Wie der Mord an einem Polizisten instrumentalisiert wird

Am Vormittag des 24.12.2015 erstach ein 27jähriger Mann in einem Zug einen Polizisten mit 7 Messerstichen und verletzte einen zweiten Beamten schwer. Am frühen Nachmittag erklärte das LKA Hessen, der Täter war ein Deutscher. Am späten Nachmittag, auch lokale Medien hatten online über dieses verabscheuungswürdige Verbrechen bereits berichtet, erschien in Twitter eine Traueranzeige für den ermordeten Beamten, der eine Frau und 4 Kinder hinterließ. In dieser Traueranzeige wurde ein Asylbewerber als Täter genannt. Diese Anzeige wurde geretwetet und geteilt und erreichte innerhalb kurzer Zeit eine hohe Reichweite. Doch die Fakten wurden nicht nur verdreht, nein, es wurde eiskalt gelogen. 

Interessant an diesem Fall ist, nur wenige User bemühten sich um Aufklärung. Die Mehrheit stimmte in das Wolfsgeheul um die gefährlichen Asylbewerber ein. Besonnene User wurden verbal angegriffen, als sie die Wahrheit posteten. Das gipfelte in der Behauptung, es sei egal, wer der Täter war, Deutsche Polizisten müssten das gleiche Recht wie ihre US-Kollegen bekommen. Erst Schießen, dann Fragen.

Wie viele User den Fall an Twitter meldeten, weiß ich nicht, mir sind mehrere bekannt. Doch wer sich das Profil einiger dieser Hetzer ansieht, stößt nur auf Tweets, die sogar strafrechtlich relevant sind. Und eine Anfrage der Behörden würde die realen Namen dieser User schnell offenlegen, weil diese bei der Einrichtung eines Accounts angegeben werden müssen.

Social Networks -- ideal für Lüge und Hetze

Die social networks sind für diese Art von Hetze, die Verbreitung von Lügen und die Verdrehung von Wahrheiten ideal. Durch virales Marketing wird schnell ein hohe Reichweite errreicht. Und die Verfasser wissen, sie sind mit ihren Ansichten nicht allein, auf ihren Zug wird schnell aufgesprungen. Dazu kommt, gerade Facebook tut sich mit der Löschung von Posts schwer. Außerdem, ehe sie gelöscht sind, ist das Ziel längst erreicht. Das gilt auch für Twitter und den oben geschilderterten Fall. Denn mal ehrlich, wer macht sich die Mühe und recherchiert eine solche Meldung noch einmal nach? Journalisten und erfahrene, seriöse Blogger vielleicht. Die Mehrzahl nimmt es jedoch als Wahrheit hin, es steht ja in Twitter. Für die Verfasser dieser Hetztweets sind die social networks damit ideale Multiplikatoren ihrer menschenverachtenden Nachrichten. Sie vergiften damit das gesellschaftliche Klima, sie schüren Ängste, sie befördern Ressentiments. Sie bereiten den geistigen Nährboden für das, was in Ungarn und Polen bereits Realität ist, eine rechtskonservative Mehrheit in der Bevölkerung, die ihre Parteien in die Regierung wählt.

Nun sind wir davon in Deutschland noch entfernt, doch so weit auch nicht mehr. Die konstanten 8% der AfD zeigen, wie stabil eine rechtskonservative Strömung in Deutschland seit Monaten bereits existiert. Und Twitterer, die diese Lügen verbreiten, sorgen für einen weiteren Zulauf zu dieser Strömung.

Wie ist Gegenwehr möglich?

Klar, zuerst einmal durch die Verbreitung der Wahrheit, auch direkt unter diese Tweets, egal auf welchem Network. So werden die wahrheitsgetreuen Fakten von neuen Lesern ebenfalls wahrgenommen. Auch Verlinkungen auf seriöse Quellen wie Polizeimeldungen oder ntv.de, in denen die Fakten real dargestellt werden, sind eine mögliche Maßnahme. Verbunden mit direkter Ansprache der Verfasser, "wo habt ihr das gelesen, ich finde es nicht?" wird so eine Gegen- öffentlichkeit aufgebaut. Außerdem finden sich in diesem Fall auch noch andere User, die diese Gegenwehr ebenfalls unterstützen.

Wichtig ist auch, diese User zu isolieren. Je weniger ihnen folgen, desto geringer ist ihre Reichweite. Entfolgen ist bei Twitter nur ein Mouseclick. Inzwischen checke ich bei neuen Followern sogar die ersten Tweets, um zu sehen, was gepostet wird und folge nicht jedem. Auch Blocken ist eine, wenn auch radikale, Maßnahme, um sich vor solchen Followern zu schützen.

Und je mehr User diese Tweets an Twitter melden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Account gesperrt wird. Denn die social networks sind keine rechtsfreien Räume, in denen nach Belieben gehetzt werden darf. In Berlin wurde 2015 eine Facebook-Nutzerin wegen Hetze zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, in Baden-Würtemberg entließ ein Unternehmen wegen ausländerfendlicher Posts einen Azubi.

Doch wichtig ist, nicht schweigen und nicht einfach nur ignorieren.

Foto by: pixabay.com

Autor seit 9 Jahren
104 Seiten
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