Besonderheiten der Gastfreundschaft in beliebten Urlaubsländern - Italien und seine liebenswürdigen Bewohner

Wenn ich in Ligurien in unserem Urlaubsdorf vorbeiging, öffneten sich die Fenster und die Frau des Dorfhandwerkers bat mich auf eine Tasse Espresso herein, um mich mit sympathisch offener Neugier nach den deutschen Verhältnissen auszufragen. Eine Stunde später geschah Ähnliches bei der alten Dame, die auf unsere Ferienwohnung während unserer Abwesenheit aufpasste. Da musste ich mir immer den gräßlichen Ramazotti mit süßen Keksen reinziehen, was ich aber mit Todesverachtung tat. Sie meinte es ja so gut! Dann kamen wir bei Iano und Franca vorbei, die gerade den Steinofen für Pizza angeheizt hatten und uns natürlich einluden zu der köstlichsten Pizza Margherita Europas und ihrem selbst gekelterten Wein sowie ungelogen 96prozentigem Grappa. Marke unverkäuflicher Eigenbrand. Ene Dorfgassen

Das Ende vom Lied: Bis wir etwa bei Ankunft mit den Koffern unser Appartement beziehen konnten,- man musste der engen Gassen wegen das Auto vor dem Ort parken - vergingen schon mal über vier bis sechs Stunden und es wurde langsam dunkel. Aber da muss man durch. Oder anders ausgedrückt: Ich habe das genossen! Man hat ja Ferien und endlich Zeit. Burnout? Dort nie gehört.

Ähnliches berichten Deutsche von ihrem Urlaub in der Türkei.

 

Rechts: Enge Dorfgassen sind der Kommunikation zuträglich!

Regel 1 und 2 zu Einladungen

  1. Regel: Bitte nie freundliche Einladungen im Ausland ausschlagen wegen vermeintlichem Stress, Zeitmangel, quengelnder Kinder etcetera. Das ist nicht nur unhöflich, sondern gilt gar als beleidigend. Zusatzregel: Schön wäre natürlich, Sie verfügen über mehr als die sogenannten Küchen-Sprachkenntnisse zum Entziffern von Speisekarten im Restaurant und können die harmlose Neugier der Einheimischen befriedigen.
  2. Bitte dabei nicht abfällig über die zur Zeit gängigen Euro-Probleme des Landes und ihre Bewohner reden! Lassen Sie den deutschen Zeigefinger an seinem natürlichen Platz an der Hand, respektive erheben Sie ihn nicht, auch nicht im übertragenen Sinne. Allgemeines Schimpfen über alle Politiker aller Länder ist aber dabei erlaubt und zur Zeit gang und gäbe.

Spanien ist anders

"España es diferente"- Spanien ist anders lautete ein bekannter Werbeslogan des spanischen Tourismusamtes in den 70er Jahren. Ja, hier müssen wir endlich mal richtig aufklären: Der Spanier ist da ganz anders als die Bewohner anderer Mittelmeerländer. So mancher Stammurlauber und ausländischer Bewohner in Spanien erst recht mag sich hin und wieder fragen, warum er denn von seinen spanischen Bekannten zwar in die Bar oder ins Restaurant eingeladen wird, aber nie zu ihnen nach Hause. Bitte, dann nicht beleidigt sein!

Da nimmt uns der andalusische Reiterfreund beim Arm und führt uns in die nächste Tapasbar – und besteht darauf, immer die Rechnung zu übernehmen! Das muss einem nicht peinlich sein. Jaime sagt immer, wenn mein Mann die Geldbörse ziehen will: "Lass stecken, das übernehme ich, ich zahle sehr viel weniger als Du als Ausländer!" Spätestens dieses Argument klingt doch überzeugend, zeigt aber auch sehr offen die Unterschiede zwischen Preisen für Einheimische und Touristen auf. Als wir ihn zur Fertigstellung unserer Finca dorthin zur Einweihungsparty einluden, fragte er zweimal nach: "Wirklich, bei Dir zu Hause?!" Und "revanchierte" sich später mit einer Einladung in ein fantastisches Fischrestaurant.

Unser spanischer Rotaryfreund klärte uns endlich nach Jahren auf, als er sich traute, dies offen zu äußern: "Wir Spanier laden nicht nach Hause ein, das ist nicht üblich, wir treffen uns mit Freunden immer im Restaurant!" Ausnahmen im längeren dörflichen Zusammenleben bestätigen die Regel. Übrigens halten es die geografischen Nachbarn, die Franzosen, ebenso: Man trifft sich nicht in den eigenen vier Wänden, sondern außerhalb im Restaurant.

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Oben: Spanier laden kaum zu einer privaten Gartenparty ein, sondern lieber ins Restaurant

Inzwischen habe auch ich mein Befremden abgelegt und fröne dieser Gepflogenheit sogar in Deutschland: Wie praktisch, dass ich zu meinen vier Haupttätigkeiten – Stallmeisterin, Latifundienverwalterin, Geschäftsbuchhalterin und Journalistin - nicht auch noch meine hausfraulichen Fähigkeiten unter Beweis stellen und schwitzend am Herd stehen muss: Wir laden nun auch immer öfters in einen gastronomischen Geheimtipp ein. Und ich erinnere mich lebhaft an ein Plakat, dass meine Nachbarin Irmi in Osnabrück bei sich in der Küche hängen hatte: "Wenn Gott wollte, dass ich koche - warum hat er dann die vielen guten Restaurants geschaffen?!"

Regel 3 und 3a zur Bezahlung von Restaurantrechnungen

3. Es ist Usus im Mittelmeerraum, dass einmal der und ein ander Mal der andere die gesamte Rechnung übernimmt. Bitte ja nie deutsch-pingelig auf der Teilung der Rechnung oder dem Auseinanderrechnen bestehen nach dem Motto: "Ich hatte aber einen Aperitif und eine Vorspeise weniger..." Da straft sie jeder Latino-Kellner mit Verachtung.

Zusatzregel 3a: Allenfalls, wenn man nur ein Treffen und keine Einladung abgemacht hat, wird die gesamte Rechnung der Einfachheit halber durch die Personenzahl geteilt und jeder schmeißt seinen Schein auf das Tablettchen, ohne wieder so genau auseinander zu dividieren. 

Arlequina, am 05.07.2012
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Bildquelle:
Gabriel Steinschulte (Die großen Feste in Spanien übers Jahr)

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