Zur unterschiedlichen Lebenserwartung von Mann und Frau
Eine Glosse zu einem ganz anderen kleinen Unterschied. Oder: Die späte Rache der Frauen.Der kleine Vorsprung
Es läßt mich nicht mehr los: Die Lebenserwartung von Männern und Frauen zeigt eine fürchterliche Diskrepanz: Männer sterben nach neuester Statistik etwa fünf Jahre früher als Frauen. Was heißt: Männer können laut Statistischem Bundesamt im Durchschnitt 77 Jahre und sieben Monate alt werden, Frauen hingegen 82 und neun Monate.
Eigentlich gibt uns die Natur eindeutige Hinweise, wer von Rechts wegen das starke Geschlecht genannt werden müsste: Schon die X-Chromosomen sind kräftiger, schneller und durchsetzungsfähiger, die weiblichen Säuglinge weniger krankheitsanfälliger. Mädchen lernen in der Mehrheit schneller laufen und sprechen, irgendwie bleiben die Buben immer etwas zurück. Die armen Mannsbilder haben häufiger Kreislaufkollapse und sehen sich einer Selbstmordgefahr häufiger gegenüber. Das setzt sich so fort bis zur Länge der Lebenszeit: Um genau gesagt 5,2 Jahre überrunden wir Frauen das männliche Geschlecht.
Ein bisschen Schadenfreude darf doch sein? Nach jahrhundertelanger Unterdrückung, männlicher Dominanz und immer noch nicht erreichter echter Gleichberechtigung haben wir endlich wenigstens diesen Vorsprung heraus gearbeitet!
Frauenrunde (Bild: Reinhard Hefele)
Her mit den jüngeren Männern!
Allerdings, das muss ich kleinlaut gestehen, stehe ich ab sofort vor einem persönlichen Problem: Als ich mir vor etlichen Jahren einen Partner ausguckte für eine langfristige Bindung, auch Ehe genannt, da hatte die Statistik exakt vier Jahre längeres Leben für uns Frauen berechnet. Was tat ich kluges Weib, sehr zur Verwunderung vieler Bekannten, die jetzt die Auflösung erfahren: In seltener Symbiose von Gefühl und Berechnung erwählte ich mir einen vier Jahre jüngeren Mann. Wer will schließlich gern trauernde Witwe werden? Vor allem, da mein Traumtod, dürfte ich ihn mir aussuchen, einen Doppelsarg hochkant zur Folge hätte.
Und nun diese persönliche Tragik! Knapp daneben mit einem Jahr. Den anrüchigen Doppelsarg- hochkant - und die damit verbundene herrliche Vorstellung der Gesichter bei unserer Beerdigung kann ich mir nun wohl aus dem Kopf schlagen.
Oder habe ich doch noch eine Chance? An dem einen fehlenden Jährchen sollte doch zu manipulieren sein. Ich ziehe nun Bilanz.
ER
Mal sehen, was auf der Seite meines Schatzes steht:
- Er raucht nicht.
- Er hat aber zeitweise psychoneurotischen Stress, wenn ich ihn nachts nicht einschlafen lasse zwecks Besprechung von Berufsstrategien. Das ergibt ein Minus - aber wie viel?
- Plötzlich entdecke ich auch stärkeren Bauchansatz bei ihm: Hat das auch schon Kreislaufgefahr zu bedeuten?
- Infektionen hält er besser stand als ich,
- aber sollte ich ihn ab jetzt vom Schlagbohrer fern halten?
SIE
Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit: Ich baue das Jährchen ab. Es bestehen, darf man den Auguren glauben,
- gute Aussichten für uns berufstätige Frauen, bei Herzinfarkten endlich aufzuholen.
- Vielleicht fange ich doch wieder mit zwei Zigaretten pro Tag an?
- Mit Schnupfen bin ich eh schon einsam führend in unserer Familie.
- Oder genügt gar der psychische Stress, den ich gerade mit dieser Problembeschreibung habe. Nein, der bringt höchstens eine Woche!
Vor-Sicht
Ein dummes Jahr! Und ich war schon so stolz auf meine Vorausplanung! Vielleicht einigen wir uns auf eineinhalb Jahre plus für ihn und ein halbes minus für mich? Dazu genügt vielleicht, dass wir endlich anfangen, auch unsere überlieferten Rollenklischees wie anständige Ehepaare zu entdecken und unseren Konflikt, wer von uns beiden denn nun endlich die Geschirrspülmaschine ausräumen muss, nur etwas ausbauen? Oder doch von den zwei unterschiedlichen Zahnpastatuben absehen? Aber das würde ja auch ihn mehr aufregen und krank machen als mich, fürchte ich.
Mir raucht schon der Kopf. Ich bräuchte ein ausgefeiltes Computerprogramm, um dies auf den Punkt hin zu kriegen. Wäre das keine Marktlücke, so wie beim Zykluscomputer? So ein Tastengerätchen oder eine App für die Mann-Frau-Lebenserwartungshochrechnung? Man gibt jeden Abend die zu viel gesündigten Kalorien ein, dazu die Anzahl der Zigaretten oder Ähnlichem, den geschätzten Tagesstressfaktor, die tägliche Umweltbelastungsquote... Unsicherer als das mit den fruchtbaren Tagen kann es auch nicht sein.
Zusammen auf den Tag genau alt werden (Bild: Udo Lenze)