Working Poor in Österreich: Trotz Arbeit winkt Armut
300.000 ÖsterreicherInnen nagten im Jahr 2008 am Hungertuch und über 10 Prozent der ArbeitnehmerInnen verdienten weniger als 950 Euro brutto im Monat.Die Liberalisierung des Arbeitsmarkes schafft tendenziell Working Poor
Die Liberalisierungstendenzen des Arbeitsmarktes haben signifikanten Einfluss auf die Zunahme von Armut trotz Arbeit. Kleine Betriebe bezahlen oft niedrigere Löhne als große Betriebe, da die Interessenvertretungen erst ab einer gewissen Größe bindend und wirksam sind. Eine soziale Absicherung gegen Armut bieten Betriebe ab 50 Mitarbeitern, da hier die Kollektiv-Verträge bindend werden und somit ein Mindestlohn für den Arbeitnehmer garantiert ist. Dennoch, je mehr der Staat in der Arbeitsmarktpolitik das Ruder aus der Hand gibt, desto mehr wird Armut trotz Arbeit zur Realität werden. Wenn die Kollektiv-Verträge aufgeweicht und die Sozialleistungen beschnitten werden, dann verlieren die Interessenvertretungen an Boden und die ArbeitnehmerInnen Schutz vor Armut.
Hirnschmalz statt Muskelkraft gibt Sicherheit
Besonders gefährdet sind jene Arbeitnehmer, welche keine beruflichen Qualifikationen erworben haben. Diese Gruppe der Niedrigqualifizierten findet sich oft in schlecht bezahlten Jobs wieder und kann dadurch trotz einer Vollzeitarbeitsstelle kein Auskommen finden. Des Weiteren ist diese Gruppe deutlich häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen, da der Wandel in Richtung hoch qualifizierter Berufe geht und der Bedarf an niedrig qualifizierten Arbeitnehmern sinkt. Zusammengefasst ergibt dies ein hohes Risiko von "Working Poor" betroffen zu sein für die unteren Berufsklassen mit niedriger Ausbildung.
Die Branche macht den Unterschied
Je nach Branche sind tendenziell die Löhne unterschiedlich verteilt. Im landwirtschaftlichen Sektor sinken die Löhne und die atypischen Beschäftigungsverhältnisse wie Saisonarbeit, Tagelöhner oder Werkverträge steigen an, da diese für den Arbeitgeber Kosten einsparen. Dasselbe Spiel ist beim personen- und konsumbezogenen Dienstleistungssektor (Mobile Pflege und Betreuung, Verkauf) zu beobachten in Form von Teilzeitverträgen und freien Dienstverträgen gefolgt von niedrigen Löhnen. Das Gegenteil betrifft den produktionsnahen Dienstleistungssektor (Forschung und Entwicklung, Softwarefirmen) mit hoher Bezahlung und guten Beschäftigungsmöglichkeiten.
MigrantInnen sind klar im Nachteil
Diese Personengruppe ist besonders benachteiligt, da sie besonders stark in Niedriglohnjobs vertreten sind. Die Gründe hierfür sind oft mangelnde Qualifikation, fehlende Sprachkenntnisse und Diskriminierung am Arbeitsmarkt. Ein weiterer Punkt ist, dass oft nicht-österreichische Ausbildungen aufgrund fehlender Vereinheitlichung nicht anerkannt werden, womit die Integration am Arbeitsmarkt zusätzlich erschwert wird. Entlassungen und negative Veränderungen am Arbeitsmarkt betreffen besonders MigrantInnen. Dies belegt die doppelt so hohe Arbeitslosigkeit von MigrantInnen (9,3 Prozent) im Gegensatz zu ÖsterreicherInnen (4,3 Prozent) im ersten Quartal 2010.
Frauen haben es immer noch schwer am Arbeitsmarkt
Frauen haben im Allgemeinen ein doppelt so hohes Risiko von Armut betroffen zu sein als Männer laut dem Frauenbericht 2010 des Bundeskanzleramtes. Obwohl die Frauenerwerbsquote in den letzten Jahren deutlich anstieg, fanden sich Frauen oftmals in schlecht entlohnten Teilzeitjobs wieder. Das Bruttojahreseinkommen von österreichischen berufstätigen Frauen ist im Durchschnitt um mehr als ein Drittel niedriger als das der männlichen "Gegenstücke". Des Weiteren ist die Hälfte der berufstätigen Frauen nur teilzeitbeschäftigt, was wiederum das Armutsrisiko im Vergleich zu einer Vollzeitbeschäftigung erhöht.
Literaturangabe
Roland Verwiebe / Nina-Sophie Fritsch: Working poor: Trotz Einkommen kein Auskommen – Trend- und Strukturanalaysen für Österreich im euopäischen Kontext (S. 5-23) Beitrag erschienen in SWS-Rundschau (51.Jg.) Heft 1/2011: 5-23