Das Ergrünen der Sahelzone

Seit sich der einstmals grüne Norden Afrikas infolge klimatischer Veränderungen in eine öde Wüstenlandschaft verwandelt hat, gehört die Ausbreitung der Wüste, die sogenannte Desertifikation, zu den größten Problemen dieses Kontinents. Konkret geht es hier um die Ausbreitung der Sahara, der mit neun Millionen Quadratkilometern größten Trockenwüste der Erde, in die südlich der Sahara gelegene Sahelzone, die wiederum in die Trocken- bzw. Feuchtsavanne im Süden Afrikas übergeht. In der Sahelzone liegen die Länder Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad, Sudan und Äthiopien. Sie gehören zu den ärmsten Ländern der Erde.

Jahrzehntelang litt die Sahelzone infolge ausbleibender Niederschläge unter extremen Dürreperioden, Bodenerosion und dem damit einhergehenden Absterben der Vegetation, was durch Raubbau an der Natur zwecks Gewinnung von Acker- und Weideland sowie von Brennholz seitens der hungernden Bevölkerung noch gefördert wurde. Man sah darin die Vorboten der Ausbreitung der Wüste. Doch neuerdings zeigen Analysen, dass diese Region überall ergrünt. Was sind die Ursachen dieses "grünen Wunders"?

Afrikanische Akazie (Bild: caromcdaid/pixabay.com)

Oase in Mauretanien (Bild: maxos_dim/pixabay.com)

Der Klimawandel als Segen

Eine wichtige Ursache für das Ergrünen der Sahelzone könnte ausgerechnet der als Klimakiller gefürchtete Anstieg der Treibhausgase, der CO2-Werte, in der Atmosphäre sein. So haben britische Klimaforscher im Fachmagazin "Nature Climate Change" berichtet, dass offensichtlich der Anstieg der Treibhausgase der Sahelzone in den letzten 20 Jahren mehr Regen beschert hat. Das heißt: Die erhöhten CO2-Werte verstärken das Temperaturgefälle über Nordafrika und fördern Luftströmungen, die feuchte Luftmassen in die Sahelzone bringen und dadurch den westafrikanischen Monsun verstärken, so dass es in der Sahelzone mehr regnet. Nach den Berechnungen der Forscher fällt in der Sahelzone aber auch mehr Regen infolge der Abnahme von Luftschadstoffen in der Atmosphäre. Der dominante Faktor bei der Erhöhung der Niederschlagsmenge in der Sahelzone scheint jedoch in der Tat die Erhöhung des CO2-Ausstosses in die Atmosphäre zu sein.

Die Große Grüne Mauer

Da größere Regenmengen zwar hilfreich sind, aber letztlich nur Bäume die Austrocknung der Böden wirklich stoppen können, versuchen seit Jahrzehnten Wissenschaftler, Agrartechniker und Hilfsorganisationen die Ausbreitung der Wüste in Afrika durch das Pflanzen von Bäumen aufzuhalten. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Projekt einer sogenannten Grünen Mauer - eine enorm teure Baumpflanzaktion, die die Regierungschefs der Sahel-Staaten initiiert haben.

Diese "Große Grüne Mauer" soll sich auf einer Brei­te von rund 15 Ki­lo­me­tern und einer Länge von über 7600 Ki­lo­me­tern von Se­ne­gal an der West- bis zu Dschi­bu­ti an der Ost­küs­te des Kon­ti­nents er­stre­cken und je nach Bedarf noch erweitert werden. Der Senegal ist überhaupt der Vorreiter bei diesem Projekt, denn das Land be­treibt schon ein um­fang­rei­ches Auf­fors­tungs­pro­gramm. So wurden hier seit 2008 jähr­lich rund 5000 Hekt­ar Wald an­ge­legt, und es werden regelmäßig jedes Jahr rund zwei Mil­lio­nen Bäume gepflanzt. Die "Große Grüne Mauer" kommt nun noch hinzu. Die Welt­bank un­ter­stützt das Ge­samt­vor­ha­ben mit ins­ge­samt 1,8 Mil­li­ar­den Dol­lar.

Erhebliche Probleme beim Projekt der Grünen Mauer sind die Wasserknappheit – die neu gepflanzten Bäume müssen ja zumindest zeit- und stellenweise bewässert werden und sind deshalb eine Konkurrenz für die Menschen, die das Wasser ebenso dringend benötigen -, Heuschreckenplagen, politische Konflikte sowie kriegerische Auseinandersetzungen in den beteiligten Ländern, Wildfraß, Abholzung und Sandstürme. Das Projekt der Grünen Mauer ist dennoch nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt, und auch wenn es nur teilweise verwirklicht würde, wäre das für Afrika schon ein Riesenfortschritt. Aber auch dieses Projekt ist im Kampf gegen die Desertifikation nicht wirklich "der große Wurf".

Fluss durch Niger und Mali (Bild: Kibi86/pixabay.com)

Straße in Burkina Faso (Bild: marclou/pixabay.com)

Das Konzept der Landwirtschaft unter Bäumen

Von allen Versuchen, die Ausbreitung der Wüste in Afrika zu stoppen, erscheint ein Ansatz am aussichtsreichsten, der auf die Initiative eines "Einzelkämpfers" zurückgeht. Und zwar handelt es sich dabei um die Methode zur Wiederbegrünung karger Landstriche, die der Agrarökonom und gebürtige Australier Tony Rinaudo entwickelt hat. (Tony Rinaudo ist Berater für den Umgang mit natürlichen Ressourcen. Seine Schwerpunkte sind: Nachhaltige Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Wiederaufforstung in Entwicklungsländern. Seit 1999 ist er beim internationalen Kinderhilfswerk World Vision tätig.)

Rinaudo war 1980 nach Abschluss seines Studiums mit einer kleinen christlichen Nichtregierungsorganisation in die Sahelzone gekommen und versuchte zunächst mit der herkömmlichen Methode des Pflanzens von Bäumen entwaldete Regionen wieder zu begrünen und das Land zumindest teilweise wieder nutzbar zu machen. Schnell machte er jedoch die traurige Erfahrung, dass von den gepflanzten Bäumen nur ein Bruchteil überlebt, und sah sich "mit seinem Latein am Ende". Der gläubige Christ begann, mit Gott zu hadern, und betete, als er mit seinem Geländewagen unterwegs war: "Zeig mir endlich, wie ich helfen kann!"

Prompt blieb er im Sand stecken, musste aussteigen und entdeckte in der Nähe viele kleine, grüne Büschel, die aus dem Boden ragten. Als er daraufhin den Sand beiseiteschob, stellte er fest, dass unter der Erde das Wurzelwerk eines ganzen Waldes vorhanden war. Das öffnete ihm die Augen. Anstatt weiterhin Bäume zu pflanzen, die im trockenen Boden fast nie Wurzeln schlagen, beschloss er, die bereits verwurzelten Pflanzen zu schützen und mit einer einfachen Beschneidungstechnik großzuziehen. Daraus entwickelte er sein Konzept der Landwirtschaft unter Bäumen als natürliche – regenerative –Wiederbewaldungsmethode und Schutz gegen Ernteausfälle, wobei es sich eigentlich um keine Innovation, sondern um die Wiederentdeckung einer uralten afrikanischen Methode handelt. Diese hat zudem den Vorteil, dass hier Bäume wieder wachsen, die in Afrika beheimatet und an die hiesigen Umweltbedingungen angepasst sind. Insgesamt gibt es in Afrika mehr als 1000 verschiedene Baumarten.

Landwirtschaft in Burkina Faso (Bild: RobertoVi/pixabay.com)

Bauernfamilie in Äthiopien (Bild: PeterW1950)

Eine geniale Idee setzt sich durch

Aber als Rinaudo in Niger die Bauern für seine Idee, auf ihren Feldern die Bäume stehen zu lassen, gewinnen wollte, stieß er zunächst weitgehend auf taube Ohren. Nur wenige Bauern ließen sich für seine Pläne begeistern. In dieser Situation kam wieder "Hilfe von oben", diesmal in Form ausbleibenden Regens. Denn als daraufhin schwere Dürren das Land heimsuchten, waren es die "experimentierfreudigen" Bauern, die auf ihren Feldern trotz der Dürre gute Ernten erzielten. Die Wurzeln der Bäume hatten das letzte bisschen Feuchtigkeit im Boden gespeichert und die Erosion gestoppt, das Gras, das unter den Bäumen wuchs, war Futter für die Ziegen, und in dem Gehölz fanden wiederum andere Pflanzen und Tiere eine Heimat. Die Blätter hatten Schatten gespendet und den Boden gedüngt. Die bei der Beschneidung abfallenden Äste dienten als Feuerholz. - Daraufhin zogen die anderen Bauern nach.

Inzwischen ist festgestellt worden, dass Bauern, die auf ihren Feldern Bäume stehen lassen, in manchen Jahren bis zu 100% höhere Erträge erwirtschaften können. Nach Expertenmeinung gibt es keine Methode, die preiswerter und erfolgversprechender ist. Um den Beitrag der Bauern zu würdigen, hat Rinaudo der natürlichen Waldfeldbau-Methode den Namen FMNR (farmer managed natural regeneration, deutsch: von Bauern unterstützte natürliche Regeneration) gegeben.

Inzwischen arbeiten acht afrikanische Staaten nach Rinaudos Methode. Allein in Niger betreiben über eine Million Bauern auf sechs Millionen Hektar Landwirtschaft unter Bäumen. Dadurch sind in Niger wieder mehr als 200 Millionen Bäume gewachsen, und jedes Jahr werden es mehr. In Mali werden nach Rinaudos Methode drei Millionen Hektar bearbeitet und in Burkina Faso eine Million Hektar. Außerdem sind viele Bauern, nachdem sie die segensreichen Wirkungen eines üppigen Baumbestandes erkannt haben, dazu übergegangen, nicht nur das vorhandene Wurzelwerk für die Aufzucht von Bäumen zu nutzen, sondern regelrecht Bäume zu pflanzen und sie so zu pflegen, dass sie nicht vertrocknen. Bäume werden jetzt mit anderen Worten nicht mehr als Konkurrenten bei der Verteilung des knappen Wassers betrachtet, sondern als Lebensspender.

Äthiopien ist vielleicht das beste Beispiel für den Wandel, der sich durch FMNR bereits vollzogen hat. So wurde das Land vor 30 Jahren von einer apokalyptischen Hungersnot heimgesucht, die eine Million Menschen tötete. Heute sprießen Mais, Gerste oder Weidegras, wo einst Wüste war, und 2012 konnten die stolzen Bauern erstmals selbst Überschüsse an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen verkaufen. Viele äthiopische Bauern sind auch dazu übergegangen, auf Terrassen, die an Berghängen angelegt werden, Landwirtschaft zu betreiben, weil auch diese Methode die Erträge stark erhöht. In den nächsten Jahren will Äthiopien insgesamt 15 Millionen Hektar Brachland wieder begrünen. In Süd- und Nordäthiopien gibt es bereits neue Wälder, und diese haben sogar dafür gesorgt, dass der Grundwasserspiegel wieder gestiegen ist.

Schlusswort

Da die Erfolge der von Tony Rinaudo neu angewandten Kombination von Wiederaufforstung und Landwirtschaft offensichtlich sind, besteht die Hoffnung, dass daraus eine Bewegung für ganz Afrika wird und Afrika dadurch wieder ein grüner Kontinent. Nach Expertenmeinung hat Rinaudo bereits die größte Umweltveränderung in Afrika in den letzten hundert Jahren bewirkt. Ferner ist zu bedenken, dass durch seine Methode Afrika langfristig unabhängig werden könnte vom "Tropf" der Entwicklungshilfe. Vielleicht noch wichtiger aber ist, dass sich die Afrikaner hier auf eigene Stärken zurückbesinnen und daraus ein neues Selbstbewusstsein ableiten können.

 

Quellen:

http://blog.worldvision.de/2015/03/ein-traum-wird-wahr-afrika-wird-wieder-gruen/

http://derstandard.at/2000019197287/Gottes-Werkzeug-gegen-den-Hunger-in-Afrika

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/sahelzone-fmnr-soll-ausbreitung-der-wueste-stoppen-a-838840.html

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/die-sahelzone-ergruent-a-1053076.html

http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-18928-2015-06-02.html

Bildnachweis:

Alle Bilder: pixabay.com

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