Wie wichtig sind psychisch kranke Menschen für Parteien?
Was eine einfache Anfrage im Vorfeld der Bundestagswahl offenbart....Einige Worte als Einleitung
Angsterkrankungen wie die generalisierte Angststörung, die soziale Phobie oder auch Panikattacken haben in den letzten Jahren an Häufigkeit zugenommen. Das hat verschiedene Ursachen, Leistungsdruck ist nur eine davon. Immer mehr Menschen leiden unter den Folgen dieser Erkrankungen. Als Coach und Anti-Stress-Trainer habe ich täglich mit Betroffenen zu tun. Um so interessanter sind die Antworten der etablierten Parteien auf meine Frage, was sie in ihren Wahlprogrammen dazu schreiben. Ich veröffentliche jetzt hier nur die reinen Antwortschreiben, ohne eigene Kommentare und Hinweise, wer es für die Partei verfasst hat.
Urteilen Sie einfach selbst!
Antwort der Grünen
Unser Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 werden wir auf einem Parteitag beraten und beschließen, der vom 16. bis 18. Juni stattfinden wird. Einen gesundheitspolitischen Schwerpunkt wollen wir aber in der Verbesserung der Versorgungsstrukturen setzen. Denn immer mehr Menschen benötigen aufgrund einer psychischen Krise oder einer schweren psychischen Störung Hilfe und Therapie. Ziel einer umfassend verstandenen Versorgung muss es sein, die gesundheitliche Versorgung und die psychosoziale Unterstützung von Menschen mit einer psychischen Störung oder Erkrankung zu verbessern und den betroffenen Menschen durch eine gut koordinierte Behandlung und Unterstützung zu helfen, ihre seelische Gesundheit wiederzuerlangen. Zwar ist aus Patient*innenperspektive in der Vergangenheit einiges passiert. Jedoch sind weitere Verbesserungen nötig. Das betrifft insbesondere die Vergütung und Versorgungsplanung. Trotz zunehmender volkswirtschaftlicher Kosten in Folge von psychischen Störungen sind Angebote zur niedrigschwelligen Versorgung in vielen Regionen nicht ausreichend ausgebaut. Wir brauchen mehr umfassende gemeindenahe ambulante Angebote, wie z. B. die Umsetzung der Soziotherapie, ambulante psychiatrische Pflege, Krisenhilfen, bessere Übergänge zwischen stationärer und ambulanter Versorgung, Angebote zur integrierten Versorgung sowie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Gesundheits- und Sozialberufen. Wissenschaftlich anerkannte Psychotherapieverfahren müssen auch in der ambulanten Versorgung ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Dazu ist die Bedarfsplanung auf der Grundlage von epidemiologischen Daten weiterzuentwickeln.
Antwort der CDU
Deutschland hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Gut ausgebildete Ärzte und Zahnärzte, ein dichtes Netz an Krankenhäusern, Apotheken und Heilmittelerbringern sowie Hebammen und Gesundheitshandwerker kümmern sich 365 Tage im Jahr um die Patientinnen und Patienten und bilden so die Grundlage für eine hervorragende medizinische und pflegerische Versorgung in unserem Land. Die Union will, dass auch in Zukunft jeder Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung hat – unabhängig von seinem Einkommen, Alter, Geschlecht, Wohnort oder gesundheitlichen Zustand! Wir stehen für ein leistungsfähiges Gesundheitswesen. Es ist für uns ein Gesundheitswesen, das Sicherheit, Qualität und Bezahlbarkeit zusammenführt und so zu einer hohen Lebensqualität in Deutschland beiträgt. Dies gilt auch für den von Ihnen beschriebenen Patientenkreis mit Angststörungen, Phobien und Panikattacken.
Psychisch erkrankte Menschen sind Teil der Gesellschaft! Sie sollen sich mit ihren Fähigkeiten einbringen können. Außerdem benötigen wir Wissen in unserer Gesellschaft über die besonderen Bedarfe und Bedürfnisse psychisch kranker Menschen. Wir wollen ein Klima der Offenheit und der Akzeptanz unterstützen. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass das Thema psychischer Erkrankungen auch in den Themensendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehr Präsenz erhält.
Mit dem "Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen" (PsychVVG) werden Behandlungsmodelle wie das Home Treatment ("stationsäquivalente psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld") gefördert bzw. entwickelt. Mit dem Home Treatment ist eine sehr gute Grundlage gelegt worden, damit die Verzahnung zwischen ambulanten und stationären Behandlungen erfolgreich gelingen kann und Klinikaufenthalte für die Betroffenen reduziert werden können. Das trägt zu mehr Lebensqualität der erkrankten Menschen wie auch bei den Angehörigen bei und verbessert die Teilhabechancen der Betroffenen maßgeblich. Die Umsetzung der Regelungen werden wir genau beobachten und ggf. nachsteuern. Ambulante wie auch stationäre Bereiche müssen im Sinne der Betroffenen kooperieren und sich koordinieren.
Antwort der Linken
1. Welche Vorstellungen und Ideen hat DIE LINKE für Menschen mit Angsterkrankungen, Phobien und Panikattacken?
Wir haben in unserem Wahlprogramm nicht einzelne Krankheiten behandelt, sondern legen Vorschläge zur Verbesserung der
Versorgungssysteme, zur Prävention und Gesundheitsförderung vor. Daher können wir nicht speziell auf die von Ihnen genannten
Krankheiten eingehen, sondern nur generell über unsere Vorschläge für psychisch erkrankte Menschen.
DIE LINKE fordert seit Langem, die psychotherapeutische Versorgung zu verbessern. Die Baustellen sind vielfältig. So muss die
Bedarfsplanung dringend überarbeitet und dem Behandlungsbedarf angepasst werden. Wir kritisieren, dass es entgegen dem
Koalitionsvertrag in dieser Legislatur keine Neuordnung der Psychotherapeutenausbildung und -weiterbildung mehr geben wird
und die unhaltbaren Zustände der Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Ausbildung (PiA) anhalten. DIE LINKE hat die
Einbeziehung der Psychotherapie bei den Terminservicestellen begrüßt. Die neuen "Sprechstunden" erachten wir allerdings nicht
für ein gutes Mittel, die Versorgung substanziell zu verbessern. Nicht zuletzt fehlt nach wie vor eine Versorgungssteuerung,
sodass die meisten Patientinnen und Patienten eher zufällig mit dem einen oder dem anderen Therapieverfahren behandelt
werden. Hier muss es mittelfristig zu einer evidenzbasierten Steuerung kommen, damit die Patientinnen und Patienten die für sie
am besten geeignete Therapie erhalten.
Nicht zuletzt muss über die Rolle der Psychotherapie nachgedacht werden. Bei aller Notwendigkeit einer guten
psychotherapeutischen Versorgung ist es nicht sinnvoll, auf krankmachende gesellschaftliche Entwicklungen, steigenden
Leistungsdruck und gesellschaftliche Vereinzelung ausschließlich mit mehr therapeutischen oder medizinischen Angeboten zu
reagieren. Im Sinne einer guten Gesundheitsförderung müssen diese Noxen vielmehr identifiziert und so weit wie möglich im
Vorhinein reduziert werden. Hier können Psychologinnen und Psychologen eine wichtige Rolle spielen.
Die Versorgung psychisch kranker Menschen darf sich nicht auf die psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung
beschränken. DIE LINKE legt großen Wert auf die Prävention und Früherkennung psychischer Erkrankungen. Es ist wichtig, dass
Erzieher*innen, Lehrer*innen sowie Betriebs- und Allgemein*ärztinnen geschult sind, psychische Erkrankungen zu erkennen und
angemessen anzusprechen. Für akute Krisensituationen muss ein leicht und anonym erreichbares Hilfesystem zur Verfügung
stehen, das telefonisch, über Internet und persönlich rund um die Uhr erreichbar ist. Hier besteht deutlicher Verbesserungsbedarf.
Sozialpsychiatrische Dienste und andere Träger der Krisenintervention sollten eng mit der Jugendhilfe, der Suchthilfe, der
psychosozialen Betreuung und den Angeboten des Gesundheitssystems zusammenarbeiten. Die einzelnen Hilfesystemen sind
häufig gut ausgestaltet, aber die mangelhafte Kooperation zwischen ihnen macht es für die Betroffenen oft sehr schwer, die ihnen
zustehende Hilfe auch in Anspruch nehmen. Die Vernetzung der einzelnen Träger und möglichst eine Leistungserbringung aus
einer Hand ist für DIE LINKE eine wichtige Aufgabe für die kommende Wahlperiode.
DIE LINKE begrüßt Maßnahmen, die eine stationäre Behandlung vermeiden helfen, erst Recht im Zusammenhang mit einer
geschlossenen Unterbringung. Für viele psychisch Erkrankte ist ein dauerhafte Unterkunft in vertrauter Umgebung, die Betreuung
und Wohnlichkeit miteinander verbindet, besser geeignet als der Wechsel aus Klinikaufenthalten und kaum betreutem Wohnen zu
Hause.
DIE LINKE ist überzeugt, dass die Integration von neu zugewanderten Menschen nur mit einer sozialen Offensive für alle bewältigt
werden kann. Gerade hier sind die von Ihnen genannten Erkrankungen häufig aufgrund von Traumatisierungen vor. Eine bessere
finanzielle Ausstattung der Kommunen, Erhalt und Ausbau der sozialen und kulturellen Infrastruktur
vor Ort - von der Sportanlage über die Bibliothek bis zu Schulen und Kitas - kommen allen Menschen im Land zugute und erhöhen
zugleich die Aussichten, dass sich Zuwanderer vor Ort integrieren. Daneben braucht es selbstverständlich spezifische
Maßnahmen: Recht auf Sprach- und Orientierungskurse, erleichterte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und
Weiterqualifizierung, Stärkung spezifischer Beratungs- und Betreuungsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen
infolge der im Herkunftsland und auf der Flucht erlittenen Traumatisierungen oder die Unterstützung von Vereinen und Initiativen,
die Projekte zur Integration vor Ort durchfüh
Eine Antwort der SPD...
hätte ich gerne hier veröffentlicht, doch hat die SPD bis heute auf meine Anfrage nicht geantwortet.
Eine Antwort der FDP...
kam mit mehr als zweimonatiger Verspätung und ist hier zu lesen:
Das Thema Gesundheit ist uns Freien Demokraten ein zentrales Anliegen, da wir sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit als Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben einschätzen. Wir wollen eine qualitativ hochwertige, flächendeckende, möglichst wohnortnahe und bedarfsdeckende Versorgung auch für Menschen mit psychischen Leiden, wie Angsterkrankungen und Phobien, sicherstellen. Dabei muss das Wohl der Patientinnen und Patienten unter Berücksichtigung von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsaspekten stets im Mittelpunkt stehen. Psychische Erkrankungen haben sich in Deutschland zu einer großen Herausforderung entwickelt. Wichtig ist es aus unserer Sicht, diese Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Unsere Forderungen und Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitssystem und der gesundheitlichen Versorgung können Sie hier einsehen: https://www.fdp.de/position/gesundheit . Die durch Krankheit hervorgerufenen Beeinträchtigungen, die Sie in Ihrem Anschreiben ansprechen, sind uns bekannt, weshalb wir in unserem Wahlprogramm festgeschrieben haben, dass wir jedem Menschen Hilfe zur Teilhabe an der Gesellschaft in Form eines Arbeitseinstieges ermöglichen wollen. Wir wollen einen flexiblen Arbeitsmarkt, der sich auch an den Bedürfnissen erkrankter Bürgerinnen und Bürger orientiert und der Lebensrealität der Menschen entspricht. Wir dürfen etwa die Zeitarbeit oder Befristungen nicht weiter einschränken. Neben Flexibilität am Arbeitsmarkt wollen wir ein Gesamtkonzept zum Empowerment für Erwachsene, zu dessen Elementen erforderlichenfalls psychosoziale Betreuung zählt. Unser gesamtes Wahlprogramm für die Bundestagswahl können Sie unter: www.fdp.de/denkenwirneu einsehen, über die "Suche-Funktion" werden Ihnen, zu den Ihnen relevanten Stichwörtern, unsere Inhalte und Lösungsvorschläge angezeigt.
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Der Autor ist Systemischer Coach mit der Spezialisierung auf Menschen mit Angsterkrankungen und Anti-Stress-Trainer. Er lebt und arbeitet in Berlin.
http://www.angstberatung-berlin.de/