Wie vereinbarten sich Strafe und Religion im Mittelalter?
Unter dem Motto: Gottesmann und Folterknecht veranstaltete die Kunsthistorikerin Daniela Krezdorn im Schlossmuseum der Hohenzollern/Sigmaringen, eine Themenführung, mit Informationen über die Folter.Gott musste um jeden Preis versöhnt werden
Nur wenige Menschen konnten vor 500 Jahren lesen. Die Verständigung zwischen Herrschern, Geistlichen und Bevölkerung, erfolgte deshalb mit Bildern und Symbolen. Der Besuch des Gottesdienstes, die private Andacht, das Gespräch mit dem Priester, waren etwas Alltägliches. Aus moderner Perspektive war die alteuropäische Gesellschaftsordnung ungerecht; damals entsprach sie einem "gottgewollten" Plan.
Die Folge: Unter dem Eindruck einer Katastrophe fragten sich die Menschen zuallererst: " Was haben wir getan, dass Gott uns so straft?" Es war Aufgabe des Folterknechtes, Gott mit den Menschen zu versöhnen.
Daniela Krezdorn, fotografiert von Monika Hermeling
Vom Himmel in die Hölle
Nachdem Daniela Krezdorn im oberen Stockwerk des Schlossmuseums den damaligen Gottesglauben erläutert hatte, leitete sie die Besucher in das untere Stockwerk, zu einer umfangreichen Sammlung mit einzigartigen Zeugnissen menschlicher Kultur. (10 000 v. Chr. - 700 n. Chr.)
Daniela Krezdorn erklärte, dass im 13. Jahrhundert der Sachsen- und der Schwabenspiegel Gewohnheits- und Landschaftsrechte festlegte und erst die 1532 unter Kaiser Karl V. erschienene Constitutio Criminalis Carolina eine Vereinheitlichung des Strafrechtes brachte. Im Mittelalter war die Verfolgung von Verbrechern Sache der geschädigten Personen; die Obrigkeit fungierte als Schiedsrichter. Verbrechen gegen die moralische Ordnung, zum Beispiel die Vermutung eines Hexensabbats, wurden ebenso hart sanktioniert wie Diebstahl oder Mord.
Die frühere Gerichtsbarkeit in Sigmaringen
Beim Eintritt in das Foltermuseum betonte Frau Krezdorn, dass in diesem Raum die Folterinstrumente nur gezeigt werden. Sie klärte dann auf:
Blutgerichtsprozesse fanden auf dem Sigmaringer Marktplatz statt. Die Hinrichtung wurde auf der Buchhalde, später an der Landstraße Sigmaringen - Laiz vollzogen. Noch heute erinnert ein Kreuz an den schaurigen Ort. Um 1500 bis 1700 gab es in Hohenzollern etwa 100 Hexenprozesse, in Sigmaringen zehn. Der Erste war 1491 und der letzte 1680.
Der Mörder Xaver Schmid aus Inneringen, bei Sigmaringen, war der letzte Täter, an dem 1817 ein öffentliches Todesurteil vom Scharfrichter Anton Ritter mit dem Schwert vollstreckte, wurde.
Die Folter als Mittel zur Wahrheitsfindung
Wie die Kunsthistorikerin berichtete, war im 19. Jahrhundert die Folter ein legitimes Mittel der Wahrheitsfindung und der Ermittlung von Mittätern. Gott galt als Zeuge der Befragung. Ohne ein Schuldgeständnis war keine Verurteilung möglich, selbst wenn Indizien oder Zeugenbeweise vorlagen.
Bis die eigentliche Tortur begann, mussten vier Stufen vollzogen werden:
- Die Androhung der Folter
- Das Zeigen der Folterkammer und der Instrumente
- Das Entkleiden und Fesselung der Angeklagten
- Das Anbinden an das Folterinstrument
Ein Arzt war zugegen, damit der Delinquent die Folter überlebte, um ein weiteres Mal gefoltert werden zu können. Überstand er die Folter zweimal, wurde er freigelassen und musste der Rache an Gerichtspersonen abschwören. Gab er unter Folter seine Schuld zu, musste das Geständnis danach wiederholt werden.
Es gab verschiedene Folterinstrumente
Auf der Streckbank wurde das Opfer, zwei bis drei "Vater unser" lang, mit Hilfe der Winde regelrecht verlängert. Auch Arm-, Bein-, Daumen-, Handgelenk- und Beinschrauben, glühend heiße Zangen, mit denen vor allem an Nasen, Fingern, Zehen und Brustwarzen gezwickt wurde, oder der trockene Zug, bei dem der Missetäter mit auf den Rücken gebundenen Armen hochgezogen wurde, stellten sich als effektiv heraus.
Die unterschiedlichen Strafformen
Die Ehrenstrafen
In der damaligen Zeit war Recht und Unrecht eng an den Begriff der Ehre gekoppelt. Ein unmoralisches Verhalten musste öffentlich gerügt werden, Verbrecher wurden durch Folter überführt und mit Ehren-, Haft-, Kerker- oder der Todesstrafe belegt.
- Ein Bestrafter, der seine Ehre verloren hatte, war von der Gemeinschaft ausgeschlossen.
- Die Menschen wurden auf den Marktplatz an den Pranger mit einem Halseisen oder -geige gestellt, verlacht, beschimpft, bespuckt oder mit faulen Lebensmitteln oder Fäkalien beworfen.
- Männer, die sich "zum Beispiel wie ein Schwein" benommen hatten, erhielten die Schweinsmaske, Frauen, die zu geschwätzig waren, bekamen die Maske mit langer Zunge,
- Lügner eine lange Nase.
- Schandmasken gab es auch bei Bosheit, Liederlichkeit und Falschspiel.
- Die Schandgeige erhielt, wer beim Falschspielen, bei Trunksucht, Diebstahl oder Ehebruch erwischt wurde.
Die Todesstrafen
Nicht der Tod an sich, sondern die Todesart machte den Schwerverbrecher ehrlich oder nicht. Der ehrliche Tod erfolgte nur durch das Schwert. Der Delinquent durfte von seinen Verwandten anschließend christlich bestattet werden. Die Todesarten des Hängens oder Räderns galten als unehrenhaft.
Daniela Krezdorn beschloss die Führung mit der Bekanntgabe, dass eine Abschaffung der Folter nicht einfach war, weil es kzu der Zeit keine andere gesetzliche Möglichkeit zur Überführung der Täter gab. Todeskandidaten wurden am Rechtstag vor den Augen des Volkes auf dem Marktplatz förmlich verurteilt. Der Richter brach vor dem Täter seinen Stab mit den Worten "Gott sei deiner Seele gnädig". Die Gemeinschaft hatte die Ordnung zwischen Gott und den Menschen wiederhergestellt und feierte die Versöhnung mit Gott mit einem Volksfest.
1754 wurde die Folter in Preußen und um 1800 allgemein abgeschafft.
Quelle: Kulturhistorikerin Daniela Krezdorn, Hohenzollerisches Schlossmuseum, Sigmaringen
Daniela Krezdorn (Bild: Monika Hermeling)
Bildquelle:
Monika Hermeling
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