abnehmwillige bisher von der Wissenschaft alleine gelassen, da keine zuverlässigen und von allen Experten akzeptierten Daten existierten.

Nicht wenige wandten allerdings immer wieder ein: egal, was man isst, ob Kohlenhydrate, Fett oder Eiweiß, die Kalorien, die nicht verbraucht werden, setzt der Körper stets in Form von Fett an. Das bedeutet, nimmt jemand 2.000 Kcal zu sich ein, spielt es keine Rolle, ob er davon 1.000  oder 500 als Kohlenhydrate oder als Fett aufnimmt, denn die überflüssigen Kalorien, die er nicht verbraucht, können nur als Körper-Fett gespeichert werden, denn der Körper scheidet keine Kalorien aus. 

Aber, was ist mit dem Stoffwechsel, wandten Ernährungsphysiologen ein? Proteine regen die Wärmebildung im Körper bekanntermaßen stärker an, als Fette und Kohlenhydrate. Tatsächlich wird ein Teil der Energie in der Nahrung in Form von Wärme verbraucht. Dieser Effekt ist mit       ca. 20 % bei Eiweiß am höchsten verglichen mit ca. 5 % bei Kohlenhydraten und ca. 3 % bei Fett. Andererseits zeigen diese Zahlen, dass die Unterschiede zwischen den beiden Hauptlieferanten, also Fett und Kohlenhydrate, nicht wesentlich ist. Höher ist der Effekt bei Eiweiß. Steigert man die Zufuhr an Eiweiß um 10 %, hieße das: bei 2.000 kcal eine Steigerung um 200 kcal an Eiweiß. Die produzierte Wärme durch diese Erhöhung beträgt damit ca. 30 kcal täglich, eine Wirkung, die insgesamt relativ bescheiden ausfällt. 

Obwohl das Problem des Übergewichtes enorm verbreitet ist und seit Jahrhunderten Wege gesucht werden, möglichst einfach und dauerhaft abzunehmen, herrscht bis heute Uneinigkeit darüber, welche Diät oder Ernährungsweise dem Abnehmwilligen am besten zum Ziel verhelfen kann. So ist es mehr oder weniger dem Zufall überlassen, welche Methode jemand empfohlen bekommt oder selbst einschlägt. 

Eine interessante Studie, die 2012 veröffentlicht wurde, hat versucht, das Dickicht zu lichten und teilte den Teilnehmern nach dem Zufallsprinzip eine von vier Diäten zu. .Danach wurde verglichen, welche Kostform erfolgreicher war. Im einzelnen wurden die folgenden Eckpunkte der Diäten gegenübergestellt: eine Eiweißmenge von 25% gegenüber 15%, eine Diät mit 40% Fett im Vergleich zu 20%  und 4 verschiedene Kohlenhydratmengen von 35% bis 65% der täglichen Kalorienmenge.

Nach 6 Monaten wurden im Mittel gute 6 kg abgenommen und - das ist der entscheidende Punkt - ohne relevanten Unterschied zwischen den verschiedenen Diäten. Nun könnte jemand sagen: Moment, vielleicht wurden aber unter einer Diät 6 kg Fett verloren, in einer anderen aber nur 2 kg Fett und 4 kg Muskelmasse. Um auch diesen wichtigen Punkt zu untersuchen, wurden diese Größen akribisch mittels CT und weiterer Methoden gemessen, doch auch bei der Fettverteilung zeigte sich durch die Bank ein vergleichbares Ergebnis unter allen Diäten. Das heißt, egal ob 35 % oder 65 % Kohlenhydrate, 15 % oder 25 % Eiweiß pro Tag gegessen wurde: bei gleicher Kalorienmenge wurde unter allen Diäten gleich abgenommen.

Im Endergebnis also kommt diese wichtige Untersuchung der Arbeitsgruppe um de Souza und Bray aus den USA zu dem Schluss, dass es beim Abnehmen nicht auf eine bestimmte Diät mit mehr oder weniger Kohlenhydraten, Fett oder Eiweiß ankommt, sondern lediglich auf die Kalorienmenge, die man zu sich nimmt.

Viele theoretische Erwägungen, wie das beliebte "Ankurbeln des Stoffwechsels", kapitulieren also vor der einfachen Erkenntnis, die viele Praktiker schon immer propagierten: was man an Kalorien zu sich nimmt wird, falls diese nicht verbraucht werden, als Fett gespeichert, egal ob die Kalorien aus Fett oder Kohlenhydrate stammen. Hier gilt, wie schon die alten Physiker wussten, der Energieerhaltungssatz, wonach keine Energie verloren geht - auch nicht im menschlichen Organismus.

Erfolge lassen sich, wie auch der ärztliche Alltag zeigt, mit vielen Diäten erreichen, wobei erfahrungsgemäß das Abnehmen leichter fällt als das dauerhafte Halten des Gewichtes. Viele sind durchaus mit ihrer Diät zufrieden, jedoch wird nur abgenommen, wenn auch die Kalorienaufnahme entsprechend gedrosselt wird. Andere Manipulationen am Essensplan erbringen keine Erfolge. Dabei kann eine Ernährungsumstelllung auch in Form einer zweckmäßigen Diät durchaus helfen. Schnelles Abnehmen wird aber von einer anschließenden raschen Wiederzunahme gefolgt. Nur etwas ein   25 % schaffen es, mittelfristig 5% abzunehmen und das Gewicht zu halten.

 Alles in allem untermauert auch diese aktuelle Studie, dass keine Diät und kein Ernährungsprinzip ein besseres Abnehmen ermöglicht als alle anderen. Die Physik lässt sich offenbar durch keinen Ernährungskniff überlisten. Insbesondere nahmen Personen unter reduzierter Zufuhr an Kohlenhydraten (low-Carb) oder verringerter Fettzufuhr (low-fat) bei identischer Kalorienmenge auch gleichermaßen ab. Man kann die Ergebnisse im Endeffekt auch so zusammenfassen: Die beste Diät ist diejenige, an die man sich auch hält und da schneidet FDH nicht schlechter ab als Low-Carb- oder Low-Fat-Diäten. Erforderlich sind ein langsames Abnehmen, um dem Jo-jo-Effekt entgegenzuwirken und eine dauerhafte Ernährungsumstellung, um eine erneute Gewichtszunahme zu vermeiden. Nach welcher Methode abgenommen wird, macht wie auch diese Studie zeigt, keinen relevanten Unterschied.

 

Dr. Ramon Martinez

Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie

Chefarzt

 

 

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Autor seit 11 Jahren
2 Seiten
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