Viele Wege führen nach Rom...

Den einen, allgemeingültigen Weg zur Schauspielkarriere gibt es leider nicht. Damit es mit diesem Beruf klappt, müssen meines Erachtens drei Dinge zusammenkommen: 1. Talent, 2. harte Arbeit und eine gute Ausbildung, 3. ein Quäntchen Glück. Vielleicht reichen schon zwei dieser Faktoren, und leider erreichen manchmal auch träge und eher talentfreie Menschen gewisse Berühmtheit, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Wie soll ich es nun angehen? Nun, das künstlerische und darstellerische Talent muss ich mitbringen. Dem Glück kann ich nur begrenzt auf die Sprünge helfen, aber zumindest versuchen, dort so präsent wie möglich zu sein, wo es die Jobs gibt. Was noch am besten steuerbar ist, ist die Ausbildung. Daher also zuerst einmal ab auf die Schulbank. Da bei fast allen Ausbildungseinrichtungen im Rahmen der Bewerbung Profis prüfen, ob man überhaupt geeignet ist, hat man hier schon gleich einen Gradmesser für das Talent. Die Eigen- und die Fremdwahrnehmung ist ja nicht immer deckungsgleich...

Die Schauspielschule

Kann man denn sowas überhaupt lernen? Schließlich hat es doch etwas mit Kreativität und künstlerischem Ausdruck zu tun. Diese Frage ist nicht grundsätzlich unberechtigt, denn in der Tat wäre es dem Beruf Schauspieler/in nicht angemessen, wenn man ihn nur auf das reine erlernbare Handwerk reduziert. Aber er hat eben doch einen nicht geringen Anteil Handwerk und Technik. Außerdem muss auch das Talent, das an sich ich nicht lernen kann und mitbringen muss, entwickelt und geschult werden.

 

Was genau lernt man also auf einer Schauspielschule? In erster Linie natürlich die Erarbeitung und Darstellung einer Rolle, einer Figur. Das Hineindenken und -fühlen in einen anderen Menschen, dessen Darstellung mit einer eigenen Stimme und Körpersprache, das glaubwürdige Spiel von Emotionen, die Bewegung im Bühnenraum und die Kommunikation mit den anderen Darstellern, das glaubhafte und natürliche Sprechen auch altertümlicher oder gereimter Texte. In den theoretischen Fächern beschäftigt man sich mit Dramaturgie, Theatergeschichte, Repertiorekunde und Psychologie. Und für Bewegungsmuffel ist das Ganze nichts, denn es wird intensiv gearbeitet an Tanz, Akrobatik, Fechten, Bühnenkampf, Singen und nicht zuletzt an Stimme und Sprechen. Gerade letzteres ist enorm wichtig - jeder Dialekteinschlag muss spurlos verschwinden, ohne die sichere Beherrschung der Hochsprache geht es nicht. Und wer viermal die Woche in einem großen Saal in einem dreieinhalbstündigen Stück eine Hauptrolle spielt, wird das ohne gut ausgebildete Stimm- und Atemmuskulatur nicht schaffen. Oder anders herum: wer nach einer Aufführung erstmal heiser ist, oder schon ab der fünften Reihe "Lauter!" Rufe provoziert, wird eher wenig Bühnenengagements bekommen. Immer noch interessiert? Also weiter...

 

Die oben genannten Dinge sind so im Groben die grundsätzlichen Inhalte einer Ausbildung. Die Ansätze und Methoden der verschiedenen Institutionen sind aber durchaus verschieden, so dass konkrete Stundenpläne natürlich schon deutlich von einander abweichen können. Die einen sind mehr handwerklich-technisch orientiert, andere setzen mehr auf ein Schöpfen aus der eigenen Psyche, um die Gefühle der Figur nicht nur zu "spielen", sondern sie wirklich selber zu empfinden: ich tue nicht so, als ob ich weine, ich weine wirklich. Hier kann ich keinen allgemeingültigen Rat geben, das ist letztlich Geschmackssache und jede(r) muss für sich die passende Richtung finden.

 

 

Kleiner Exkurs: Bühne oder Film/Fernsehen?

Wenn wir hier von Ausblidung reden - muss die nicht komplett anders sein für das Theater, die Bühne einerseits, und Film / Fernsehen andererseits?

 

Ja und Nein. Die Arbeit unterscheidet sich in der Tat. Was auf der Bühne notwendig ist, um dort gehört und gesehen zu werden, also kräftiges Sprechen und deutliche Mimik und Gestik, ist dann bei Dreharbeiten unnötig oder störend. Zuviel Mimik wirkt sofort total übertrieben und künstlich, wenn dein Gesicht bildfüllend in Nahaufnahme zu sehen ist. Laut sprechen muss man nicht, es hängt ein Mikrofon überm Kopf. Oder es wird eh nachvertont. Filmschauspieler/innen warten viel am Set und müssen dann fast auf Knopfdruck funktionieren, sobald die Kameras aufgebaut sind und gedreht wird, außerdem braucht man unheimliche Konzentration, denn es wird ja alles in vielen kleinen Schnipseln über einen langen Zeitraum hergestellt. Was später in der Filmhandlung in ein paar Stunden passiert, wurde über mehrere Wochen gedreht. D.h. manchmal spielt man Freitag die Szene, die eine Sekunde später stattfindet als die, die man am Dienstag gemacht hat, und muss sich dann wieder hineinfühlen. Dafür kann man den Text in kleinen Happen lernen und sich immer nur die Passagen merken, die gerade gedreht werden. Bühnenschauspieler/innen müssen deutlich mehr memorieren, brauchen viel Kondition, aber können sich dafür im Lauf eines Stücks warmspielen. Auch proben sie in der Regel viel länger und intensiver, die Rollen sind also meist gründlicher erarbeitet und weniger vom eigenen Typ abhängig als beim Film.

Scheinwerfer (Bild: Rainer Sturm / pixelio.de)

Trotz aller Unterschiede gibt es natürlich eine Menge gemeinsamer Grundlagen. Die meisten Schauspielschulen bilden primär für die Bühne aus, aber es ist dennoch sinnvoll - einmal, weil die Grundfähigkeiten eben für alle Medien gehen, und außerdem erhöht es die Jobchancen deutlich, wenn man technisch auch für die Bühne gerüstet ist. Es gibt natürlich Spezialisten, aber als Allrounder stehen einem schlicht mehr Türen offen.

Die erste große Hürde - Ohne Aufnahmeprüfung keine Schauspielschule

Jede seriöse Schauspielschule wird eine Aufnahmeprüfung verlangen. Das ist ein zeit- und nervenraubender Prozess für alle Bewerber/innen, aber es macht einfach Sinn, nicht nur weil selektiert werden muss, da sich deutlich mehr um die Aufnahme bemühen, als es freie Plätze gibt. Man kann hierzu unheimlich viel erzählen, aber das gibt glaub ich einen separaten Artikel. Also nur in Kürze: man muss ein bis drei kurze Szenen einstudieren, manchmal auch ein Lied, und das dann in der ersten Runde bei einem sogenannten Vorsprechen zum Besten geben. Da wird meist recht schnell gesiebt und man darf kein individuelles Betüddeln oder differenziertes Feedback erwarten - das geht schlicht nicht bei der Masse der Bewerber/innen. Entweder kommt dann nur "Danke, nein" oder man ist in der nächsten Runde. Dort und in allen weiteren nimmt man sich dann schon mehr Zeit und arbeitet intensiver mit den Kandidaten und Kandidatinnen, bis dann am Ende von ein paar Hundert so zwischen acht und einem guten Dutzend übrig bleiben.

 

Staatliche oder private Schule?

Erstmal würde ich es immer auf einer staatlichen Schule versuchen. Die sind im deutsch-sprachigen Raum meist als Hochschulen oder Fachakademien organisiert, es ist dort also streng genommen ein Schauspielstudium, auch wenn ganz praxisbezogen ausgebildet wird. Kurz gesagt haben die staatlichen Institutionen einen besseren Ruf und bieten eine besseres Lehrangebot. Das Studium dauert in der Regel vier Jahre. Private Schulen können eine Alternative sein, aber es gibt große Qualitätsunterschiede, und man muss für die Ausbildung bezahlen, das sind dann schonmal 200 bis über 300 Euro im Monat. Staatliche Einrichtungen verlangen nur die örtlich üblichen Studiengebühren.

 

Der dritte Weg - Quereinstieg und privater Unterricht

Kann funktionieren, muss aber nicht. Natürlich kann man sich privat fortbilden - also ich mache dann Rollenstudium und Monologarbeit bei einem pensionierten Schauspieler des hiesigen Stadthteaters und geh zweimal die Woche zu einer Sprechlehrerin. Ergänzend vielleicht ein artverwandtes Studium an einer Universität - zum Beispiel Theater- und/oder Medienwissenschaften. Das alles hat naturgemäß nicht die Qualität und Tiefe einer fundierten Vollzeitausbildung, also muss man hier die Defizite mit deutlich mehr Talent und Glück kompensieren. Aber seht es mal so: auch wenn die Chancen schlecht sind, so geht ein Quereinstieg immerhin überhaupt. Wenn ich keinen Medizinstudienplatz bekommen habe, kann ich nicht nach ein paar Jahren Privatunterricht einfach eine Arztpraxis eröffnen und halt schauen, ob dann Patienten kommen. Nein, geht nicht.

 

Sehenswert!
Kleine Haie

Diplom in der Tasche - und nu?

Automatismen gibt es keine. Nach Abschluss von Studium oder Ausbildung beginnt dann die Jobsuche. Absloventen und Absolventinnen der renommiertesten Einrichtungen (beispielsweise "Otto Falckenberg" in München, Reinhardt-Seminar in Wien, "Ernst Busch" in Berlin) haben recht gute Chancen, irgendwo ein Engagement zu bekommen. Für diejenigen von privaten Schulen wird es schwerer, weil manche große Theater nur Bewerber/innen von staatlichen Schulen überhaupt zum Vorsprechen einladen. Aber Anfänger sind billig, denen muss man nicht so viel bezahlen, daher ist es manchmal sogar leichter, einen Einstiegsjob am Theater zu bekommen, als diesen auf Dauer zu halten. Häufige Arbeitsplatzwechsel gehören übrigens dazu, damit muss man leben. Bühnenengagements sind immer nur Spielzeitverträge.

 

Ich brauche also ein gut ausgearbeitetes Vorsprech-Programm mit zwei, drei, vier unterschiedlichen Rollen und bewerbe mich an allen Bühnen, die ich finde, und hoffe auf die Einladung zur "Audition". In Deutschland hat die Agentur für Arbeit eine eigene Fachabteilung für Schauspieler/innen, die ZAV, wo man nur nach einem separaten Vorsprechen rein kommt. Gehört irgendwie dazu, weil es nochmal eine Art Ausweis der professionellen Eignung ist, aber bringt alleine nicht wirklich viele Theaterjobs.

 

Für Film und Fernsehen müssen es gute professionelle Fotos und nicht minder professionelle Demovideos sein, die ich dann an alle Casting- und Produktionsfirmen sende. Das alleine wird nicht reichen, Klinkenputzen gehört dazu. Agenturen sind auf Dauer in dem Metier kaum verzichtbar. Die reinen Castingagenturen sammeln einfach Daten von Schauspieler/innen, und melden sich, falls dein Typ gesucht wird. Anders eine Künstleragentur, die vertreten weniger Leute und suchen auch aktiv für ihre Klienten. Dafür bekommen sie dann einen Anteil der gezahlten Gage. Das Problem ist: die richtig guten Agenturen, die super Kontakte haben und viel tun können, suchen sich in der Regel ihre Künstler selber aus, und nehmen eher die, die man eh schon kennt. Die Agenturen, in die man als Anfänger/in rein kommt, haben meist deutlich mehr Menschen in ihrer Kartei und sind nicht so effektiv in der Vermittlung. Vorsicht: alle, die für die Aufnahme in ihre Kartei Geld verlangen, sind schwarze Schafe. Finger weg! Eine seriöse Agentur nimmt dich, weil sie hofft, mit deiner erfolgreichen Vermittlung zu verdienen. Die unseriösen nehmen dein Geld, lassen dann deine Unterlagen in der Schublade und tun: nichts.

 

So nun steht also dem Traumberuf nichts mehr im Weg. Er ist kein einfacher, manchmal komplett frei von Glamour und einfach Arbeit, und manchmal einfach genial. Karrieren laufen selten gerade, Krisen erleben viele, nicht wenige müssen immer mal wieder Kellnern gehen, um die Miete zu bezahlen. Ein netter Witz mit Wahrheitskern sagt:

Wie viele Schauspieler braucht man, um eine Glühbirne auszuwechseln? - 101. Einer bekommt den Job, die Glühbirne auszuwechseln, die 100 anderen sehen zu und sagen "Das hätte ich aber auch gekonnt!"

 

Aber sei's drum - wie heißt es: don't dream it, be it.

Autor seit 10 Jahren
3 Seiten
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