Woher kommt der Begriff Leseratte?
Warum das Wort "Leseratte" früher einen negativen Beiklang hatte, und was man heute damit verbindet.Historische Bedeutung:
Überwiegend wird die Bezeichnung Leseratte allerdings auf die Eigenschaft der Ratte zurückgeführt, beim Essen nicht wählerisch zu sein.
Ratten sind Allesfresser, sie Essen Verschiedenstes mit großem Appetit.
(Bild: Kaz / Pixabay)
Entsprechend wurde den Leseratten nicht vorrangig nachgesagt, viel zu lesen, sondern besonders wahllos zu lesen! Also eben nicht nur zu einem kleinen Kreis von Themen. Nicht nur wertvolle Literatur. Sondern alles mögliche – historische Bücher, zeitgenössische Romane, Kochrezepte, Gebrauchsanleitungen, politische Schriften...
Jedenfalls früher hatte die Bezeichnung als Leseratte oft einen negativen Beiklang
Wieso hatte die Bezeichnung als Leseratte einen negativen Unterton?
Wer viel liest, ist doch offenbar vielseitig interessiert und eignet sich viel Wissen an – das sollte positiv besetzt sein!
Lag es früher daran, dass gewisse politische Texte nicht verbreitet, also nicht gelesen werden sollten? (Noch früher, als die meisten Menschen nicht lesen konnten, sollen beispielsweise des Lesens kundige Frauen allein wegen dieser Fähigkeit mit Misstrauen betrachtet worden sein.)
(Bild: geralt / Pixabay)
Oder war das Lesen deswegen schlecht angesehen, weil dadurch Zeit verloren ging, die für andere Tätigkeiten wie die Feldarbeit verloren gingen?
Vielleicht spielte auch Neid eine Rolle: Die Leseratten hatten offenbar Zeit, Stunden mit etwas – jedenfalls in der Nicht-Wissensgesellschaft – so unproduktivem wie Lesen zu verbringen.
Und wie ist es heute?
Heute hat die Bezeichnung "Leseratte" mal eine positive, mal eine negative und mal eine neutrale Bedeutung. Positiv – die Leseratte weiß durch das Lesen viel und kann sich gut allein beschäftigen. Heerschaaren von Pädagogen zerbrechen sich sogar den Kopf darüber, wie man Kinder zum Lesen animieren kann.
Negativ besetzt ist das Wort eher von Leuten, die selber nicht viel lesen. Sie halten Leseratten für langweilige Typen, die ihre Freizeit nicht mit Sport und Ausgehen verbringen, sondern darüber höchstens lesen.
Des Zeitverlusts durch Lesen bekenne mich auch schuldig: In der Zeit, in der ich ein Buch lese, hätte ich auch aufräumen, die Wohnung putzen oder mit viel Liebe etwas kochen können – stattdessen lese ich z.B. einen Roman über die Probleme zweier Leute, die es gar nicht gibt.
Bemerkenswert ist auch, dass die Formulierung irgendwie weiblich klingt (obwohl es ja auch männliche Ratten gibt). Gibt es keine Männer, die gern, viel und Unterschiedliches lesen? Oder wird es bei denen nur nicht kritisiert?
Bleibt nur noch die Frage, wie viel eine Leseratte lesen muss, um als solche zu gelten. Ein Buch pro Monat reicht wohl noch nicht. Eines pro Woche? Eines pro Tag?
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)